Glanz@Elend |
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Volk ohne Traum XXIII |
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Seit Olim hockten die Bewohner der nördlichen und gemäßigten Breiten mit Beginn der kalten Jahreszeit ums Feuer und grübelten über ihr geopolitisches Schicksal, bis mit den Schneeglöckchen der Furor der sozialen Empörung aufbrach. Marx (oder Engels) nannte diese Phasen die vorrevolutionäre Saison, denn wer die miesen Monate überstanden hatte ohne Wild- und Holzdieberei, stand im Frühjahr ohne Saatgut da oder war verschuldet, ein dem Landfrieden unzuträglicher Teufelskreis, welcher nicht einfach durch Gründung eines Dorfsowjet überwunden werden konnte, dannzumal, wenn Mißernten und andere Heimsuchungen das Elend des Volkes perpetuierten. So wurde die Idee einer Religion der Liebe und Brotsuppen gern angenommen. Es versteht sich, daß die christliche Lehre erst jenseits von Israel reüssieren konnte, vor allem als Staatsreligion des modernsten Imperiums der Erde, eines Kaiserreichs, dem nicht das Seelenheil seiner Bürger und die Wohlfahrt der Unterschicht am Herzen lagen, sondern die Sicherheit des Reiches und die Erhaltung der Besitzstände; die Botschaft der Bergpredigt war eine Sättigungsbeilage zur Armenspeisung und spielte erst gegen Ende des 20.Jahrhunderts eine Gastrolle als Ideologie-Ersatz der SPD…
Seit dem 8.11.06 hat
Jesus Christus seine erste wirkliche Wahlniederlage im Weltmaßstab
hinnehmen müssen, denn die USA sind die führende Weltmacht und Bush jun.
ihr erster theokratisch inspirierter Präsident, dem trotz seiner irdischen
Heerscharen bibelgläubiger Votanten die Entmachtung droht wegen
Erfolglosigkeit im Kampf gegen offenkundig gottgefälligere Gegner. Doch
wie steht’s in Europa, in der historischen Heimat aller evangelikalen
Klüngel und Kirchen? Während in Lateinamerika die linken Populisten (mit
dezenter Fürbitte des Vatikans) triumphieren, kommen in Deutschland auf
jede verwaiste Pfarrstelle tausend pseudoreligiöse Dienstleiter und auf
jedes leere Gotteshaus christlicher Konfession neue Gebetsstätten
nichtchristlicher Bekenntnisse. Kein Wunder, daß DER SPIEGEL (Nr. 43) mit
echter Erleichterung und nicht geringer Schadenfreude titelte (S.188):
Glücklicher ohne Gott. Und weiter in den Sublines: „Evolutionsbiologen
wehren sich. Ihre These: Religionen sind das eigentliche Übel unserer
Zeit.“ Diese Erkenntnis ist nicht neu, sie ist wahrscheinlich ebenso
urchristlich wie mosaisch und altägyptisch. Allerdings haben sich die
meisten Religionskritiker nicht als radikale Rationalisten ausgetobt,
sondern als Reformatoren oder Gründer neuer Glaubensgebilde, und weil
jeder der Schurkerei beschuldigte Schamane sofort durch einen neuen
Schweinepriester ersetzt wurde, mußten erst die Jakobiner die Vernunft
anbeten lassen und schließlich die Bolschewiki die Religionen in allen
Erscheinungsformen zum arbeiterundbauernstaatsfeindlichen Aberglauben
erklären und entsprechend bekämpfen, was zwar einen atheistischen Alltag
etablierte, aber nicht zur Vernichtung aller organischen und anorganischen
Glaubensträger führte, so daß die Rückkehr der Geistlichkeit und der
offenen Volksfrömmigkeit im Grossen Krieg (1941-45) sowie mit der
Perestroika die Renaissance der Orthodoxie beinahe bruchlos in allen
Ämtern und Ehren sich vollenden konnte. Daß der Russisch-Orthodoxe Synod
wie eh und je sich als Säule eines autoritären Systems erweist, während
unsere vereinigungsgeilen Synodalen das lutherische Kultur- und
Geisteswerk („die feste Burg“) nach Kräften ruinieren (nicht den
Katholiken zuliebe, sondern den Linken und Liberalen zu Gefallen!),
verdüstert jede luminöse Aussicht. Strahlender als das Papsttum könnte
selbst Hollywood nicht die Wiedereinführung der Monarchie in Israel (Haus
David) inszenieren und selbstredend müßte der Messias aus einem Ufo
klettern und nicht im Gazastreifen erschossen werden.
P.S. Und nun werfen
Sie bitte nicht Ihr schönes Geld aus dem Fenster – Frohe Festtage! |
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