Glanz@Elend
Magazin für Literatur und Zeitkritik
© by Herbert Debes & Kurt Otterbacher

 
 

Volk ohne Traum XXXI

 


Der Fall Eva H.

Ein Statement von Uve Schmidt

Nach Eva Hermans standrechtlicher Kündigung als prominente Sprechkraft des NDR muß man fragen, ob eine Entlassung wegen unverzeihlicher Dummheit gerechtfertigt war angesichts ihrer vielen Kolleginnen reichsweit (kommt von Reichweite!), welche schon gar kein Vorstellungsgespräch hätten haben dürfen nach Vorlage ungeschönter Profilfotos und Hinterfragung ihrer Allgemeinbildung. Vielmehr glaube ich, daß man die hübsche, charmante und keineswegs grunzdumme Herman bereits nach Erscheinen ihres vorletzten Buches gern gefeuert hätte, aber die geistlichen Rundfunkräte sich für die eifernde Eva noch verwendeten. Und natürlich gab es keinen Fauxpas wie bei der Buchvorstellung ihres neuesten Titels Das Prinzip Arche Noah (Pendo Verlag); interessanterweise wurde uns Zeitungslesern und Zuschauern kein bisschen aus dieser Neuerscheinung mitgeteilt. Geht es etwa um Selektion? Um den Gehorsam gegenüber göttlichen Großaufträgen oder plaudert E. H. über das randvolle Boot?? Was auch immer- am Thema kann es nicht gelegen haben, zumal Evas männliche Kollegen als Autoren sich mit Gesellschaftsschelte und Weltverbesserungsvorschlägen bereits populistisch hervorgetan hatten. Doch es ging gar nicht um eine inkriminierte Passage oder um das Buch im Ganzen, sondern um ein paar live dahingestotterte Satzfragmente des Sinnes: „Im Dritten Reich war nicht alles schlecht.“

Nun, von dieser Einschätzung sind schätzungsweise zwei Drittel der deutschstämmigen Bevölkerung überzeugt, wenngleich die wenigsten publizierende Blondinen sind und die meisten gewitzt genug, am Naziregime ausnahmsweise entdeckte sympathische Seiten (Autobahn, Eintopfsonntag, Gnadentod) nicht coram publico zu preisen. Allein die Tatsache, daß jede Menge Nazinachlässe - z.B. Bauwerke, Gesetze und soziale Einrichtungen- sich weiterhin des gemeinschaftlichen Gebrauchs erfreuen, liegt nicht daran, daß sie irgendwie exorziert worden sind, sondern weil sie dem Staate nützen. Etwa so wie Oberländer und Globke, Gehlen und die Generäle der Wiederbewaffnung, die einstigen Wehrwirtschaftsführer und Technokraten, die Juristen und Wissenschaftler, die Kulturschaffenden, Publizisten und Propagandisten, die spätestens 1949 keine Probleme mehr hatten, in die Dienste der alten Feinde und des neuen geruchsfreien Geldes zu treten? Eben drum interessiert mich der Fall Herman weder arbeitsrechtlich, noch rein menschlich, aber gebrauchsphilosophisch ganz gewaltig. Da das Eintrittsalter für die Waffen-SS nicht beliebig abgesenkt werden kann, um sich noch reinzumogeln (z.B. als Trommelknabe) und die Mitgliedschaft in der NSDAP per gegenseitiger Generalamnestierung rückwirkend zu erlöschen scheint, scheinen auch die letzten großen Hürden genommen, um z.B. greise Fernsehpersönlichkeiten mit dem Bundesverdienstkreuz zu schmücken oder Frauen mit Frauenpreisen zu ehren für ehrenamtliche Mütterlichkeit oder für herausragende Verdienste um die Gleichberechtigung der Frau in der Gesellschaft. Doch wie steht es um die Preis- und Jobwürdigkeit jener begnadeten Nachgeborenen, denen arglose Sätze entschlüpfen wie: „Meine Oma ist immer noch stolz auf ihr Mutterkreuz!“? Tatsächlich war es das einzige zivile Ehrenzeichen für Frauen, welches Männer nicht durch analoge Leistungen zu erwerben vermochten, und man verlieh es nicht an Frauen, die nur bis drei zählen konnten. Es wurde am Bande um den Hals getragen und die Stufen rangierten nach der Anzahl der Kinder. Wurden Totgeburten auch gezählt, früh verstorbener Nachwuchs nur halb und Kretins aller Grade gar nicht? Galten nur eheliche Kinder, bzw. nur solche mit Vaterschaftsnachweis? Konnte der Orden aberkannt werden, wenn die Megamutter sich als Lesbe entpuppte? Das wäre die wirkliche Problematik, denn weshalb sollten Staaten mit Nachwuchssorgen recte Staatsbürgerbedarf nicht auch Dekorationen für Gebärfleiß stiften, da doch jegliche Loyalität und Dienstdauer mit Hals- oder Hutschmuck belohnt wird? Die Zeugen Jehovas litten im KZ, weil sie grundsätzlich gewisse Staatsbürgerpflichten verweigern, die vielhäuptigen Familienmütter mussten ihr Kreuz nicht tragen wie Soldaten ihre Rangabzeichen oder als Geiseln der Eugenik, und eigentlich sollten wie heilfroh sein, daß man/frau 1945 nicht nur auf Ruinen, sondern auf viele Kinder und ermutigende Geburtenziffern blicken konnte.

