Der Boden ist Lava

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Netflix-Kritik

Netflix-Show „Der Boden ist Lava“: So simpel kann gute Unterhaltung sein

Man muss schon in einer weitgehend kinder- und internetfreien Umgebung leben, um das Spiel „Der Boden ist Lava!“ nicht mitbekommen zu haben. Nun hat der Streamingdienst Netflix aus dem Kinderspiel eine Unterhaltungsshow gemacht. Und das Überraschende: Sie funktioniert.

„Der Boden ist Lava“ auf Netflix: So simpel kann gute Unterhaltung sein

„Der Boden ist Lava!“ Ein einziger Satz sorgt dafür, dass sich Menschen, sagen wir einmal, ungewöhnlich verhalten. Sie springen urplötzlich auf Betten und Sofas oder klammern sich an Schränke und Kleiderständer – Hauptsache, sie berühren nicht den Boden. Was als Kinderspiel begann, hat sich in den vergangenen Jahren zu einem Internetphänomen entwickelt. Auf Youtube gibt es unzählige Filmchen, in denen sich Teenager im Supermarkt auf der Flucht vor imaginärer Lava auf Kühltruhen hechten oder Studenten in der Bibliothek ins Bücherregal springen. Denn am meisten Spaß macht das Spiel, wenn man es nicht im Schutzbereich des heimischen Wohnzimmers spielt, sondern in aller Öffentlichkeit.

Nun hat der Streamingdienst Netflix die Zeichen der Zeit erkannt und aus dem Kinderspiel eine Unterhaltungsshow gemacht. Aus Kinderspielen eine Fernsehshow machen – da werden unangenehme Erinnerungen wach, wenn man zum Beispiel an die leidlich lustige Sat.1-Show „Promi ärgere Dich nicht“ denkt. Auf der anderen Seite hat ebenfalls Sat.1 gezeigt, dass so eine Transformation funktionieren kann, als der Sender mit „Catch“ aus der Mutter aller Kinderspiele, Fangen, ein unterhaltsames Familienformat gemacht hat. Und auch Netflix ist mit „Der Boden ist Lava“ eine kurze und kurzweilige Umsetzung eines Kinderspiels fürs Fernsehen gelungen. (Lesen Sie auch: Das bietet der Netflix-Hit “The Warrior Nun”)

„Der Boden ist Lava“ auf Netflix: Liebe zum Detail

Das liegt vor allem daran, dass sich Netflix bei seiner Eigenproduktion sehr viel Mühe im Detail gegeben hat. Pro Sendung werden drei Dreier-Teams nacheinander in einen Raum geschickt, dessen Boden – natürlich – mit Lava bedeckt ist. Selbstverständlich ist es keine echte Lava, was die Produktionskosten klein und die Kandidatenanzahl konstant hält. Aber mit einigen Tricks und den richtigen Zutaten sieht die künstliche Lava einigermaßen echt aus, inklusive plötzlicher Lava-Fontänen, die aus der brodelnden Masse nach oben spritzZwischen dieser, zumindest in Gedanken, tödlichen Brühe, sind nun allerlei Gegenstände platziert, über die die Kandidaten krabbeln, springen, schwingen und klettern müssen, um irgendwie zum Ausgang zu gelangen. In einer deutschen Produktion hätte man das vielleicht mit ein paar Kästen und Turnmatten gelöst, aber nicht bei Netflix. Hier hat jede Show ein neues Motto, nach dem die Räume eingerichtet sind und deren Thema man mit einem „Irgendwas mit ...“ umschreiben könnte: Archäologie, Weltall, Küche, und so weiter. (Lesen Sie auch: “The Old Guard” bei Netflix - Highlander trifft John Wick)

Szene aus “Der Boden ist Lava”

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Diese Themen-Räume hat man mit viel Liebe zum Detail eingerichtet und so müssen die Kandidaten mal über Raketen, Mumien oder einen Pizza-Ofen klettern oder an einem Kanu hängend zum Ausgang schwingen. Dazwischen gibt es immer wieder versteckte Mechanismen, die den Kandidaten das Lava-Hopping erleichtern – sofern sie sie finden und anzuwenden wissen. Hinzu kommt ein nettes Detail, das sich die Macher ausgedacht haben. Wer einmal in die Lava-Flut gestürzt ist, taucht ganz wirklichkeitsnah nicht mehr auf. Der Mann im Schnittraum macht's möglich.

„Der Boden ist Lava“: Normalo-Spaß mit „Indiana Jones“-Flair auf Netflix

Ein Setting also, das allen Anforderungen einer guten Show standhält, genauso wie das, was zwischen Raketen, Mumien und dem Ausgang passiert. Dort sind Teamwork gefragt, ebenso wie eine gesunde Mischung aus Köpfchen und Muckis, wenn es gilt, sich zwischen der Lava-Brühe den richtigen Weg zu suchen. Die „Indiana Jones“-Atmosphäre, in der das Ganze stattfindet, gibt der Show ein passendes Flair.

Und obwohl die Hindernisse ein gewisses Maß an Sportlichkeit erfordern, findet man hier keine durchtrainierten Eisenbieger und hyperflexiblen Freizeitakrobaten wie in anderen Parcours-Shows. Stattdessen treten hier Dreier-Teams aus der Kategorie „du und ich“ an: eine Mutter mit ihren beiden Kindern, ein Team aus Krankenschwestern oder ein Flugbegleiter-Trio. Die müssen sich auch nicht in Endlos-Wettkämpfen wie bei „Schlag den Star“ duellieren, sondern machen aus „Der Boden ist Lava“ einen kurzweiligen Normalo-Spaß, der in einer knappen halben Stunde auch wieder vorbei ist. Für die Sieger gibt es dann die vergleichsweise niedrige Gewinnsumme von 10.000 Dollar – und eine Lava-Lampe. (Lesen Sie auch: Das bedeutet das Ende von “Dark”)

“Der Boden ist Lava”: der offizielle Netflix-Trailer

Alles super also? Nicht ganz. Was ein bisschen gewöhnungsbedürftig ist, ist der Kommentar in der deutschen Version. Der orientiert sich im Sprach-Duktus doch sehr an dem, für deutsche Ohren ungewohnten, amerikanischen Sound, was in den erträglichen Momenten nur unnötig, in den schwer erträglichen Momenten einfach nervig ist, weil jede noch so offensichtliche Offensichtlichkeit kommentiert wird. Wer hier aber auf Durchzug stellen kann und Shows wie „Ninja Warrior“ mag, der wird in „Der Boden ist Lava“ einen harmlos-albernen Spaß finden.

“Der Boden ist Lava” steht seit dem 19. Juni bei Netflix zum Abruf bereit