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Bücher & Themen Artikel online seit 11.11.13 |
Bernhard
Viel betrachtet den »genialen Dilettanten« Egon Friedell.
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Er war Schauspieler und Kabarettist, Schriftsteller und Journalist – vor allem jedoch war Egon Friedell eins: Bohemien. 2013 jährte sich der Todestag des Österreichers zum 75. Mal. Zu diesem Anlass hat Bernhard Viel eine Biographie über den »genialen Dilettanten« veröffentlicht. Egon Friedell war ein Tausendsassa des Kulturbetriebes. Bekannt mit Größen des literarischen Lebens wie Arthur Schnitzler, Alfred Polgar und Hugo von Hofmannsthal stellt er einen Typus dar, wie ihn nur das Wien um 1900 hervorbringen konnte: eine Künstlerpersönlichkeit, die ihr komplettes Dasein als Gesamtkunstwerk inszeniert hat. Und so ist es vor allem die Kunstfigur Egon Friedell, die bis heute unser Bild von dem Schöpfer der »Kulturgeschichte der Neuzeit« bestimmt. Eine Kunstfigur, die sich im Falle Friedells vor allem durch Charisma und Sprachwitz auszeichnete. Und nicht selten konnte sich Letzterer auch in beißenden Spott gegenüber den Mitmenschen verwandeln. Sein erster großer Erfolg dokumentiert dies anschaulich, ist doch bereits »Goethe im Schulbetrieb« eine Satire auf die eigene Schulzeit und seinen Goethe-vernarrten ehemaligen Lehrer. Wie so häufig bei derartigen Figuren, sind auch über Friedells Leben zahlreiche Anekdoten und etliche seiner Bonmots überliefert: von der mühsamen Schullaufbahn (er bestand die Abitur-Prüfung erst mit 21 im vierten Versuch), über eine schon legendäre Liebe zum Sliwowitz bis hin zu seinem Selbstmord im Alter von 60 Jahren, als er Sekunden vor seinem Sturz aus dem Fenster, einer verzweifelten Flucht vor zwei SA-Schergen, am 16. März 1938 noch einen Passanten gebeten haben soll, ihm doch bitte Platz zu machen. Bernhard Viel gelingt es leider nur selten, die Kunstfigur zu entschlüsseln. Ausführlich beschäftigt er sich mit den Weggefährten Friedells, legt gegenseitige Einflüsse offen und beschreibt die historischen Rahmenbedingungen und das Milieu der »Wiener Moderne«; der »Kulturdandy« Friedell selbst und seine Schriften jedoch kommen dabei ausgesprochen kurz, ganze Passagen des Buches thematisieren ihren Hauptgegenstand nur am Rande. So folgt Viel zwar den Wegen Egon Friedells, verlegt sich jedoch zumeist auf eine Beschreibung eben der Stationen. Viel verliert sich immer wieder in biographischen Schnipseln zu anderen Personen und Beschreibungen von Werken und Orten wie der legendären »Fledermaus« – prinzipiell wichtiges Element einer Künstlerbiographie, wenn dabei der Gegenstand selbst doch nicht derartig kurz käme. Die Handlungsmotive Egon Friedells, der über »Novalis als Philosoph« promovierte, beschränken sich bei Viel auf eine gezielte Selbstinszenierung. Das ist sicherlich kein falscher Ansatz, jedoch problematisch wenn diese als einziges Movens ausgemacht wird. Entsprechend muss Viel alles, selbst den Heiratsantrag Friedells an seine Muse Lina Loos und die anschließenden Selbstmordgedanken nach ihrer Ablehnung als Teil einer wohlkalkulierten öffentlichen Selbstinszenierung auslegen. (An anderer Stelle dient der zurückgewiesene Antrag dann jedoch als Grund für einen Kururlaub: »Ihr ‚Nein‘ auf seinen Antrag hatte ihn in eine Krise geworfen.«) Statt das Friedell’sche Wirken selbst offenzulegen, beschränkt sich Viel also auf Beschreibungen, die sich regelmäßig in langen Namens- und Werkaufzählungen verlieren. Offenbar mangelt es Viel selbst an präziser Einsicht, sodass er sich in oberflächliche Aufzählungen und Andeutungen hat retten müssen. So benennt er an anderer Stelle zwar Friedells Neigung zur Mystik, belegt diese – zweifellos richtige – Annahme jedoch nur mit einem Verweis auf Hanns Hörbigers Welteislehre. Auch mit Blick auf die Folgen bleibt die Analyse blass, letztlich wird aus dieser Vorliebe nur ein Einfluss auf das teleologisch-sinnstiftende Element der Kulturgeschichte gezogen, die die Geschichte als zyklische Abfolge von Niedergang und Aufstieg interpretiert. So kratzt Viel lediglich an der Oberfläche des umtriebigen Geistes Friedell, dringt jedoch zu keinem Zeitpunkt zu seinem Kern vor. »Der geniale Dilettant« erscheint damit wie eine vertane Gelegenheit. Die Verbindung von biographischem mit anekdotischem hätte die Chance zu einer ebenso farbenfrohen wie aufschlussreichen Biographie über die – zweifellos schwer zu durchschauende Figur – Egon Friedell sein können. Insbesondere da es nach wie vor an Sekundärliteratur zu ihm und seinem Werk mangelt. |
Bernhard Viel |
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