Belletristik
Blutige Ernte
Quellen
Geschichte
Politik
Ideen
Kunst
Tonträger
Videos
Literatur Live
Zeitkritik
Autoren
Verlage
Film
Klassiker-Archiv
Übersicht
Shakespeare Heute
Shakespeare Stücke
Goethes Werther,
Goethes Faust I,
Eckermann,
Schiller,
Schopenhauer,
Kant,
von Knigge,
Büchner,
Mallarmé,
Marx,
Nietzsche,
Kafka,
Schnitzler,
Kraus,
Mühsam,
Simmel,
Tucholsky
Wir empfehlen:

Andere
Seiten
Joe Bauers
Flaneursalon
Gregor Keuschnig
Begleitschreiben
Armin Abmeiers
Tolle Hefte
Bücher-Wiki
Literaturportal von Jokers
deutsches literatur archiv marbach
Literaturportal
Curt Linzers
Zeitgenössische Malerei
Goedart Palms
Virtuelle Texbaustelle
Alf Poier
Genie & Wahnsinn
Reiner Stachs
Franz Kafka
counterpunch
»We've
got all the right enemies.« |
Georg
Büchner
- Werke
und Briefe
Münchner
Ausgabe
Herausgegeben von Karl Pörnbacher, Gerhard Schaub,
Hans-Joachim Simm und Edda Ziegler
Dünndruck.
Leinen. Zwei farbige Lesebändchen
772 Seiten, Hardcover, EUR 50,00
ISBN 3-446-14994-5
Der
Hessische Landbote
Erste Botschaft
[Juli-Fassung]
Darmstadt, im Juli 1834
Vorbericht
Dieses Blatt soll dem hessischen Lande die Wahrheit melden, aber wer die
Wahrheit sagt, wird gehenkt, ja sogar der, welcher die Wahrheit liest, wird
durch meineidige Richter vielleicht gestraft. Darum haben die, welchen dies
Blatt zukommt, folgendes zu beobachten:
Sie müssen das Blatt sorgfältig außerhalb ihres Hauses vor der Polizei
verwahren;
sie dürfen es nur an treue Freunde mitteilen;
denen, welche sie nicht trauen, wie sich selbst, dürfen sie es nur heimlich
hinterlegen;
würde das Blatt dennoch bei Einem gefunden, der es gelesen hat, so muß er
gestehen, daß er es eben dem Kreisrat habe bringen wollen;
wer das Blatt nicht gelesen hat, wenn man es bei ihm findet, der ist natürlich
ohne Schuld.
Friede den Hütten! Krieg den
Palästen!
Im Jahr 1834 sieht es aus, als würde die Bibel Lügen gestraft. Es sieht aus, als
hätte Gott die Bauern und Handwerker am 5ten Tage, und die Fürsten und Vornehmen
am 6ten gemacht, und als hätte der Herr zu diesen gesagt: Herrschet über alles
Getier, das auf Erden kriecht, und hätte die Bauern und Bürger zum Gewürm
gezählt. Das Leben der Vornehmen ist ein langer Sonntag, sie wohnen in schönen
Häusern, sie tragen zierliche Kleider, sie haben feiste Gesichter und reden eine
eigne Sprache; das Volk aber liegt vor ihnen wie Dünger auf dem Acker. Der Bauer
geht hinter dem Pflug und treibt ihn mit den Ochsen am Pflug, er nimmt das Korn
und läßt ihm die Stoppeln. Das Leben des Bauern ist ein langer Werktag; Fremde
verzehren seine Äcker vor seinen Augen, sein Leib ist eine Schwiele, sein
Schweiß ist das Salz auf dem Tische des Vornehmen.
Im Großherzogtum Hessen sind 718,373 Einwohner, die geben an den Staat jährlich
an 6,363,364 Gulden, als
1) Direkte Steuern 2,128,131 fl.
2) Indirekte Steuern 2,478,264 "
3) Domänen 1,547,394 "
4) Regalien 46,938 "
5) Geldstrafen 98,511
"
6) Verschiedene Quellen 64,198 "
6,363,363 fl.
