Glanz@Elend |
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Volk ohne Traum |
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Vor vielen Jahren unterhielt ich mich mit einem echten Grauen Wolf in einer Kreuzberger Kneipe über den großtürkischen Traum vom künftigen eurasischen Reich zwischen Donau und Lop-Nor. Der Mann sah aus wie Kirk Douglas mit 52, sprach sehr gut deutsch und wäre nach entsprechender Schulung zu einem eindrucksvollen Nachrichtensprecher oder Wetterpropheten geworden, hätte er authentischer ausgeschaut, d.h. zweifelsfrei anatolisch und ein bisschen fußballerisch. Ich rede vom Deutschen Fernsehen und seinen vielen neuen Gesichtern, welche naturalisierten Sprechern und /oder Moderatorinnen gehören, die unter ihren originalen Namen auftreten, korrekt gecastete Charaktermasken des Morgenlandes, wobei es auch Mohren gibt, welche Milka oder Michael heißen, und Südostasiatinnen, die nicht nur deutschen Adoptiveltern signalisieren, daß belesene Bambusblüten auf hiesigen Bildschirmen selbstredend zu Funkhause sind. Wahrscheinlich glauben die Rundfunkräte, daß landfremde Landsleute ihre Landsleute zum Gucken deutschsprachiger Sender animieren und eine attraktive Landsfrau vorm Teleprompter den Patriarchen vermittelt, welch wunderbare Aufstiege aus den Reis- oder Baumwollplantagen ihren Töchtern blühen können, ohne Kopftuch freilich. Andererseits sollen die Deutschen erkennen und anerkennen, daß sich unsre regenbogenfarbigen Mitbürger durchaus nicht nur als DarstellerInnen ihrer Spezies eignen, sondern auch als Staatsdarsteller, denn in dieses Rollenfach sind vor allem jene Hör- und Fernsehfunkmacher (festangestellte wie freie Mitarbeiter) eingetreten, welche der Politik am nächsten kommen, wobei ich nicht unbedingt an die Damen mit den Puderquasten denke oder an die Herren von der Fahrbereitschaft. „Mein Sohn is beim Fernsehen!", das verstand man bereits in den Fünfzigern wie eine halbe Staatssekretärsstelle, wenn der Filius bloß Kabelschlepper war, fürs Erste. „Was will man mehr?!" triumphierte Thomas Mann, als er seiner Familie beim Frühstück aus der Tageszeitung vorlas, im Hotel Vier Jahreszeiten sei ein Hochstapler verhaftet worden, der sich als Schriftsteller ausgegeben habe. Eher humorlos reagieren Politiker und Karrierebeamte vor den Kameras etc., wenn sie sich am Rande einer Nervenkrise kleine Unartigkeiten gestatten gegenüber den Medien, um hernach reuig zu einem Exklusiv-Interview in die Koreanische Sauna einzuladen. Die Fingernagelprobe des Rassismus hat man allerdings noch nicht gewagt: Bis zur Stunde wurde kein deutsches Regierungsmitglied von einem dunkelhäutigen Emissär des deutschen Fernsehens „amtlich" befragt, und außerhalb der Spielwiesen des so genannten Bürgerfernsehens kommt das auch nicht vor diesseits der puren Unterhaltung á la Arabella. Ich denk, man möchte nichts übertreiben diesbezüglich und angesichts der russischen Waisenkinder Schröder plus Schlittenhündchen kann einem durchaus die Idee kommen, der Genosse Gerd habe seine GASPROM-Beteiligung schon früher im Sinn gehabt, anstatt ein ostdeutsches Duo (Hänsel & Gretel) plus Dackel anzuschaffen und Oppositionsführer zu werden. Will sagen: Was wir an multikultureller und ultrasozialer Gesellschaft zu sehen kriegen, ist blanke Augenwischerei und Puderzucker-in-die-selben-pusten und dient einzig der Legendenbildung: 1. Die Türken und ihre einstigen Untertanen (d.h. alle Araber sowie Millionen Schwarzafrikaner und Südosteuropäer) sind in unserer Demokratie angekommen. 2. Sie können alles werden, was sie wollen 3. Wir akklamieren das und am liebsten hätten wir ein älteres chinesisches Ehepaar, das beim HR 3 eine Haushundevermittlung moderiert, mit Billi Mo am Katzenklavier. Selbst wenn die Bundesrepublik Deutschland zum Dank in den Verteidigungsausschuss der UNO gewählt würde und Hape Kerkeling seine nächste Pilgerreise nach Mekka antreten dürfte, dünken mich das inäquivalente Vorleistungen und sowieso die reine Narretei.
