Miniserie "Krieg und Frieden": Epos für die Ewigkeit

Drei Newcomer und viele Stars erwecken Tolstois Mammutroman "Krieg und Frieden" für eine TV-Miniserie erneut zum Leben.

Leser des wohl berühmtesten Romans der Welt, "Krieg und Frieden" von Leo Tolstoi, werden sich nicht an die Szene erinnern, in der die durchtriebene Helene Kuragin auf dem großen Esstisch mit Fedja Dolochow Sex hat - dem guten Freund ihres Ehemanns, Graf Pierre Besuchow. Sie steht auch gar nicht in der Vorlage.

Zeitgemäße Miniserie

Er habe nur ein, zwei Dinge hinzugefügt, die Tolstoi vergessen habe aufzuschreiben, sagt Drehbuchautor Andrew Davies über seine eigene Variante von "Krieg und Frieden" (ab 9. Januar, 20.15 Uhr, RTL Passion). Der Schöpfer von "House of Cards" und "Bridget Jones" verwandelte das ziegelsteindicke Epos mit 250 Charakteren in eine auf die junge Generation zugeschnittene Version, mehr als 40 Jahre nach einer TV-Serie mit Anthony Hopkins und 60 Jahre nach der bekannten Verfilmung mit Audrey Hepburn und Henry Fonda. Aber auch die achtteilige BBC-Neuauflage geht größtenteils respektvoll mit dem Klassiker um - und beeindruckt durch Opulenz und eine erstklassige Besetzung.

Stars wie Stephen Rea, Gillian Anderson, Jim Broadbent, Greta Scacchi, Brian Cox und Mathieu Kassovitz spielen in der Geschichte über das Schicksal dreier adliger Familien in Moskau und St. Petersburg zur Zeit des Zarenreichs und der Napoleonischen Kriege - genauer in den Jahren 1805 bis 1812.

Blutige Schlachten auf Napoleons Russlandfeldzug werden genauso geschildert wie das edle Leben am Hof mit rauschenden Bällen. Private Fehden werden durch Duelle ausgetragen. Und ein teuflisches Geschwisterpaar bringt die Herzen in Aufruhr.

Darum geht's in "Krieg und Frieden"

Im Mittelpunkt der Miniserie, die von Tom Harper ("Peaky Blinders") inszeniert wurde, stehen drei junge Adelige: Pierre, gespielt von Paul Dano ("Prisoners"), ist naiv in Liebesdingen und erbt als unehelicher Sohn unverhofft den Grafentitel und das Vermögen des reichsten Mannes Russlands. Während er sich bei gesellschaftlichen Anlässen auf glattes Parkett begibt, kann Pierres schneidiger Freund, Fürst Andrej Bolkonski (James Norton), das Salonleben nicht mehr ertragen und beschließt, in den Krieg zu ziehen. Und auch die junge schöne Natascha Rostowa in Moskau lernt auf ihrer Reise zum Erwachsensein eine bittere Lektion.

Trailer zu "Krieg und Frieden"

Für viele zählt Natascha zu den unvergesslichsten Romanfiguren überhaupt. Verkörpert wird sie von Lily James, die am Set von "Downton Abbey" (wo sie Rose spielte) in Tolstois Buch vertieft war: "Ich habe zwischen den Takes gelesen. Wenn der Regisseur 'Action' rief, verschwand das Buch mit einem Knall unter dem Tisch. Jeder hat gelacht", so die 27-Jährige. "Der Roman macht süchtig. Die Charaktere sind so vielschichtig, und ich bewundere Tolstois Ton und seinen Humor, mit dem er Menschen beschreibt. Er hat mich zum Lachen, aber auch zum Weinen gebracht."

Von Serienautor Stephen Davies

Zudem war der Serienautor Stephen Davies ein Grund für die Schauspieler, zuzusagen. Er wird unter anderem dafür gefeiert, dass er in den 1990er-Jahren Jane Austen fürs britische TV aufpeppte: "Wir haben die DVD-Box von 'Stolz und Vorurteil', und meine Freundin liebt sie", sagt Pierre-Darsteller Paul Dano (32), der bereits mehrere Auszeichnungen erhielt und als Sänger und Gitarrist Teil der Rockband Mook ist.

Durch die gestraffte Handlung, die vielen Figuren und das hohe Tempo erhalten die drei erst nur wenig Gelegenheit, hervorzustechen. Aber allmählich gelingt es dem Trio doch, Tolstois großen existenziellen Fragen, die das Werk so zeitlos machen, Leben einzuhauchen: Haben wir keine Kontrolle über das, was uns widerfährt? Und was bedeutet es, auf die richtige Art zu leben? Eine Sinnsuche inklusive großer Enttäuschungen: "Nichts wird so, wie man es sich wünscht", sagt Nataschas Bruder Nikolai vieldeutig in einer Szene.

Eine der größten Herausforderungen für die Schauspieler war es, den Überblick über die sieben ereignisreichen Jahre zu behalten: "Wir haben überhaupt nicht chronologisch gedreht, und Andrej verändert sich radikal", sagt sein Darsteller James Norton (31). "Von zynisch und ruhmsüchtig bis depressiv. Dann verliebt er sich und stürzt doch wieder ab. Ich habe versucht, eine Art Leitfaden mit Jahreszahlen und seinen dazugehörigen Gedanken auszuarbeiten, dennoch war es ziemlich schwierig."

Eine der teuersten BBC-Produktionen aller Zeiten

Sechs Monate drehte das Team in Russland, Litauen und Lettland eine der teuersten BBC-Produktionen aller Zeiten: Für die Winterszenen wurden 30 Tonnen Kunstschnee herangeschafft, und allein um die Ausstattung der prächtigen Militäruniformen kümmerten sich 180 Menschen.

Sogar für einige Originalschauplätze wie die Eremitage in St. Petersburg bekam die Produktion Drehgenehmigungen. Die Ballszene in der vierten Folge, in der sich Natascha und Andrej während eines Walzertanzes verlieben, wurde im berühmten Katharinenpalast gedreht. "Ein wahrer 'Bitte kneif mich'-Moment", sagt James Norton. "Ein Orchester hat Livemusik gespielt, und in diesem bestimmt 300 Meter langen Saal leuchteten die Kerzen. 200 Statisten drehten Walzerrunden um uns herum. Es war überwältigend!"

Das Ergebnis wurde in den USA und im englischen Fernsehen mit guten Quoten und lobenden Kritiken belohnt. Dem einflussreichen US-Produzenten Harvey Weinstein, der an diesem Projekt ebenfalls beteiligt war, schwebt schon die nächste historische Romanverfilmung mit der BBC vor: Er verkündete als nächste Koproduktion Charles Dickens' "Eine Geschichte aus zwei Städten" über die französische Revolution. Statt Moskau und St. Petersburg werden dann London und Paris die opulenten Schauplätze sein.

Text: Dirk Oetjen