Im Kanada der Gegenwart, in den Wäldern, platzt eine namenlose Fotographin resolut und professionell in das einsiedlerische Leben zweier alter Männer. Sie ist auf der Suche nach einem Dritten im Bunde, Ted oder Ed Boychuck, einem Zeugen und Überlebenden der Großen Brände anno 1916, den sie interviewen und photographieren will. Soweit ihre erklärte Absicht.
Stück für Stück, Seite für Seite , fast unmerklich schleichend, löst sich dieses Vor-haben auf. Der Gesuchte ist jüngst verstorben, bleibt aber in den Erzählungen der beiden Übriggebliebenen, Charlie und Tom, lebendig. Aus wechselnder Perspektive malt Jocelyne Saucier die Geschichte und die Lebensumstände der Einsiedler, die Geschwindigkeit passt sich an das geruhsame, leicht whiskeygeschwängerte Leben an, und wie ein Puzzle beginnt sich die Lebensgeschichte von Ted oder Ed - richtig schließlich: Theodore - Boychuck zusammenzusetzen, und auch die Fotographin selbst kann - zunächst ohne es zu wissen - ein Detail dazubringen. - Scheinbar kompliziert wird es, als neben die Fotographin eine zierliche kleine alte Dame tritt, hilfsbedürftig und eigensinnig. Es zeigt sich, daß sie allein die fast abstrakt scheinenden Bilder, die Boychuck zur Bewältigung seines Brand-Traumas in großer Zahl gemalt hat, zu deuten weiß. Und sie bringt ein Leben mehr in die Einsiedelei - für sich selbst, für Tom und Charlie, auch für die Fotographin. Für alle entwickelt sich das Leben anders als beabsichtigt - aber um nichts ärmer oder schlechter, sondern voller, reicher, spannender, in gemacher und schlüssiger Abfolge wie die Jahreszeiten. Die Erzählerin hält gerade jene Distanz zu ihren Figuren, die der Leser braucht um sie scharf zu sehen. Und , apropos Sehen, der geplanten Verfilmung des Buches kann ich nur alle Daumen drücken - da kann man schrecklich viel falsch machen.
Eine herzweitende Erzählung über sture, alte, zähe, zarte, empfindsame und nachdenkliche alte Menschen, die nichts mehr so hoch schätzen wie ein selbstbestimmtes freies Leben und einen ebensolchen Tod. Ihm, dem Tod, dem allgegenwärtigen, gilt auch der Schlußsatz. >Und der Tod? Der hockt immer noch in seinem Versteck. Um den Tod muß man sich keine Sorgen machen, er lauert in allen Geschichten.< Sein Gegenpol aber ist das reiche volle Leben - eben Ein Leben mehr. Unbedingte Leseempfehlung für jeden, der schon einmal die Sinnfrage gestellt hat.