Dies Geld ist der Blutzehnte, der von dem Leib des Volkes genommen wird. An
700,000 Menschen schwitzen, stöhnen und hungern dafür. Im Namen des Staates wird
es erpreßt, die Presser berufen sich auf die Regierung und die Regierung sagt,
das sei nötig die Ordnung im Staat zu erhalten. was ist denn nun das für
gewaltiges Ding: der Staat? Wohnt eine Anzahl Menschen in einem Land und es sind
Verordnungen oder Gesetze vorhanden, nach denen jeder sich richten muß, so sagt
man, sie bilden einen Staat. Der Staat also sind Alle; die Ordner im
Staat sind die Gesetze, durch welche das Wohl Aller gesichert wird, und
die aus dem Wohl Aller hervor gehen sollen. - Seht nun, was man in dem
Großherzogtum aus dem Staat gemacht hat; seht was es heißt: die Ordnung im
Staate erhalten! 700,000 Menschen bezahlen dafür 6 Millionen, d.h. sie werden zu
Ackergäulen und Pflugstieren gemacht, damit sie in Ordnung leben. In Ordnung
leben heißt hungern und geschunden werden.
Wer sind denn die, welche diese Ordnung gemacht haben, und die wachen, diese
Ordnung zu erhalten? Das ist die Großherzogliche Regierung. Die Regierung wird
gebildet von dem Großherzog und seinen obersten Beamten. Die anderen Beamten
sind Männer, die von der Regierung berufen werden, um jene Ordnung in kraft zu
erhalten. Ihre Anzahl ist Legion: Staatsräte und Regierungsräte, Landräte und
Kreisräte, Geistliche Räte und Schulräte, Finanzräte und Forsträte u.s.w. mit
allem ihrem Heer von Sekretären u.s.w. Das Volk ist ihre Herde, sie sind seine
Hirten, Melker und Schinder; sie haben die Häute der Bauern an, der Raub der
Armen ist in ihrem Hause; die Tränen der Witwen und Waisen sind das Schmalz auf
ihren Gesichtern; sie herrschen frei und ermahnen das Volk zur Knechtschaft.
Ihnen gebt ihr 6,000,000 fl. Abgaben; sie haben dafür die Mühe, euch zu
regieren; d.h. sich von euch füttern zu lassen und euch eure Menschen- und
Bürgerrechte zu rauben. Sehet was die Ernte eures Schweißes ist.
Für das Ministerium des Innern und der Gerechtigkeitspflege werden bezahlt
1,110,607 Gulden. Dafür habt ihr einen Wust von Gesetzen, zusammengehäuft aus
willkürlichen Verordnungen aller Jahrhunderte, meist geschrieben in einer
fremden Sprache. Der Unsinn aller vorigen Geschlechter hat sich darin auf euch
vererbt, der Druck, unter dem sie erlagen, sich auf euch fortgewälzt. Das Gesetz
ist das Eigentum einer unbedeutenden Klasse von Vornehmen und Gelehrten, die
sich durch ihr eignes Machwerk die Herrschaft zuspricht. Diese Gerechtigkeit ist
nur ein Mittel, euch in Ordnung zu halten, damit man euch bequemer schinde; sie
spricht nach Gesetzen, die ihr nicht versteht, nach Grundsätzen, von denen ihr
nichts wißt, Urteile, von denen ihr nichts begreift. Unbestechlich ist sie, weil
sie sich gerade teuer genug bezahlen läßt, um keine Bestechung zu brauchen. Aber
die meisten ihrer Diener sind der Regierung mit Haut und Haar verkauft. Ihre
Ruhestühle stehen auf einem Geldhaufen von 461,373 Gulden (so viel betragen die
Ausgaben für die Gerichtshöfe und die Kriminalkosten). Die Fräcke, Stöcke und
Säbel ihrer unverletzlichen Diener sind mit dem Silber von 197,502 Gulden
beschlagen (so viel kostet die Polizei überhaupt, die Gendarmerie u.s.w.). Die
Justiz ist in Deutschland seit Jahrhunderten die Hure der deutschen Fürsten.
