Comic

Faktenreiche Sprechblasen

Ähnlich verhält es sich mit den »Infocomics« bei TibiaPress, wo inzwischen über 20 illustrierte Publikationen vorliegen. Zwar mögen die Abhandlungen über Logik, Ethik und Psychoanalyse, die Biografien zu William Shakespeare, Friedrich Nietzsche oder John Maynard Keynes sowie die Einführungen in die Teilchenphysik oder die kontinentale Philosophie leichter daherkommen als ein Fachbuch. Als Comics aber sind diese mit Illustrationen und Sprechblasen versehenen Bücher nicht zu gebrauchen.

Zum Glück gibt es andere, deutlich bessere Beispiele, die zeigen, dass hochkomplexe Sachzusammenhänge in Text und Bild gelingend vermittelt werden können. Die beiden US-Amerikaner Michael Goodwin und Dan E. Burr haben mit Economix. Wie unsere Wirtschaft funktioniert (oder auch nicht) einen Comic-Bestseller verfasst, der sich auch hierzulande einer großen Nachfrage erfreut. Das knapp 300 Seiten umfassende Album, in dem aus der amerikanischen Perspektive die Entstehung der Weltwirtschaft und ihren jüngsten Zusammenbruch erklärt werden, befindet sich bereits in der vierten Auflage.

WEB_EconomixPreview-5

© Jacoby & Stuart

In Scott McCloud’scher Manier reist Erzähler Goodwin mit seinen Lesern durch die Jahrhunderte, um nicht nur die Gedanken der großen Wirtschaftstheoretiker vor den Umständen ihrer Zeit zu erklären, sondern auch um die innen- und außenpolitischen Folgen der wirtschaftlichen Ausrichtung der US-Regierungen aufzuzeigen.

Bis zum 20. Jahrhundert ist dies ziemlich aufregend, da bis dahin die Weltwirtschaft als Netz globaler Abhängigkeiten überhaupt erst entsteht. Entsprechend setzt sich der Comic bis dahin eher grundsätzlich mit den wirtschaftspolitischen Philosophien der jeweiligen Zeit auseinander und legt deren Wirkung auf die Realpolitik offen. Mit Übergang ins 20. Jahrhundert aber entwickelt sich die Erzählung der globalen Ökonomie immer mehr zu einer Homestory der US-amerikanischen Innenpolitik, die außenpolitische Folgen hat. Ob große Depression, New Deal oder Green Revolution – all diese wirtschaftspolitischen Wegmarken des 20. Jahrhunderts werden als von Uncle Sam übergestülpte Maßnahme dargestellt. Nun ist der Einfluss der USA auf die Weltwirtschaft sicherlich kein geringer. Aber die hier eingenommene Perspektive ist in Teilen blind gegenüber der Selbstbestimmung zumindest der anderen Demokratien.

Unverkennbar ist, dass sich Den E. Burr mit dieser Arbeit vor den Granden der amerikanischen Karikatur Harvey Kurtzman und David Levine verneigt. Leider kommt man aber nicht dazu, dies zu genießen, weil der Comic unter einer immensen Textlastigkeit leidet, die auch der subtile Humor von Burrs karikierendem Stil nicht auffangen kann. Hier erinnert der Comic an Joe Saccos nicht minder textlastige Comicreportagen. Allerdings unterbricht Sacco seine journalistische Erzählung immer wieder, um seiner karikierenden Grafik Raum und Entfaltung zu geben. Das kommt hier zu kurz. Das führt dazu, dass der Comic das Potential, das in ihm steckt, nicht vollends nutzen kann.

Dem scheint aber auch ein im Ansatz falsches Verständnis der Text-Bild-Erzählung zugrunde zu liegen. Der Erzähler beschreibt den Comic eingangs als die »am leichtesten zugängliche Form«, in der man die Geschichte der Ökonomie erzählen könne. Jeder, der etwas von der Neunten Kunst versteht, weiß, dass allein die Verknüpfung von Text- und Bildinformationen im Leserkopf eine hochkomplexe Angelegenheit ist. Da die Autoren über diese Tatsache hinweggehen, schöpfen sie Möglichkeiten des Comics wie Bildmetaphern und Ikonografien nicht vollends aus.

WEB_u1_economix_cmykMichael Goodwin, Dan E. Burr: Economix. Wie unsere Wirtschaft funktioniert (oder auch nicht)

Verlag Jacoby & Stuart 2013

304 Seiten. 19,95 Euro

Hier bestellen