Glanz@Elend
Magazin für Literatur und Zeitkritik
© by Herbert Debes & Kurt Otterbacher

 

Volk ohne Traum V

 


Ahoi, Arche Nova!
Ein Statement von Uve  Schmidt








Alle alten (z.B. Apokalypse) und neueren Vergleiche (z.B. Atomschlag) wurden bemüht, um der katastrophalen Dimension des Seebebens und seinen unmittelbaren Folgen schaurige Anschaulichkeit zu verleihen, doch von der Sint- oder Sündflut war fast keine Rede, obwohl man alsbald diskutierte, weshalb beinahe keine Opfer in der Tierwelt zu beklagen seien. Während Gott in allen Zungen bezeugt wurde, allweil Schutzengel eingriffen und diverse unbeschadete Gotteshäuser inmitten der Wasserwüsten höheres Walten manifestieren, wurde der bewährte Begriff Sintflut tunlichst d.h. journalistisch vermieden, eine Woche lang, bis DER SPIEGEL seine zweite Nummer zum Thema herausbrachte, es aber im Blattinneren dezent mit Die Erben der Sintflut überschrieb, womit wir alle als Noahs Nachkommen gemeint sein können oder nur die Bewohner der betroffenen Küsten. Kann es sein, daß der Deutsche Presserat eine entsprechende Empfehlung auf Unterlassung ausgesprochen hatte, um der Nach-Frage vorzubeugen, warum nur am Indischen Ozean das alttestamentarische Strafgericht erfolgt sei, hauptsächlich zum Nachteil mehrheitlich nichtchristlicher Gotteskinder?

Moraltheologisch gesehen hätten es ja alle verdient, aber am wenigsten wir, weil durch Christi Kreuztod entsühnt o.s.ä., doch das sind Bibellesarten, keine Medienmeinung. Medien machen Politik und verkaufen Seifenpulver, Moralisten sind sie nur als augenzwinkernde Investigatoren, Entrüstungsexperten und Wahlhelfer in Erwartung des drohenden Informationsfreiheitsgesetz, mit dem die Presse und die Sender kaum Probleme haben dürften, wohl aber der gemeine Bürger, falls er mehr wissen wollte, als ihm guttäte, was etwa das Statistische Bundesamt befürchten könnte, falls sich jemand als Hans Magnus Enzensberger ausgibt, um geheime Zuwanderungszahlen zu erfahren (laut „Bühler Begegnungen“, SWF) oder den wahren Stand der Staatsverschuldung. Eine andere Wahrheit ist, daß Naturkatastrophen seit je als Regulative gegen Überbevölkerung bzw. Massenelend gelten, noch vor Epidemien, Hungersnöten und Kriegen, weil die letzteren Menschenwerk sind und mithin von Menschen zu verantworten gewesen wären, mitnichten die Unwetter als höhere Gewaltakte...

Es versteht sich, daß wir helfen, zumal ja auch deutsche Erholungsbedürftige, deutsche Biergärten und Jägermeistereien betroffen sind und unser THW drauf und dran, sich das Wasseraufbereitungsmonopol weltweit zu sichern, nur übertreiben muß man nicht. Wenn der Kanzler seinen „Stolz auf die Hilfsbereitschaft der Deutschen“ bekundet, weiß er, daß er einen eitlen und kontraproduktiven Volkssport lobt. Und wenn er mit 500 Millionen plus X Staatsspende klotzt, dann lässt sich denken, daß dies ein Stimmkauf ist für den rotgrünen Gieper auf einen Sitz im UNO-Sicherheitsrat und ein Bakschisch für moderate Muslime auf den Indonesischen Inseln etc. Ansonsten erwartet kein weisser Wohltäter, daß die Eingeborenen dazulernen, solange weder die Wirte am Rhein, noch die Winzer am Vesuv, weder die alten Nutten an den Autobahnen, noch die jungen Ossis ihre Wirkungsstätten oder Warteräume verlassen, wo sie ausser einem gewissen Einkommen ein ungewisses Schicksal erwartet.

Doch wir arbeiten daran! Bei den Arbeitsagenturen z.B. werden die ersten Freiwilligenverbände deutscher Arbeitsloser zusammengestellt, um unter Palmen Behelfsheime zu errichten, vielleicht, weil diese Leute diese Gegenden einschlägig am besten kennen oder weil man sie für anspruchslos hält. Viagra-Paul und Dingdong-Dieter als Tropenfachmänner?! Es ist nicht nur die Hauptgeschäftsgrundlage dieser sündigen Gestade, welche das Kreuz des Südens wie ein Rotlichtlogo erscheinen lässt, es ist die generelle Riesenpeinlichkeit, daß ein Unwetter oder Verkehrsunglück vor allem dann zur Titelstory aufsteigt und als mediales Langzeitlamento sich etabliert, weil Deutsche unter den Toten sind, Landsleute, von denen ich keinen kenne und von denen ich niemanden weniger oder überhaupt beweinte, falls er bloß hier im Bett gestorben wäre. In allem Ernst: Man kann richtig seekrank werden angesichts dieser Megawoge von Heuchelei, Hysterie und Helferhype. Eher still zu vermerken war dann, daß wer auf Warnungen dieser Deutlichkeit mit Frühwarnsystemen reagiert, die ganze uralte Sintflutsaga nicht verstanden hat. Egal, was noch über uns kommen wird als entfesseltes Element, es sind die Folgen von Vollbeschäftigungswahn und „ungeschütztem Geschnacksel“ (Danke, Gloria!), von fortwährender Spaßgesellschaft (Geiz ist geil) und grenzenloser Globalisierung: Südasien ist das moderne Lehrstück; der 26.12.2004 bot uns die Generalprobe in der ersten Reihe des Welttheaters. Bis das Brackwasser uns um die Pantoffeln schwappt, sei Balkonesien gepriesen.


 
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