Glanz@Elend |
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Volk ohne Traum XXIX |
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Ein starker Mann
Daß Adolf Hitler bei politisierenden Militärs in aller Welt echte Verehrung genießt, ist ein Faktum, welches man (z.B. die Holzmedien) nicht mehr jedem autokratischen Säbelrassler in die Stiefel schiebt, denn es könnte in mental verformten Knabenköpfen mit jenem Stolz aufgenommen werden, der für Beckenbauer und Benedikt reserviert gehört: Siehste, sogar Bimbos lieben unsern Mann! Zweifellos werden in Deutschland mehr Ausländer angehimmelt als anderswo, was wiederum nicht auf generelle Fremdenfreundlichkeit zu schließen gestattet, da diese Neigung der Neophilie entspringt, und natürlich sollte nicht verhehlt werden, daß die allermeisten Abgebusselten (per Medaillon u.ä.), Angebeteten und Angestaunten von Jesus bis Ché, von Gandhi bis Kennedy keine wirklichen Volkshelden waren hierzulande, sondern Verkünder bzw. Märtyrer exotischer Heilsversprechen und kosmopolitischer Werbebotschaften. Und: Daß A.H. unter seinen späteren Bezwingern zuvor nicht wenige Bewunderer und Befürworter hatte, verdeutlicht vor allem die Plausibilität des Faktischen, die Beliebtheit des Pragmatismus auf den Feldern der Innenpolitik zum Zwecke staatlicher Neuordnung und gesellschaftlicher Umgestaltung nach biologistischen Prämissen. Will sagen: Solange Frankreichs neuer Staatspräsident eine halbwegs gaullistische Europapolitik („Vaterland der Vaterländer“) betreibt, dürfen wir uns Nikolas Sarkozy als neuen Napoleon hinter den NIVEA-Spiegel stecken. Le roi est morte: Vive le roi! Die alte höfische Formel (mit diesen Worten verkündete einst ein Herold vom Schloßbalkon herab das Ableben des jeweiligen Königs und die Thronfolge des neuen Herrschers) wurde zuletzt 1824 in Paris angewendet und so Karl X proklamiert, Frankreichs vorletzter König. Während wir den Spruch eher ironisch gebrauchen zur Charakterisierung eines allzu raschen oder wenig bedauerten bzw. begrüßten Führungswechsels, wurde er in der Wahlnacht zu Paris in die Mikrophone geschmettert und tags drauf von den Gazetten auf ihren ersten Seiten platziert. Was immer die Pariser Presse damit an Assoziationen anbot – maßgeblich war in jenen Stunden die Botschaft, daß Frankreich es kraft dieses Ergebnisses mit einer Entscheidung im Krönungsformat zu tun hat. Ergo können wir mit einem royalen Ruck rechts des Rheines rechnen, von der Mündung her gesehen? Es wäre wirklich gut so für den Kontinent vom Atlantik bis zu den Dardanellen, von Grönland bis Malta und bitte nicht über den Pruth hinaus. Sollte Sarkozy geneigt sein, das frankophone Nordafrika der EU unterzujubeln, müßten wir den Westwall rekonstruieren, tunlichst nicht mit der Arbeitskraft maghrebinischer Malocher. Ob frau in Berlin Sarkozys rethorisches Antrittsbesuchsgeschenk („Die deutsch-französische Freundschaft ist uns heilig!“) verinnerlichte, ist nicht von Belang, wohl aber die Frage, wie die Kanzlerin mit den Führern der einstigen Besatzungsmächte künftig telefoniert, diniert und flaniert: Von Männerfreundschaften kann keine Rede sein. Bush ist für Angelika der Onkel in Amerika, Putin eine Gelegenheit, ihr Schulrussisch nachzubessern und sein Deutsch zu loben, und Premierminister Brown (wie alle britischen Leader im kontinentalen Aussendienst) ein Robinson im Kontakt mit der Familie Freitag. Wer jedoch die Profile der einander zugeneigten Staatshäupter vom offiziellen Begrüßungsfototermin erinnert, kann nur eines denken: Gallischer Geier & Schweinchen Schlau. Daß uns also auf Regierungsebene eine Art Springtime for Sarko and Germany blüht, ist auch auf den dritten Blick kaum zu erkennen, das ist platterdings nicht gegeben.
Aus dem Jahre 1968
erinnere ich eine sommerliche Demo in Frankfurt, die von einem
Lautsprecherwagen unterstützt u.a. die Parole ausgab: „Macht Euch nicht
in die Hosen, macht’s wie die Franzosen!“, eine Ermunterung der
Passanten und Gaffer, sich anzuschließen. Gemeint waren die Vorgänge im
Nachbarland seit dem Pariser Mai und das Verhalten unserer
schweigenden Mehrheit. Damals konnte konstatiert werden, daß ein
kleiner rotlockiger Judenjunge den großmächtigen General de Gaulle de
facto in die Flucht geschlagen hatte. Tatsächlich verkörperte Daniel
Cohn-Bendit die europäische Studentenrevolte und der General das
verunsicherte System, doch dann wurde Dany le Rouge nach Deutschland
abgeschoben und das Ehepaar de Gaulle kehrte zurück in die Hauptstadt.
Beide waren keine starken Männer mehr, nicht in den Momenten ihrer
Demütigung; als stark erwies sich die Republik Frankreich im
ganzheitlichen Sinne, und natürlich war Cohn-Bendit vom politischen
Habitus her kein „starker Mann“ und der greise General kein junger
Bonaparte und die Verhältnisse waren mitnichten revolutionär, sondern
infolge der fortschreitenden Demokratisierung des gesellschaftlichen
Lebens lediglich medial für öffentliche und klandestine Experimente im
Umgang mit der Macht. Heute wären die Stadtväter von Metropolis
glücklich, wenn ihre arbeitslosen jungen Leute, wenn Immigranten und
Faschos ihren Frust in lokalen Krawallen kompensierten, um sie zernieren
zu können und auszulöschen wie Buschfeuer; wer die Konjunktur predigt,
kann dem sozialen Frieden nicht trauen. Was Sarkozy ins Auge gefasst
hat, ist freilich nicht die Verlängerung und Verfeinerung der
Armentafeln, sondern die Eindämmung der Überfremdung. Längst sind in
Paris die dröhnenden afrikanischen Wohnburgen nicht mehr die heißesten
Gefahrenherde, sondern verschwiegene islamische Gebetshäuser und stille
Werkstätten in Chinatown, Stützpunkte des Kulturkampfes und der
Kriminalität en gros. Doch es liegt nicht im Wesen der Illegalität, daß
man illegale Ausländer nicht zählen kann, sondern im Wesen des
Liberalismus, daß man sie lieber schätzen lässt, möglichst moderat und
ohne Aufsehen. Der eiserne Besen, der N.S. sein wollte als die
Banlieus brannten, wurde von ihm bereits während des Wahlkampfes zum
Gerümpel gestellt, und eine Festung Europa hat er nie
versprochen. Aber sein Widerwille gegen einen EU-Beitritt der Türkei?
Falls die kemalistischen Massenproteste reichsweit um Ankara die
Brüsseler Beauftragten beeindruckt haben, könnte Sarkozy dem
zionistischen Traum vom eurasischen Brückenstaat Israel zumindest als
Statiker nahetreten, denn „der Enkel eines Rabbiners wird uns nicht
enttäuschen“ (Olmert). Tja, aus der Traum… |
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