Jeden Schritt zu ihr müßt ihr mit Silber pflastern, und mit Armut und
Erniedrigung erkauft ihr ihre Sprüche. Denkt an das Stempelpapier, denkt an euer
Bücken in den Amtsstuben, und euer Wachestehen vor denselben. Denkt an eure
Sporteln für Schreiber und Gerichtsdiener. Ihr dürft euren Nachbarn verklagen,
der euch eine Kartoffel stiehlt; aber klagt einmal über den Diebstahl, der von
Staatswegen unter dem Namen von Abgabe und Steuern jeden Tag an eurem Eigentum
begangen wird, damit eine Legion unnützer Beamten sich von eurem Schweiße
mästen: klagt einmal, daß ihr der Willkür einiger Fettwänste überlassen seid und
das diese Willkür Gesetz heißt, klagt, daß ihr die Ackergäule des Staates seid,
klagt über eure verlorne Menschenrechte: Wo sind Gerichtshöfe, die eure Klage
annehmen, wo die Richter, die rechtsprächen? - Die Ketten eurer Vogelsberger
Mitbürger, die man nach Rokkenburg schleppte, werden euch Antwort geben.
Und will endlich ein Richter oder ein andrer Beamte von den Wenigen, welchen das
recht und das gemeine Wohl lieber ist, als ihr Bauch und der Mammon, ein
Volksrat und kein Volksschinder sein, so wird er von den obersten Räten des
Fürsten selber geschunden.
Für das Ministerium der Finanzen 1,551,502 fl.
Damit werden die Finanzräte, Obereinnehmer, Steuerboten, die Untererheber
besoldet. Dafür wird der Ertrag eurer Äcker berechnet und eure Köpfe gezählt.
Der Boden unter euren Füßen, der Bissen zwischen euren Zähnen ist besteuert.
Dafür sitzen die Herren in Fräcken beisammen und das Volk steht nackt und
gebückt vor ihnen, sie legen die Hände an seine Lenden und Schultern und rechnen
aus, wie viel es noch tragen kann, und wenn sie barmherzig sind, so geschieht es
nur, wie man ein Vieh schont, das man nicht so sehr angreifen will.
Für das Militär wird bezahlt 914,820 Gulden.
Dafür kriegen eure Söhne einen bunten Rock auf den Leib, ein Gewehr oder eine
Trommel auf die Schulter und dürfen jeden Herbst einmal blind schießen, und
erzählen, wie die Herren vom Hof, und die ungeratenen Buben vom Adel allen
Kindern ehrlicher Leute vorgehen, und mit ihnen in den breiten Straßen der
Städte herumziehen mit Trommeln und Trompeten. Für jene 900,000 Gulden müssen
eure Söhne den Tyrannen schwören und Wache halten an ihren Palästen. Mit ihren
Trommeln übertäuben sie eure Seufzer, mit ihren Kolben zerschmettern sie euch
den Schädel, wenn ihr zu denken wagt, daß ihr freie Menschen seid. Sie sind die
gesetzlichen Mörder, welche die gesetzlichen Räuber schützen, denkt an Södel!
Eure Brüder, eure Kinder waren dort Brüder- und Vatermörder.
Für die Pensionen 480,000 Gulden.
Dafür werden die Beamten aufs Polster gelegt, wenn sie eine gewisse Zeit dem
Staate treu gedient haben, d.h. wenn sie eifrige Handlanger bei der regelmäßig
eingerichteten Schinderei gewesen, die man Ordnung und Gesetz heißt.
Für das Staatsministerium und den Staatsrat 174,600 Gulden.
Die größten Schurken stehen wohl jetzt allerwärts in Deutschland den Fürsten am
nächsten, wenigstens im Großherzogtum: Kommt ja ein ehrlicher Mann in den
Staatsrat, so wird er ausgestoßen. Könnte aber auch ein ehrlicher Mann jetzo
Minister sein oder bleiben, so wäre er, wie die Sachen stehen in Deutschland,
nur eine Drahtpuppe, an der die fürstliche Puppe zieht und an dem fürstlichen
Popanz zieht wieder ein Kammerdiener oder ein Kutscher oder seine Frau und ihr
Günstling, oder sein Halbbruder - oder alle zusammen. In Deutschland steht es
jetzt, wie der Prophet Micha schreibt, Kap. 7, V. 3 und 4: "Die Gewaltigen raten
nach ihrem Mutwillen, Schaden zu tun, und drehen es, wie sie es wollen. Der
Beste unter ihnen ist wie ein Dorn, und der Redlichste wie eine Hecke." Ihr müßt
die Dörner und Hecken teuer bezahlen; denn ihr müßt ferner für das
großherzogliche Haus und den Hofstaat 827,772 Gulden bezahlen.
