Comic

Robert Crumb: Vom Underground in die Kunsthalle

Dieser Frauenverachtung steht als Kontrapunkt gegenüber, dass Crumb seit 35 Jahren mit seiner zweiten Frau Aline Kominsky-Crumb verheiratet ist und sich in dieser Beziehung alles andere als frauenverachtend gibt. Das mag aber auch daran liegen, dass er in Kominsky die Traumfrau aus seinen Phantasien gefunden hat. Sie ist Künstlerin wie er und scheut die öffentliche Autotherapie selbst dann nicht, wenn sie als gezeichnete oder gefilmte Paarreflexion (Terry Zwigoffs Crumb hier als Free Video) daherkommt.

Drawn TogetherSchon 1974 veröffentlichten beide, noch nicht liiert, mit den Dirty Laundry Comics tagebuchähnliche Strips, in denen sie sich jeweils selbst zeichneten. Diese künstlerische Alltagsdokumentation setzten Sie nach mit dem Projekt Drawn Together. The Collected Works of R. and A. Crumb fort. Der im vergangenen Jahr erschienene Sammelband dieser gezeichneten Alltagsbeichten versammelt Anekdoten aus den Jahren 1979 bis 2010. Dieses therapeutische Zwiegespräch zweier Künstler ist ein vor Ironie überbordendes Gemeinschaftswerk, voller Sex, Drugs & Rock’n Roll.

Dieses Dauerprojekt ist nur ein Beispiel der zahlreichen Künstlerkooperationen, die den Weg von Robert Crumb säumen. Bereits 1968 zeichnete er das Cover für eine Platte der Blues-Band von Janis Joplin. Bis heute hat er für über 30 Musikalben die Titel gezeichnet. Für seinen Freund Harvey Pekar begann er 1976 mehrere der preisgekrönten American Splendor-Comics grafisch umzusetzen. Mit dem Szenaristen David Zaine Mairowitz realisierte er in den 1990er Jahren – kurz nach seinem Umzug nach Frankreich – mit Kafka für Anfänger einen der weltweit meistgekauften Sachcomics, der gerade in neuer Auflage und Übersetzung unter dem Titel Kafka erschienen ist und Einblick in die verblüffende Seelenverwandtschaft von Franz Kafka und Robert Crumb gibt.

In den 1980ern hat Crumb eng mit dem Romancier Charles Bukowski zusammengearbeitet und zahlreiche seiner Erzählungen illustriert. Auch für den Kultroman Die Monkey Wrench Gang des amerikanischen Öko-Autors Edward Abbey, 2011 in Neuauflage bei Walde+Graf erscheinen, fertigte er 1985 zahlreiche Illustrationen an. In beiden Fällen traf der Meister der Underground-Comix auf zwei Meister der Underground-Novels.

CheapthrillsZugleich inspirierte Crumbs Werk zahlreiche Künstler. Die Band The Grateful Dead ließ sich von seinem berühmten Cartoon »Keep on Truckin’« zu ihrem Song »Truckin‘« anregen und der Blues- und Jazzsänger Josh White nahm Crumbs »Meatball«-Erzählung zur Vorlage für seinen Song »One Meat Ball«. Der Underground-HipHop-Künstler Aesop Rock bezieht sich in seinen Texten immer wieder auf Robert Crumb und dessen Werk. Und sein nachhaltiger Einfluss auf die weltweite Comicszene kann nicht genug geschätzt werden. Die Münchener Ausstellung konnte hier nur einen Eindruck, wenngleich einen imposanten, liefern.

Mit der Übersiedlung nach Frankreich und der zunehmenden Auseinandersetzung mit literarischen Werken änderte sich Crumbs Ton. Der überspitzte Sarkasmus seiner frühen Underground-Comix wurde abgelöst von dem ausgewogeneren Stil des aufmerksamen Beobachters. Vielleicht lag es an der nachlassenden Wirkung des LSD-Konsums (»Ich brauchte zwanzig Jahre, um mich von dem ganzen L.S.D. zu erholen…«), vielleicht auch an seiner nicht mehr ganz so obsessiven Virilität. Während seine Kritiker zunehmend stiller wurden, wurde Crumb weltweit als Urvater der Underground-Comix und Wegbereiter der autobiografischen Text-Bild-Erzählung gewürdigt. In den USA begann Fantagraphics Books schon Ende der 1980er Jahren The Complete Crumb in 17 Bänden herauszugeben. Zwischen 1989 und 1997 gewinnen die Bände fünf Harveys und einen Eisner-Award.

6 Kommentare

  1. […] Tatsächlich laufen die Argumente des Festivals mit einer Ausnahme ins Leere. Richtig ist, dass die Comickunst lange Zeit eine No-Go-Area für Künstlerinnen war. Die Claims hatten die Pioniere der Neunten Kunst abgesteckt. Erst nach und nach erhielten auch Frauen Zutritt in die heiligen Hallen der Comicbranche. Inzwischen sind sie nicht mehr wegzudenken. Und das ist gut so! Diese Floskel greift nicht, weil sie gut klingt, sondern weil vor allem der kreativste Bereich der Neunten Kunst – der der Mini- und Do-it-Yourself-Comics – von Frauen dominiert wird. Kommen wir aber zurück zum Argument, dass man die Comicgeschichte nicht ändern könne. Das ist so richtig wie unnötig, schließlich gehören nominierte Künstler wie Charles Burnes, Daniel Clowes, Joann Sfar, Riad Sattouf oder Christophe Blain nicht zu den Altvorderen der Neunten Kunst. Folgt man Bondoux‘ Argument der Auszeichnung für ein Lebenswerk, das in der Comicgeschichte relevant sei, konsequent, dann dürften auch ihre Namen nicht auf der Liste stehen. Oder anders herum gesagt: ihre Namen gehören da mit der gleichen Berechtigung hin, wie die von Julie Doucet, Alison Bechdel oder Aline Kominsky-Crumb. […]

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