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Verlag: Suhrkamp

Stille Feinde - Ide, Joe - Suhrkamp

Ide, Joe

Stille Feinde

Originaltitel: Righteous
Aus dem Amerikanischen von Conny Lösch

Isaiah Quintabe, der geniale Privatdetektiv ohne Lizenz, der meistens für die einfachen Leute in Long Beach, L.A., Probleme löst, stößt auf das Wrack des Autos, mit dem vor Jahren sein Bruder Marcus getötet worden war Schnell ist ihm klar: Es war kein Unfall, sondern Mord. Gleichzeitig meldet sich die damalige Freundin seines Bruders - ihre Halbschwester in Las Vegas steckt in Schwierigkeiten. Hoffnungslos spielsüchtig hatte die mit ihrem Freund versucht, die 14K-Triade zu erpressen.
IQ und sein Sidekick Dodson machen sich auf nach Las Vegas, um die Situation zu entschärfen. Gleichzeitig regt sich der Verdacht, dass IQs toter Bruder Marcus vielleicht doch kein Heiliger war und Verbindungen zu dem ruandischen Gangster Seb Habimana hatte. IQ muss an mehreren Fronten gleichzeitig kämpfen, denn zudem haben sich noch ein übler Kredithai und die Locos Surenos 13, eine mächtige Gang, an seine Fersen geheftet. Schwerstarbeit für IQ und Dodson, die zur Hochform auflaufen. Und im Hintergrund lauert ein düstrer Feind ...

Herausgegeben von Thomas Wörtche.

Autor: Ide, Joe
Titel: Stille Feinde
Jahr: 2018-06
Seiten: 400 | Taschenbuch
Verlag: Suhrkamp
ISBN: 978-3-518-46870-8
Preis: 14.95 EUR

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Unsere Meinung:

Auffällig, aber kein Zufall, dass die letzten drei Krimi-Neuheiten, die ich ganz verschlungen habe und bei denen ich „wow!“ gedacht habe, alle von Suhrkamp kommen.
Innerhalb von knapp zehn Jahren hat Suhrkamp sich als (mindestens) einer der maßgeblichen Krimiverlag etabliert, zumal in den letzten Jahren unter Herausgeber Thomas Wörtche.
Kein Wust an Überflüssigem, wie sonst beim monatlichen Output der großen und mittleren Taschenbuchverlage. Kaum Aussetzer. Starke Stimmen vor allem aus dem englischsprachigen Raum. Solide bis kongeniale Übersetzungen, sauber lektoriert, in ansehnlicher Aufmachung. Hier trennt man die Spreu vom Weizen, und man denkt sich ernsthaft etwas dabei, nimmt die Leserschaft/Kundschaft ernst, von der Buch-Auswahl bis zur Cover-Gestaltung. Wenn dieses Krimiprogramm noch, wie einstmals üblich, als explizite Krimireihe erscheinen würde, müsste man sie glatt abonnieren.

„Wow!“ zum Ersten: Aidan Truhens „Fuck you very much“. Kann man zwar nicht seiner Oma schenken (wobei wir unsere Alten ebensowenig unterschätzen sollten wie unsere wache Jugend!), aber was für ein Titel, was für ein Cover! Und der grandios übersetzte Text ein – so ging‘s mir - wider Willen mitreißendes, 350 Seiten lang nonstop durchgehaltenes Powerplay, nämlich das erbarmungslose Volldampfgeschwafel eines widerlichen, arroganten, hinterlistigen, zynischen Gewaltverbrechers, der mit allen Widerständen und Widersachern aufräumt, und das Ganze dermaßen over the top, dass Killer-Legende Frankie Machine (Don Winslow) dagegen wirklich wie der nette alte Mann dasteht, für den ihn alle halten. Wow!

„Wow!“ zum Zweiten: Dietrich Kalteis‘ „Shootout“. Multiperspektive, Szenenwechsel zack zack, Drogenzüchter und -dealer und -konsumenten und -bullen an der Westküste USA-Kanada, Tempo, es knallt und saust, und arg viele Figuren wuseln wie im echten Leben durcheinander, fast jede fast nur die ureigenen Interessen im Sinn. Die Leichen häufen sich, die Dummen gehen ebenso drauf wie manche armen Unschuldigen (oder gibt‘s die gar nicht in Kalteis‘ Romanwelt?), und am Ende kriegen die wahrhaft Bösen doch meist, was sie verdienen oder Schlimmeres. Toll zu sehen, wie der unlängst verstorbene Gottvater Elmore Leonard (Suhrkamp, bitte mehr von ihm!) im 21. Jahrhundert immer noch oder sogar immer mehr Schule macht. Schnell, hart, entschlackt, witzig, sarkastisch, gnadenlos ehrlich und wahrhaftig, und im Kern doch mit Herz und staunend den Menschen und dem Leben zugetan. Crime Fiction für Erwachsene. Wow!

„Wow!“ zum Dritten: Joe Ides „Stille Feinde“, zweiter Detektivroman (den ersten, auch schon tollen, muss man davor nicht unbedingt gelesen haben) um Isaiah Quintabe, kurz IQ, den Ghetto-Detektiv von Los Angeles. Wie eng und beschränkt und völlig unzureichend wird hier die Genrebezeichnung Detektivkrimi! So viel mehr steckt in diesem Roman: IQs eigene Vergangenheit (der Tod seines vergötterten großen Bruders, Unfall oder Mord, IQ sinnt auf Rache) und IQs persönliche Gegenwart (als hochintelligenter, sozial unfähiger Eigenbrötler); die afrikanische Bürgerkriegsvergangenheit zweier Bösewichter; die Ghetto-Gang-Gegenwart diverser schwarzer, chinesischer und hispanischer dummer junger oder auch nicht mehr junger Menschen, männlich wie weiblich; Liebe, Freundschaft, Familie; Spielsucht, Übermut, Wahnsinn und tragisches Dilemma. IQ bleibt dran und mittendrin, will‘s allen recht machen und die Wahrheit wissen und die Schwachen schützen und Gerechtigkeit. Ein origineller Philip Marlowe für unsere Zeit, der dazu noch je ein Quäntchen Sherlock Holmes und Shaft in sich trägt – was für eine tolle Figur! Und eine tolle kriminalliterarische Gesamtleistung als Runderneuerung des Privatdetektiv-Genres!

Denn das ist die Stärke des Suhrkamp-Programms: Die Krimis und Thriller sind eindeutig Genre, verleugnen dies nie, verläppern sich aber auch nicht darin, haben darüber hinaus Substanz.
Von A bis Z - ja, buchstäblich, von Friedrich Ani bis Dave Zeltserman – kann man all die bemerkenswerten Autorennamen hier mittlerweile kaum noch aufzählen.
Wow!


RS / 12.06.2018