Die Anstalten, die Leute, von denen ich bis jetzt gesprochen, sind nur
Werkzeuge, sind nur Diener. Sie tun nichts in ihrem Namen, unter der Ernennung
zu ihrem Amt, steht ein L. das bedeutet Ludwig von Gottes Gnaden und sie
sprechen mit Ehrfurcht: "im Namen des Großherzogs." Dies ist ihr Feldgeschrei,
wenn sie euer Gerät versteigern, euer Vieh wegtreiben, euch in den Kerker
werfen. Im Namen des Großherzogs sagen sie, und der Mensch, den sie so nennen,
heißt: unverletzlich, heilig, souverän, königliche Hoheit. Aber tretet zu dem
Menschenkinde und blickt durch seinen Fürstenmantel. Es ißt, wenn es hungert,
und schläft wenn sein Auge dunkel wird. Sehet, es kroch so nackt und weich in
die Welt, wie ihr und wird so hart und steif hinausgetragen, wie ihr, und doch
hat es seinen Fuß auf eurem Nacken, hat 700,000 Menschen an seinem Pflug, hat
Minister die verantwortlich sind, für da, was es tut, Gewalt über Eigentum durch
die Steuern, die es ausschreibt, über euer Leben, durch die Gesetze, die es
macht, es hat adliche Herrn und Damen um sich, die man Hofstaat heißt, und seine
göttliche Gewalt vererbt sich auf seine Kinder mit Weibern, welche aus ebenso
übermenschlichen Geschlechtern sind.
Wehe über euch Götzendienern! - Ihr seid wie die Heiden, die das Krokodil
anbeten, von dem sie zerrissen werden. Ihr setzt ihm eine Krone auf, aber es ist
eine Dornenkrone, die ihr euch selbst in den Kopf drückt; ihr gebt ihm ein
Zepter in die Hand, aber es ist eine Rute, womit ihr gezüchtigt werdet; ihr
setzt ihn auf euren Thron, aber es ist ein Marterstuhl für euch und eure Kinder.
Der Fürst ist der Kopf des Blutigels, der über euch hinwegkriecht, die Minister
sind seine Zähne und die Beamten sein Schwanz. Die hungrigen Mägen aller
vornehemn Herren, denen er die hohen Stellen verteilt, sind Schröpfköpfe, die er
dem Lande setzt. Das L. was unter seinen Verordnungen steht, ist das Malzeichen
des Tieres, das die Götzendiener unserer Zeit anbeten. Der Fürstenmantel ist der
Teppich, auf dem sich die Herren und Damen vom Adel und Hofe in ihrer Geilheit
übereinander wälzen - mit Orden und Bändern decken sie ihre Geschwüre und mit
kostbaren Gewändern bekleiden sie ihre aussätzigen Leiber. Die Töchter des
Volkes sind ihre Mägde und Huren, die Söhne des Volkes ihre Lakaien und
Soldaten. Geht einmal nach Darmstadt und seht, wie die Herren sich für euer Geld
dort lustig machen, und erzählt dann euren hungernden Weibern und Kinder, daß
ihr Brot an fremden Bäuchen herrlich angeschlagen sei, erzählt ihnen von den
schönen Kleidern, die in ihrem Schweiß gefärbt, und von den zierlichen Bändern,
die aus den Schwielen ihrer Hände geschnitten sind, erzählt von den stattlichen
Häusern, die aus den Knochen des Volks gebaut sind; und dann kriecht in eure
rauchigen Hütten und bückt euch auf euren steinichten Äckern, damit eure Kinder
auch einmal hingehen können, wenn ein Erbprinz mit einer Erbprinzessin für einen
anderen Erbprinzen Rat schaffen will, und durch die geöffneten Glastüren das
Tischtuch sehen, wovon die Herren speisen u nd die Lampen riechen, aus denen man
mit dem Fett der Bauern illuminiert. Das alles duldet ihr, weil euch Schurken
sagen: "diese Regierung sei von Gott." Diese Regierung ist nicht von Gott,
sondern vom Vater der Lügen. Diese deutschen Fürsten sind keine rechtmäßige
Obrigkeit, den deutschen Kaiser, der vormals vom Volke frei gewählt wurde, haben
sie seit Jahrhunderten verachtet und endlich gar verraten. Aus Verrat und
Meineid, und nicht aus der Wahl des Volkes ist die Gewalt der deutschen Fürsten
hervorgegangen, und darum ist ihr Wesen und Tun von Gott verflucht; ihre
Weisheit ist Trug, ihre Gerechtigkeit ist Schinderei. Sie zertreten das Land und
zerschlagen die Person des Elenden. Ihr lästert Gott, wenn ihr einen dieser
Fürsten einen Gesalbten des Herrn nennt, das heißt: Gott habe die Teufel gesalbt
und zu Fürsten über die deutsche Erde gesetzt. Deutschland, unser liebes
Vaterland, haben diese Fürsten zerrissen, den Kaiser, den unsere freien
Voreltern wählten, haben diese Fürsten verraten und nun fordern diese Verräter
und Menschenquäler Treue von euch! - Doch das Reich der Finsternis neigt sich
zum Ende. Über ein Kleines und Deutschland, das jetzt die Fürsten schinden, wird
als ein Freistaat mit einer vom Volk gewählten Obrigkeit wieder
auferstehn. Die heilige Schrift sagt: Gebet dem Kaiser, was des Kaisers ist. Was
ist aber dieser Fürsten, der Verräter? - Das ist Teil von Judas!
