Der König der Knollennasen, Ralf König, hat sich nach seiner biblischen Trilogie »Prototyp«, »Archetyp« und »Antityp« dem heterosexuellen Pornofilm zugewandt. Sein neuer Comic »Pornstory« gab Anlass für ein Gespräch über männliche Veranlagungen, moralische Wertungen und seine Sammlung unterirdischer Pornodialoge.
Ralf König, Sie schreiben immer wieder über sexuelle Themen. Weil Sie unsere Gesellschaft für prüde halten, weil sich Sex einfach gut macht, um zu lachen, oder weil das Thema Sie einfach nicht loslässt?
Ich glaube, weil ich immer ein sexueller Mensch war und bin. Das erste Kapitel in »Pornstory« ist etwa autobiografisch, ich habe mit elf Jahren die Pornos meines Vaters im Schrank entdeckt. Seitdem ist Sexualität ein großes Ding in meinem Hirn. Es ist auch ein wenig einfach, denn Humor und Sex gehen – mit all den Fallstricken, die da sind – ganz gut zusammen, ist meine Erfahrung. Ich mache das ja auch schon eine Weile. Als ich vor 35 Jahren angefangen habe, durfte über Schwulensex nicht gesprochen werden; ich aber habe da schon Witzchen drüber gemacht. Und das ist bis heute geblieben. Ich muss mich sogar manchmal anstrengen, nicht sofort in die sexuelle Schiene abzugleiten, wenn ich eine Idee habe. Man sollte annehmen, dass sich dieser Trieb mit 55 Jahren auf dem Buckel ein bisschen legt, aber bislang kann ich das nicht feststellen. In meinem Kopf ist das noch sehr präsent und ich hoffe, dass ich da noch einiges zu erzählen habe.
Pornos gucken vermeintlich immer nur die anderen. Und nun kommen Sie mit dieser Allerweltsfamilie Schlüter, in der sämtliche männlichen Mitglieder von Kindesbeinen an dem Genre zugeneigt sind. Provokation oder Momentaufnahme der normalen deutschen Kleinfamilie?
Porno ist so ein großer Markt, dass es nicht immer nur die anderen sein können, die Pornos konsumieren. Wenn ich als Elfjähriger in den siebziger Jahren die Pornos meines Vaters im Schrank entdeckt habe, wie viel einfacher ist es denn dann heutzutage für Kinder, an Pornos zu gelangen? Zumal ich glaube, dass sich die Neugier daran über die Generation fortsetzt. Das überträgt sich von Vater auf Sohn – ich kann mir nicht vorstellen, dass es einen Jungen gibt, der die Pornos seines Vaters entdeckt und den das nicht interessiert. Das habe ich in meinem Buch versucht, in den verschiedenen Kapiteln darzustellen. Erst war Super-8, dann VHS, DVD und schließlich das Internet.
Wollen Sie sagen, dass »Porno-Gen« ist Teil der männlichen DNA?
Möglicherweise. Gerade in der Pubertät, wo diese Themen interessant werden, ist es natürlich sehr reizvoll, zu gucken, was es da so gibt. Ich bin ganz froh, dass ich schwul bin, denn ich habe dieses Mann-Frau-Ding beim Pornos schauen nie gehabt. Es ist ja tatsächlich problematisch – und ich hoffe, dass ich das in dem Buch unterschwellig ausreichend deutlich gemacht habe –, wenn Jungs alles, was da passiert, für bare Münze nehmen. Mein Problem mit dem Buch ist, dass ich wahnsinnig viel kürzen musste, weil ich sehr schnell in einen belehrenden Ton rutschte. Ich wollte aber lustig bleiben, auch wenn ich wusste, dass es nicht ganz so komisch werden wird, wie andere meiner Bücher, weil man schnell in eine Rechtfertigungssituation gerät. Ich finde Pornos toll, das ist Teil meines Werdegangs, meines Lebens. Und dennoch bemerkte ich, dass es immer wieder so klang, als müsste ich mich dafür entschuldigen. Das wollte ich nicht. Gerade ich als schwuler Autor kann über Heteropornos recht gut schreiben, weil ich sowohl die Frauen verstehe, die das nicht so toll finden, als auch die Kerle, die das toll finden. Das hätte ein heterosexueller Autor so vielleicht nicht hinbekommen.
Mich wundert, dass Sie von einem moralischen Ton sprechen, in den Sie zu fallen drohten. Das geht dem Comic vollkommen ab, es gibt in dem Sinne keine Moral.
Weil ich sie rausgeschmissen habe. Aber natürlich muss man, wenn man über Pornos spricht, auch über die Frauenfeindlichkeit sprechen. Das zu tun, ohne mit dem erhobenen Zeigefinger zu kommen, ist schwierig. Meines Erachtens werden Pornos heutzutage entweder verherrlicht oder verharmlost. Wenn man in der Öffentlichkeit etwas über Pornos hört, dann werden Dolly Buster und Co. herangezogen, dabei gehört das doch heute gar nicht mehr dazu. Zumal das Ganze durch das Internet fast weniger kommerziell geworden ist.
Man kann fast sagen, dass der Markt von der Freizeitpornografie überwollt wird. Inzwischen macht doch jeder sein eigenes Filmchen und lädt es in irgendein Portal.
Ja, das gibt es auch, ist aber nur ein Teil der Wahrheit. Während ich am Buch gearbeitet habe, habe ich auch zwei Dokumentarfilme über Pornografie gesehen. Darin ließen die jungen männlichen Regisseure keinen Zweifel daran, dass sie sich selbst daraus gar nichts aus Porno machen. Während sie sich als die Unbeteiligten darstellten, führten sie aber die Darsteller wie Zootiere vor. Das hat mich sehr geärgert. Ich wollte das anders machen.
Haben Sie denn Pornodarsteller getroffen, um für den Comic zu recherchieren?
Ich habe zwei Pornodarsteller kennenlernen dürfen. Das war zum einen Kelly Trump beim Dreh von »Wie die Karnickel«, zum anderen habe ich Gina Wild beim Dreh für eine Arte-Staffel zusammen mit Mark Benecke kennengelernt. Mir fiel auf, dass beide Frauen zurückhaltend und schüchtern waren. Sie wollten gar nicht darüber reden, was sie da für Filme gemacht haben. So bekomme ich das Bild der »Bitches«, das Pornodarstellerinnen oft anhängt, gar nicht mit dem Bild zusammen, das ich von den beiden Frauen bekommen habe. Vielleicht ist das aber auch ein Merkmal von Heteroporno. Schwule Männer machen das und stehen dazu, bei Heteros scheint das etwas anders zu sein. Da ist etwas Unechtes dabei, etwas Heimliches. Es ist eben eine Scheinwelt, die bei Heteropornos aufgebaut wird. Das finde ich interessant.
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