Rezension vom 10.09.2015
(8)
"Mein Name ist Mary Iris Malone und mit mir stimmt etwas nicht." Das ist das Selbstverständnis von Mim, Spitzname für Mary Iris Malone. Mim macht sich mit einem Greyhound-Bus auf den Weg ins 1.524 Kilometer entfernte Cleveland zu ihrer Mutter, von der sie nur weiß, dass sie krank ist, und deren Briefe vor drei Wochen abrupt ausgeblieben sind. Mim will weg von ihrem Vater und der Stiefmutter, die sie von Cleveland mit nach Jackson, Tennessee, oder wie Mim es nennt, "Moskitoland", genommen haben um zukünftig dort zu wohnen. Außerdem muss Mim Tabletten nehmen, weil sich ihr Vater Sorgen um ihren Geisteszustand macht. Mims Reise wird gefährlicher und ungewöhnlicher als gedacht. Neben der großmütterlichen Arlene und dem unheimlichen Ponchomann trifft sie aber auch auf neue Freunde und die kann sie gerade gut gebrauchen.
"Auf und Davon" erzählt von einem Roadtrip einer 16-Jährigen, die zum einen ihre Mutter und zum anderen sich selbst sucht. Mim ist nicht gut damit zurecht gekommen, dass ihre Eltern sich getrennt haben, und noch weniger, dass ihre Mutter nun weit fort ist, ohne dass Mim weiß, was mit ihr los ist. In einem Gespräch hat sie belauscht, dass ihre Mutter scheinbar krank ist und so macht sie sich auf eigene Faust auf den Weg. Der Vater, der einem Psychotherapeuten nicht traut, der keine Medikamente verschreibt, ist wenig anwesend für Mim und die Stiefmutter mit ihren künstlichen Fingernägeln und aufgedonnertem Make-Up kann Mim erst recht nicht ausstehen. Aber so ein Roadtrip birgt auch Gefahren und Mim wird schnell damit konfrontiert, was es heißt, minderjährig und allein unterwegs zu sein.
Leider findet nicht die komplette Reise mit dem Greyhound statt, sodass ab einem gewissen Punkt keinen neuen Charaktere hinzukommen, sondern sich die Freundschaften mit den bereits gefundenen vertiefen. Zwischenzeitlich kommt auch immer mal wieder die Spannung zum Erliegen, dafür sind Mims Erkenntnisse, Erlebnisse und Begegnungen tiefgründiger, als ich es zunächst erwartet hatte.
Das Innenleben der jugendlichen Protagonistin ist glaubhaft und einfühlsam dargestellt. Ich habe mich sehr an meine eigenen Jugendjahre erinnert gefühlt. Ich denke, der Autor rührt authentisch an die Erfahrungen von Scheidungskindern und ihre Anpassungsschwierigkeiten an die neue Situation. Mim wirkte auf mich kein einziges Mal übermäßig zickig oder unsympathisch, sondern war eine klare Sympathieträgerin, die sich in dem ganzen Schlamassel der Erwachsenenwelt verloren fühlt. Auf der Reise beginnt sie zu lernen, mit den Enttäuschungen und der Entzauberung des Lebens umzugehen.
Durchbrochen ist die Handlung von Tagebucheinträgen an eine gewisse Isabel. Der Leser erfährt zunächst nur, dass Mim eine Tante dieses Namens hat. Der tatsächliche Bezug wird erst am Ende aufgelöst.
Der Schreibstil ist plastisch und gut lesbar. Die Sternennacht auf der Ladefläche des Pickup beispielsweise wird deutlich nachfühlbar und spürbar. An einigen Stellen ist Mims Sprache vielleicht etwas zu philosophisch und gehoben, es bleibt aber noch im Rahmen des Glaubhaften. David Arnold stellt die (typische) Identitätskrise einer Jugendlichen sehr einfühlsam, nachvollziehbar und lebensnah dar und ich denke, viele junge Leser/innen werden sich mit der Protagonistin identifizieren können. Zudem werden ungewöhnlich ernste und tiefgründige Themen angesprochen, für die keine stereotypen Schwarz-Weiß-Lösungen angeboten werden, sondern bei denen deutlich wird, dass jeder für sich eine Lösung oder Sichtweise finden muss. Dieses Buch eignet sich vor allem für etwas ältere Jugendliche. Ohne erhobenen Zeigefinger macht es deutlich, dass Eltern oft nur das Beste für ihr Kind wollen, auf eine so überzeugende Art, die der abgedroschene Satz vieler Eltern niemals erreichen könnte.
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