Für die Landstände 16,000 Gulden.
Im Jahr 1789 war das Volk in Frankreich müde, länger die Schindmähre seines
Königs zu sein. Es erhob sich und berief Männer, denen es vertraute, und die
Männer traten zusammen und sagten, ein König sei ein Mensch wie ein anderer
auch, er sei nur der erste Diener im Staat, er müsse sich vor dem Volk
verantworten und wenn er sein Amt schlecht verwalte, könne er zur Strafe gezogen
werden. Dann erklärten sie die Rechte des Menschen: "Keiner erbst vor dem
anderen mit der Geburt ein recht oder einen Titel, keiner erwirbt mit dem
Eigentum ein Recht vor dem anderen. Die höchste Gewalt ist in dem Willen Aller
oder der Mehrzahl. Dieser Wille ist das Gesetz, er tut sich kund durch die
Landstände oder die Vertreter des Volks, sie werden von Allen gewählt und Jeder
kann gewählt werden; diese Gewählten sprechen den Willen ihrer Wähler aus, und
so entspricht der Wille der Mehrzahl unter ihnen dem Willen der Mehrzahl unter
dem Volke; der König hat nur für die Ausübung der von ihnen erlassenen Gesetze
zu sorgen." Der König Schwur dieser Verfassung treu zu sein, er wurde aber
meineidig an dem Volke und das Volk richtete ihn, wie es einem Verräter geziemt.
Dann schafften die Franzosen die erbliche Königswürde ab und wählten frei eine
neue Obrigkeit, wozu jedes Volk nach der Vernunft und der heiligen Schrift das
Recht hat. Die Männer, die über die Vollziehung der Gesetze wachen sollten,
wurden von der Versammlung der Volksvertreter ernannt, sie bildeten die neue
Obrigkeit. So waren Regierung und Gesetzgeber vom Volk gewählt und Frankreich
war ein Freistaat.
Die übrigen Könige aber entsetzten sich vor der Gewalt des französischen Volkes,
sie dachten, sie könnten alle über der ersten Königsleiche den Hals brechen und
ihr mißhandelten Untertanen möchten bei dem Freiheitsruf der Franken erwachen.
Mit gewaltigem Kriegsgerät und riesigem Zeug stürzten sie von allen Seiten auf
Frankreich und ein großer Teil der Adligen und Vornehmen im Lande stand auf und
schlug sich zu dem feind. Da ergrimmte das Volk und erhob sich in seiner Kraft.