Was die von ihrer PR-Agentin offenbar in den Herbstregen geschickte Herman betrifft, so hätte sie sagen können (ohne Prosecco): „Daß ich mich für grüne Witwen undsoweiter engagiere, erforderte nicht noch’n Buch, doch mir geht’s nicht nur um das private Glück von Frauen als Hausmüttern, sondern um die Anerkennung  von Frauen als Mütter der Nation, was sich hier und heute leider überhaupt nicht mehr von selbst versteht, denn Adolf Hitler und der Weiberrat des SDS haben…“ Upps & Stopp & Psst, denn falsche Freunde hören und lesen mit, wir aber sollten zunächst Eva Hermans Elaborat lesen, und wenn sich die Lektüre als kompletter Kokolores erweist, hat sie dennoch den deutschen Verfassungspatrioten und Staatsromantikern einen Gefallen erwiesen, denn sooo geht’s nicht! Daß die Deutschen sich nach Einstellung der Entnazifizierung ungestraft mit dem Hitlergruß begegnen durften, auch wenn sie besoffen oder Antifaschisten waren, war zwar eine falsche Armbewegung, ihre Duldung jedoch psychologisch kein Fehler, dito das Hakenkreuz an Wänden und Mauern, denn dort blieb es Schmierfinken vorbehalten und ansonsten den NS-Devotionalienhändlern und durchreisenden Neonazis aus Nordamerika. Man wusste, woran man war: Das Hoheitszeichen outete sich als Gaunerzinke. Daß es überall auf der Welt im archäologischen Schutt als Swastika auftaucht, berührt kaum den deutschen Bilderstreit, wenngleich kein deutsches Museum davor sicher sein kann, von der Runenreinigung heimgesucht zu werden. Sein Buch Das Hakenkreuz (2006 by Karolinger) beschließt Lorenz Jäger mit dem Satz: „Außerhalb asiatischer Glaubensgemeinschaften und jenseits kleiner marginalisierter Gruppen ist die Geschichte des Hakenkreuzes in Europa zu Ende.“

Wäre Hitler dann endgültig besiegt, nachdem man ihn bereits – wie Arno Plack in den 80’ern feststellte – immer öfter besiegt hatte? Oder riskiere ich meine Anwartschaft auf ein Armengrab, falls ich bekenne, „eine ganz schön spannende Kindheit“ gehabt zu haben? Vielleicht muß ich die Silberne Ehrennadel zurückgeben, welche mir VERDI jüngst verlieh, wenn ich gestehe, wie sehr ich die niedlichen Anstecksächelchen vom Winterhilfswerk vermisse, welche meine voreilige Mutter wegwarf, als andere Leute ihren Nazikrempel wasserdicht verbuddelten? Könnte mir etwa der Wehrpass entzogen werden, da ich hiermit die Welt wissen lasse, ohne den Volksempfänger meiner Großeltern niemals den Boogie-Woogie lieben gelernt zu haben?!? Fragen, welche Frau Herman vielleicht in ihrem nächsten Buch aufgreift, sofern sie nicht schon Schreibverbot hat und Ausgangssperre… Uve Schmidt

Eva Herman: Hier der O-Ton ihrer umstrittenen Äußerung
 


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