Bei der
deutschsprachigen Presse hingegen stehen die exotischen Mundwerker
mitnichten Schlange, im Gegenteil, man sucht sie vergebens als Dekorum
oder nennenswerte Blattmacher, wir finden sie kaum in Lektoraten
deutschsprachiger Verlage, sehr selten in den höheren deutschen
Lehrkörpern, aber immer öfter auf der einen oder anderen christlichen
Kanzel. Vielleicht ist Beherrschung der deutschen Sprache eher
zweitrangig, denn deutsches Denken? Könnte es sein, daß für die in
geisteswissenschaftlichen Berufen und intellektuellen Jobs notwendige
Vertiefung ins Deutsche („innere Sicherheit“) ein bißchen akzentfreie
Anpassung nicht genügt? Daß auch Akademikerfamilien in Odessa oder
Bombay ihren Kindern nicht den deutschen Allgemeinbildungsfundus
verschaffen können, welcher sie z.B. befähigt, die verklemmten
Kreuzworträtsel unserer führenden Tage- und Wochenblätter zu lösen?
Tatsächlich ist auch das Fernsehen in toto kein Weltarbeitsplatz,
wenngleich mancher Abspann den Eindruck erweckt, wir säßen in SARASANIs
Cirkuszelt. Am deutlichsten offenbaren die Werbeblocks die Apartheid des
Sendealltags: Weder kommen konsumgeile Mischehen vor, noch der
HARIBO-Botschafter im ethnischen Gemenge deutscher Schulhöfe und
Spielplätze, keine ostslawische Putzfrau empfiehlt Putzmittel, keine
fernöstliche Hausdame klopft die Mikrofaserkissen im Rentnerrücken,
keine echte Zigeunerin berät unsere Zukunft am Wertpapiermarkt und kein
russisch-jüdischer Spätaussiedler lobt die Spreewälder Gurken. Ausländer
werben ausschließlich für sich selbst sozusagen, als Gotteskinder,
Reiseziele und Exporteure, d.h. für deutsche Spendensammler,
Reiseveranstalter und Importeure; ausnahmsweise Italiener genießen die
Gagengunst der geschichtlich ältesten Gastarbeiter und Gewerbegründer.
Ehrlich: Mir fehlt die fette Fatima im Zwiegespräch mit ihrem Körper und
den dazu passenden Pillen, Trikotagen und Knäckebroten! Den deutschen
Integrationsexperten indes fehlt eindeutig eine Migrantenquote bei
Jauch, Pilawa & Co, um die quietschvergnügten deutschen Versager aus
Lehrer- und Studentenschaft den Quizstudios zu entfremden. Irgendwann
dämmert uns dann, daß das Fernsehen sich zwar deutschem Erfindergeist
verdankt (Nipkow, Braun, von Ardenne), aber keineswegs deutsche
Geistesgröße repräsentiert, solange Harald und Feridun die Knieholzzone
des Olymp markieren. Mein großtürkischer Gesprächspartner (damals beim
Berliner Bärenpils) meinte über das westliche Fernsehen, es böte die
beste antiwestliche Propaganda, welche sich muselmanische Hausväter
wünschen könnten. Ob man denn nicht zu Europa wolle, fragte ich ihn und
er hob die Hände: „Wir brauchen jeden tüchtigen Mann in Asien! In Europa
sind wir ja schon". Na, bitte. |
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