Es erdrückte die Verräter und zerschmetterte die Söldner der Könige. Die junge
Freiheit wuchs im Blut der Tyrannen und vor ihrer Stimme bebten die Throne und
jauchzten die Völker. Aber die Franzosen verkauften selbst ihre junge Freiheit
für den Ruhm, der ihnen Napoleon darbot, und erhoben ihn auf den Kaiserthron. -
Da ließ der Allmächtige das Heer des Kaisers in Rußland erfrieren und züchtigte
Frankreich durch die Knute der Kosacken und gab den Franzosen die dickwanstigen
Bourbonen wieder zu Königen, damit Frankreich sich bekehre vom Götzendienst der
erblichen Königsherrschaft und dem Gotte diene, der die Menschen frei und gleich
geschaffen. Aber als die Zeit seiner Strafe verflossen war, und tapfere Männer
im Julius 1830 den meineidigen König Karl den Zehnten aus dem Lande jagten, da
wendete dennoch das befreite Frankreich sich abermals zur halberblichen
Königsherrschaft und band sich in dem Heuchler Louis Philipp eine neue Zuchtrute
auf. In Deutschland und ganz Europa aber war große Freude als der zehnte Karl
vom Thron gestürzt ward, und die unterdrückten deutschen Länder richteten sich
zum Kampf für die Freiheit. Da ratschlagten die Fürsten, wie sie den Grimm des
Volkes entgehen sollten und die listigen unter ihnen sagten: Laßt uns einen Teil
unserer Gewalt abgeben, daß wir das Übrige behalten. Und sie traten vor das Volk
und sprachen: Wir wollen eu ch die Freiheit schenken um die ihr kämpfen wollt. -
Und zitternd vor Furcht warfen sie einige Brocken hin und sprachen von ihrer
Gnade. das Volk traute ihnen leider und legte sich zur Ruhe. - Und so ward
Deutschland betrogen wie Frankreich.
Denn was sind die Verfassungen in Deutschland? Nichts als leeres Stroh, woraus
die Fürsten die Körner für sich herausgeklopft haben. Was sind unsere Landtage?
Nichts als langsame Fuhrwerke, die man einmal oder zweimal wohl der Raubgier der
Fürsten und ihrer Minister in den Weg schieben, woraus man aber nimmermehr eine
feste Burg für die deutsche Freiheit bauen kann. Was sind unsere Wahlgesetze?
Nichts als Verletzungen der Bürger- und Menschenrechte der meisten Deutschen.
Denkt an das Wahlgesetz im Großherzogtum, wornach keiner gewählt werden kann,
der nicht hoch begütert ist, wie rechtschaffen und gutgesinnt er auch sei, wohl
aber der Grolmann, der euch um die zwei Millionen bestehlen wollte. Denkt
an die Verfassung des Großherzogtums. - Nach den Artikeln derselben ist der
Großherzog unverletzlich, heilig und unverantwortlich. Seine Würde ist erblich
in seiner Familie, er hat das recht Krieg zu führen und ausschließliche
Verfügung über das Militär. Er beruft die Landstände, vertagt sie oder löst sie
auf. Die Stände dürfen keinen Gesetz-Vorschlag machen, sondern sie müssen um das
Gesetz bitten, und dem Gutdünken des Fürsten bleibt es unbedingt überlassen, es
zu geben oder zu verweigern. Er bleibt im Besitz einer fast unumschränkten
Gewalt, nur darf er keine neuen Gesetze machen und keine neuen Steuern
ausschreiben ohne Zustimmung der Stände. Aber teils kehrt er sich nicht an diese
Zustimmung, teils genügen ihm die alten Gesetze, die das Werk der Fürstengewalt
sind, und er bedarf darum keiner neuen Gesetze. Eine solche Verfassung ist ein
elend jämmerlich Ding. Was ist von Ständen zu erwarten, die an eine solche
Verfassung gebunden sind? Wenn unter den Gewählten auch keine Volksverräter und
feige Memmen wären, wenn sie aus lauter entschlossenen Volksfreunden bestünden?!
Was ist von Ständen zu erwarten, die kaum die elenden Fetz en einer armseligen
Verfassung zu verteidigen vermögen! - Der einzige Widerstand, den sie zu leisten
vermochten, war die Verweigerung der zwei Millionen Gulden, die sich der
Großherzog von dem überschuldetem Volke wollte schenken lassen zu Bezahlung
seiner Schulden. Hätten aber auch die Landstände des Großherzogtums genügende
Rechte, und hätte das Großherzogtum, aber nur das Großherzogtum allein, eine
wehrhafte Verfassung, so würde die Herrlichkeit doch bald zu Ende sein. Die
Raubgeier in Wien und Berlin würden ihre Henkerskrallen ausstrecken und die
kleine Freiheit mit Rumpf und Stumpf ausrotten. Das ganze deutsche Volk muß sich
die Freiheit erringen. Und diese Zeit, geliebte Mitbürger, ist nicht ferne. -
Der Herr hat das schöne deutsche Land, das viele Jahrhunderte das herrlichste
Reich der Erde war, in die Hände der fremden und einheimischen Schinder gegeben,
weil das Herz des deutschen Volkes von der Freiheit und Gleichheit seiner
Voreltern und von der Furcht des Herrn abgefallen war, weil ihr dem
Götzendienste der vielen Herrlein, Kleinherzoge und Däumlings-Könige euch
ergeben hattet.
