Dann greife man hier besser noch einmal zu den Kassenschlagern dieser Box. Der weiße Hai, E.T. – Der Außerirdische und die ersten beiden Teile von Jurassic Parc bieten immer noch große Kinoerlebnisse. Das ist durchaus verwunderlich, denn betrachtet man die Entwicklung der Filmindustrie seit ihrer Entstehung, muss man feststellen, dass sich das Handwerk des Filmemachens seither komplett gewandelt hat – und mit ihm Spielberg, der erst nach diesen Blockbustern seine Meisterwerke Schindlers Liste und Der Soldat James Ryan gedreht hat. Aber es ist, wie es ist und mit Jurassic World wird im nächsten Sommer der vierte Teil der längst vorhersehbaren DinoPark-DNS-Reihe wieder ein Millionenpublikum in die Kinosäle locken.
Am deutlichsten wird die Weiterentwicklung des Filmgeschäfts an Spielbergs Drama E.T. – Der Außerirdische, dessen Kulisse, Maske und Effekte aus heutiger Sicht geradezu amateurhaft wirken. Und dennoch berührt uns dieser Film, in dem Spielberg mit dem der kleine Elliott (Henry Thomas) etwas Einmaliges in der Filmgeschichte bis dato tut. Als es darum geht, wie sie den außerirdischen Gast (Tamara De Treaux) in seinem Zimmer verstecken, sagt er seinen Geschwistern, dass er ihm die Würde lassen möchte. Dass ein nicht-menschliches Wesen überhaupt eine Würde besitzen könnte, war etwas vollkommen Neues und Revolutionäres, sprach doch Anfang der 1980er Jahre noch so mancher rechtskonservativer Amerikaner seinen Landsleuten mit afrikanischen Wurzeln die Würde ab. Spielberg lieferte mit diesem Kassenschlager, der mehr als 800 Millionen US-Dollar einspielte und mit Star Wars zu den erfolgreichsten Filmen der Kinogeschichte gehört, zahlreiche Szenen, die in die Filmgeschichte eingingen: Elliott und E.T. im Lamellenschrank, der Geschichte lauschend, die Elliotts Mutter Mary (Dee Wallace-Stone) seiner Schwester Gertie (Drew Berrymore) vorliest. Elliott, der mit E.T. im Fahrradkorb am Vollmond vorbeischwebt. Gertie, die E.T. mit Tränen in den Augen einen Abschiedskuss auf die Nase gibt.
Und dass einen immer noch das kalte Grausen ankriecht, wenn man nur die ersten Takte des aufziehenden Bass-Geschrammels der Motivmelodie von Der weiße Hai vernimmt, ist ein weiteres Wunder in der Spielberg-Klassiker-Welt. Spielbergs 70er-Jahre-Version von Hermann Melvilles Moby Dick ist die grandiose Verfilmung des ewigen Konflikts zwischen Mensch und (menschlicher) Natur. Polizeichef Martin Brody (Roy Scheider) nimmt dabei die Figur des Erzählers Ishmael ein, Käptn Ahab wird hier von dem Haifänger Quint (Robert Shaw) verkörpert, die Pequod trägt hier den Namen Orca. Der tragische Held ist wie bei Melville derjenige, der am verbissensten den Hai jagt.
In Der weiße Hai tritt vor allem die Logik des Horrors zutage, die sich Spielberg bei einem seiner großen Vorbilder, bei Alfred Hitchcock abgeschaut hat. »Das Unsichtbare ist viel Schockierender als das, was man den Zuschauern zeigt.« Zwar sehen wir dem Monstrum hier immer mal ins Gesicht, aber die unheimlichsten Seancen sind die, in denen wir auf die spiegelglatte Oberfläche schauen, während sich das Ungeheuerliche nur mit John Williams Intervall-Motiv ankündigt. Sehen aber können wir es nicht.
Spielbergs Filmen, auch in dieser Zusammensetzung, merkt man seine Experimentierfreude an. Zu beobachten, wie er sich austobt und die eigenen Werke sowie die seiner Vorbilder – neben Alfred Hitchcock sind dies unter anderem Stanley Kubrick, Orson Welles und Walt Disney – mit Leidenschaft zitiert oder auf die Schippe nimmt, ist ein großes Vergnügen. Denn letztendlich ist Spielberg auch ein witziger Kerl, der sich nicht allzu ernst nimmt (was womöglich den Klamauk von 1941 – Wo bitte geht’s nach Hollywood dann doch wertvoller macht, als man meinen möchte). Dass er dabei ebenso mit den Granden der Schauspielerriege wie mit Unbekannten und Aufsteigern zusammengearbeitet hat, macht ihn nur noch mehr zu einem der ganz großen Regisseure.
Zugleich zeigt er sich in seinen Filmen immer wieder als Detektiv nach dem Menschlichen, auch oder gerade dann, wenn gigantische Haie oder urzeitliche Echsen die Erzählung an sich zu reißen scheinen. Im Grunde geht es doch immer wieder um Urgefühle wie Angst, Vertrauen oder Neugier. „Ich wurde als nervöses Wrack geboren und das Filmemachen war ein Weg, meine eigenen Ängste in die Leben der anderen zu tragen“, erklärte Spielberg vor Jahren gegenüber der US-Ausgabe des Rolling Stone. Man kann aber auch sagen, dass Spielberg den Horror sucht, um das Vertrauen zu finden, das Fantastische erkundet, um das Realistische auszuloten und die Gegenwart beleuchtet, um die Schatten der Vergangenheit darin auszumachen.
Steven Spielberg Director’s Collection (Blu-ray)
Duell (1971), Sugarland Express (1974), Der weiße Hai (1975), 1941 – Wo bitte geht’s nach Hollywood (1979), E.T. – Der Außerirdische (1982), Always – Der Feuerengel von Montana (1989), Jurassic Parc (1993), Vergessene Welt: Jurassic Parc (1997)
932 Minuten. 61,99 Euro
FSK: 16
Stephen Spielberg auf IMDB
[…] Endkampf inszenieren – von Klassikern wie Roland Emmerichs Independence Day oder Stephen Spielbergs Krieg der Welten bis hin zu jüngeren Werken wie Jeff Nichols Midnight Special oder Jupiter […]