Glanz@Elend
Magazin für Literatur und Zeitkritik
© by Herbert Debes & Kurt Otterbacher

 

Volk ohne Traum XX

 


Fliegeralarm
Ein Statement von Uve Schmidt 








Wenn mein Großvater mütterlicherseits, ein Überlebender der Sommeschlacht 1916, von der kommunistisch gelenkten Weltfriedensfront mit der Sammelbüchse angegangen wurde, gab er eine kleine Münze und den Kommentar: „ Irgendwo hinter der Türkei wird immer Krieg sein – den Kerls da juckt der Säbel wie mir das Rohrstöckchen.“ Der Mann war Steuerberater und Pönalsadist, aber im Hinblick auf den Nahen Osten hatte er ein idiotensicheres Urteil; auch wenn es keine Schlagzeilen macht, darf man gewiss sein, dass zu jeder Stunde irgendwo in der Wüste die Leute um eine Wasserstelle kämpfen oder Revanche nehmen für geraubte Kamele, Jungfrauen etc. So gesehen stellt die Eskalation im Heiligen Land nur einen neuen Waffengang in einer uralten Fehde dar und die Reisetätigkeit unseres Außenministers die pure Augenwischerei einer Regierung, welche auch außenpolitisch genug pressante Hausaufgaben zu erledigen hätte, statt auf biblischen Wassern wandeln zu wollen. Kann es sein, dass keines unserer Kabinettsmitglieder körperliche Kriegserfahrung hat? Gottlob wurde nicht jedes Kind durch Fliegeralarm, Flucht oder Vertreibung traumatisiert, wohl aber konnte es mit wachsender Wachsamkeit erleben, wie die Erwachsenen in akuter Todesgefahr oder dauerndem Bedrohtsein, in materieller Not und/oder in Gewissensnöten vor sich, Gott und der nächsten Mitwelt ihre Charakterprüfung  ablegten. Könnte es so gewesen sein, dass alle nachgeborenen Politiker an ihren Wiegen dieselbe Weissagung hörten: Du, liebes Kind, wirst Staatsdiener, das ist das Sicherste! Vom „richtigen Parteibuch“ war so früh noch keine Rede, es genügte, dass von der Partei nur gewispert wurde, bis wieder richtige Großbuchstaben in Gebrauch kamen. 

Niemand erwartet, dass Helmut Kohl als Mossad-IM entlarvt wird und die Präsidentin Knobloch sich als Hans Albers illegitime Tochter outet, dass aufkommt, Wolfgang Koeppen habe seine Erfolgsromane im Zustand anonymer Manuskripte bei einer Reisegepäckauktion im Kölner Hauptbahnhof ersteigert und die Türkei befände sich seit 1929 größtenteils im Besitz eines Genfer Bankhauses, aber ausschließen mögen wir weder die absurdesten Verdächte, noch irgendwelche einleuchtenden Verschwörungstheorien. Wollte man letztere aus Prinzip abwinken, weil sie im Generalverdacht des Antisemitismus, der Freimauererverleumdung und der Jesuitenverteufelung stehen, bleibt den Machtlosen in aller Welt nur die Erklärung, sie hätten es mit Obrigkeiten im Dienste des Bösen zu tun, worauf wir Aufgeklärten uns den Vers machen, dass Korruption  und Nepotismus, Protektionismus und Standessolidarität nicht unbedingt des Teufels sein müssen. Die opake Wahrheit ist, dass nach Einführung des allgemeinen Wahlrechts  (1919) die Notwendigkeit gesehen wurde, das Besetzungsmonopol der herrschenden Schichten durch Protektion der eigenen und geeigneter genehmer Schulkinder sicherzustellen. Es entstanden die Pädagogischen Provinzen (frei nach Goethe), Netzwerke, welche den höheren Schulbesuch und das Studium sicherstellten, auch in Versagensfällen, und natürlich wurden der künftige Staatssekretär und die künftige Pharmalobbyistin auf der Karriereleiter abgesichert im Hinblick auf ihr späteres Zusammenwirken. Zu diesem Behufe mussten weder Bluteide geleistet, noch schwarze Kapuzenmäntel angezogen werden, und natürlich ist alles ganz legal, aber top-secret. Und weil der Stier von Oggersheim ein Spitzenprodukt dieser machiavellistischen Begabtenförderung war, konnten die Verschwörer den Job nur noch toppen mit einer ostelbischen FDJ-Funktionärin als Milchmutter einer großen Reformkoalition, die wahrscheinlich nie das Laufen lernt. Und das in einem sozialdarwinistischen Dilemma sondergleichen , auf der Schwelle einer Klimakonversion mit katastrophalsten, irreversiblen Folgen!  