Der Herr, der den Stecken des fremden Treibers Napoleon zerbrochen hat, wird
auch die Götzenbilder unserer einheimischen Tyrannen zerbrechen durch die Hände
des Volkes. Wohl glänzen diese Götzenbilder von Gold und Edelsteinen, von Orden
und Ehrenzeichen, aber in ihrem Innern stirbt der Wurm nicht und ihre Füße
sind von Lehm. - Gott wird euch Kraft geben ihre Füße zu zerschmeißen,
sobald ihr euch bekehret von dem Irrtum eures Wandels und die Wahrheit erkennet:
"daß nur Ein Gott ist und keine Götter neben ihm, die sich Hoheiten und
Allerhöchste, heilig und unverantwortlich nennen lassen, daß Gott alle Menschen
frei und gleich in ihren Rechten schuf und daß keine Obrigkeit von Gott zum
Segen verordnet ist, als die, welche auf das Vertrauen des Volkes sich gründet
und vom Volke ausdrücklich oder stillschweigend erwählt ist; daß gegen die
Obrigkeit, die Gewalt, aber kein recht über ein Volk hat, nur also von
Gott ist, wie der Teufel auch von Gott ist, und daß der Gehorsam gegen eine
solche Teufels-Obrigkeit nur so lange gilt, bis ihre Teufelsgewalt gebrochen
werden kann; - daß der Gott, der ein Volk durch seine Sprache zu Einem Leibe
vereinigte, die Gewaltigen, die es zerfleischen und vierteilen, oder gar in
dreißig Stücke zerreißen, als Volksmörder und Tyrannen hier zeitlich und dort
ewiglich strafen wird, denn die Schrift sagt: was Gott vereinigt hat, soll der
Mensch nicht trennen; und daß der Allmächtige, der aus der Einöde ein Paradies
schaffen kann, auch ein Land des Jammers und des Elends wieder in ein Paradies
umschaffen kann, wie unser teuerwertes Deutschland war, bis seine Fürsten es
zerfleischten und schunden."
Weil das deutsche Reich morsch und faul war, und die Deutschen von Gott und von
der Freiheit abgefallen waren, hat Gott das reich zu Trümmern gehen lassen, um
es zu einem Freistaat zu verjüngen. Er hat eine Zeitlang "den Satans-Engeln"
Gewalt gegeben, daß sie Deutschland mit Fäusten schlügen, er hat den "Gewaltigen
und Fürsten, die in der Finsternis herrschen, den bösen Geistern unter dem
Himmel" (Ephes. 6), Gewalt gegeben, daß sie die Bürger und Bauern peinigten und
ihr Blut aussaugten und ihren Mutwillen trieben mit Allen, die Recht und
Freiheit mehr lieben als Unrecht und Knechtschaft. - - Aber ihr Maß ist voll!
Sehet an das von Gott gezeichnete Scheusal, den König Ludwig von Baiern, den
Gotteslästerer, der redliche Männer vor seinem Bilde niederzuknien zwingt, und
die, welche die Wahrheit bezeugen, durch meineidige Richter zum Kerker
verurteilen läßt; das Schwein, das sich in allen Lasterpfützen von Italien
wälzte, den Wolf, der sich für seinen Baals-Hofstaat für immer jährlich fünf
Millionen durch meineidige Landstände verwilligen läßt, und fragt dann: "Ist das
eine Obrigkeit von Gott zum Segen verordnet?"
Ha! du wärst Obrigkeit von Gott?
Gott spendet Segen aus;
Du raubst du schindest, kerkerst ein,
Du nicht von Gott, Tyrann!
Ich sage euch: sein und seiner Mitfürsten Maß ist voll. Gott, der Deutschland um
seiner Sünden willen geschlagen hat durch diese Fürsten, wird es wieder heilen.
"Er wird die Hecken und die Dörner niederreißen und auf einem Haufen
verbrennen." (Jesaias 27,4)
So wenig der Höcker noch wächset, womit Gott diesen König Ludwig gezeichnet hat,
so wenig werden die Schandtaten dieser Fürsten noch wachsen können. Ihr Maß ist
voll. Der Herr wird ihre Zwingburgen zerschmeißen und in Deutschland wird dann
leben und Kraft, der Segen der Freiheit wieder erblühen. Zu einem großen
Leichenfelde haben die Fürsten die deutsche Erde gemacht, wie Ezechiel im 37.
Kapitel beschreibt: "Der Herr führte mich auf ein weites Feld, das voller
Gebeine lag, und siehe, sie waren sehr verdorrt." Aber wie lautet des Herrn Wort
zu den verdorrten Gebeinen: "Siehe ich will euch Adern geben und Fleisch lassen
über euch wachsen, und euch mit Haut überziehen, und will euch Odem geben, daß
ihr wieder lebendig werdet, und sollt erfahren, daß Ich der Herr bin." Und des
Herrn Wort wird auch an Deutschland sich wahrhaftig beweisen, wie der Prophet
spricht: "Siehe es rauschte und regte sich und die Gebeine kamen wieder
zusammen, ein jegliches zu seinem Gebein. - Da kam Odem in sie und sie wurden
wieder lebendig und richteten sich wieder auf ihre Füße, und ihrer war ein sehr
groß Heer."
Wie der Prophet schreibet, so stand es bisher in Deutschland: eure Gebeine sind
verdorrt, denn die Ordnung, in der ihr lebt, ist eitel Schinderei. 6 Millionen
bezahlt im Großherzogtum einer Handvoll Leute, deren Willkür euer Leben und
Eigentum überlassen ist, und die anderen in dem zerrissenen Deutschland gleich
also. Ihr seid nichts, ihr habt nichts! Ihr seid rechtlos. Ihr müsset geben, was
eure unersättlichen Presser fordern, und tragen, was sie euch aufbürden. So weit
ein Tyrann blicket - und Deutschland hat deren wohl dreißig - verdorret Land und
Volk. Aber wie der Prophet schreibet, so wird es bald stehen in Deutschland: der
Tag der Auferstehung wird nicht säumen. In dem Leichenfelde wird sichs regen und
wird rauschen und der Neubelebten wird ein großes Heer sein.
Hebt die Augen auf und zählt das Häuflein eurer Presser, die nur stark sind
durch das Blut, das sie euch aussaugen und durch eure Arme, die ihr ihnen
willenlos leihet. Ihrer sind vielleicht 10,000 im Großherzogtum und Eurer sind
es 700,000 und also verhält sich die Zahl des Volkes zu seinen Pressern auch im
übrigen Deutschland. Wohl drohen sie mit dem Rüstzeug und den Reisigen der
Könige, aber ich sage euch: Wer das Schwert erhebt gegen das Volk, der wird
durch das Schwert des Volkes umkommen. Deutschland ist jetzt ein Leichenfeld,
bald wird es ein Paradies sein. Das deutsche Volk ist Ein Leib ihr seid ein
Glied dieses Leibes. Es ist einerlei, wo die Scheinleiche zu zucken anfängt.
Wann der Herr auch seine Zeichen gibt durch die Männer, durch welche er die
Völker aus der Dienstbarkeit zur Freiheit führt, dann erhebet euch und der ganz
Leib wird mit euch aufstehen.
Ihr bücktet euch lange Jahre in den Dornäckern der Knechtschaft, dann schwitzt
ihr einen Sommer im Weinberge der Freiheit, und werdet frei sein bis ins
tausendste Glied.
Ihr wühltet ein langes Leben die Erde auf, dann wühlt ihr euren Tyrannen ein
Grab. Ihr bautet die Zwingburgen, dann stürzt ihr sie, und bauet der Freiheit
Haus. Dann könnt ihr eure Kinder frei taufen mit dem Wasser des Lebens. und bis
der Herr euch ruft durch seine Boten und Zeichen, wachet und rüstet euch im
Geiste und betet ihr selbst und lehrt eure Kinder beten: "Herr, zerbrich den
Stecken unserer Treiber und laß dein Reich zu uns kommen, das Reich der
Gerechtigkeit. Amen."
|
Die Texte als pdf-Datei:
Der
Hessische Landbote
Leonce
und Lena
Dantons
Tod
Woyzeck
H1
Woyzeck
H2
Woyzeck
H3
Woyzeck
H4
Briefe
Lucretia
Borgia |