Sollte es reiner Zufall sein, dass ausgerechnet zu Beginn der Weltneuordnung à la USA der Erdball bockt, die Weltwirtschaft zu kollabieren droht und die mächtigste Weltreligion der führenden Weltmacht trotzt mit allen Konsequenzen??

Dass speziell unsere deutschen Politiker immer unfähiger erscheinen, einfachste Problemstellungen aus dem Stegreif zu klären, ist jenem Arkanum geschuldet, welches  Berater und Benutzer über die öffentliche Denkfreiheit verhängt haben, eine Rhetorik  der Allgemeinplätze und des Nichtssagenden, der Bierbankblasen und Kathederquarks. Keine Lust mehr oder keine Ahnung? Kein Bedarf! Seit DIE GRÜNEN mit ihrer Zustimmung zur NATO- Intervention in Jugoslawien die organisierte Friedensbewegung zum semikriminellen Jugendprotest schrumpfen ließen, können wir davon ausgehen, dass die deutschen Steuerzahler sogar einen Israel-Soli berappen, bevor man ihnen die  arabischen Flüchtlinge in Christo unters Dach drückt, und falls wir am Kongo uns eingraben müssen, werden die WM-Patrioten des Juli 2006 bereitwillig Kriegsanleihen zeichnen, von wegen Flaggezeigen usw. Nichts davon würde geschehen aus Vaterlandsliebe und Xenophilie, aus Reue wegen Hitlers Holocaust und Kaisers Kolonien oder um einfach mitzumachen beim Islamistenfangen, sondern aus purer Angewohnheit. Seit uns klar geworden ist, dass allein des Führers Borniertheit gegenüber der „jüdischen Physik“ Deutschlands Weltherrschaft mittels Kernspaltung verhinderte, sind wir mehrheitlich nur noch dankbar, dass die orientalische Müllabfuhr unsere Schweinsknochen mitnimmt. Was im Dritten Reich der gelernte Geflügelfarmer Heinrich Himmler als Reichsführer SS mit seiner Aufnordung anstrebte, nämlich auf der Basis guter Biodaten per rigoroser Trimmung und Schulung und artkonformer Kreuzung die multifunktionale Herrenrasse heranzuzüchten, wurde von den ersten Takten irgendeiner Jazzband, mit den Aromen der ersten Amizigaretten und, etwas später, übers Arschgefühl der ersten Jeans nachhaltig konterkariert. Andererseits untersagte keine Westbehörde der männlichen deutschen Jugend entschieden und explizite rechtes Tun und Denken, denn der Kalte Krieg benötigte den alten Ungeist an Ort und Stelle, doch es war zu spät: Wir waren angenehm versaut…  

Man muss sagen: Die deutschen Verlierer (nicht nur die Flakhelfer und Panzerfaustpimpfe, auch ältere Semester, und ebenso die Bewohner der anderen Besatzungszonen, denn die US-Pakete, Schmuggelwaren und Radiowellen fanden überallhin!) wurden kaum von den Doktrinen der Sieger überzeugt, d.h. rational oder intellektuell eingenommen, sondern auf dem kürzesten Wege sinnlich überrumpelt. Es ist ein Märchen, das in den Westzonen gut gefuttert und in der Zone gehungert wurde; die meisten Grundnahrungsmittel waren in der SBZ billiger als in Trizonesien, dito der Schnaps, Liköre und heimische Tabakwaren. Dennoch blieb man in Ost wie West bei Bier und dunklem Brot, Wein und Wurst, und so rückten wir als Paladine der Markentreue ins erste Glied der neuen Hilfsvölker, als Kundschaft. Irgendwann würde man auch uns mit Junk & Fastfood abfüllen und das war unser Pakt mit dem Satan, wie die Mullahs meinen. Wie wir wurden, was wir sind ist nicht bloß Ansichtssache einer deutschen Fernsehdokumentation über die gesamtdeutsche Entwicklung seit 1945, sondern auch ein trefflicher, weil doppeldeutiger Titel: Hat die Nachkriegsschule der Nation (Kernfächer Angst, Elend, Aufbau, Aufstieg) die Deutschen glücklich und stark gemacht oder waren Wirtschaftswunder und Wiedervereinigung nur die diabolischen Einleitungen unserer Höllenfahrt? Dass der Tanz auf dem Vulkan uns nicht gegen das Feuer feit, wussten wir immer. Wissen es die regierenden Sprücheklopfer? WER MIT DEN WÖLFEN HEULT, WIRD MIT IHNEN GEJAGT, weiß ein russisches Sprichwort; dass man bei allzu plumper Annäherung von den Wölfen gefressen werden kann, sollten wir uns denken.


 
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