
TAUSEND MEILEN.
Bei der legendären Mille Miglia mischen seit jeher die Superstars
und Klassiker der Mercedes-Benz-Geschichte mit, um gemeinsam
die italienische Landschaft zu erobern. Auch in diesem Jahr ist das
Stuttgarter Rennteam mit dabei, um diese wahrhaft monumentale
Strecke zu bezwingen.

Formvollendete Oldtimer rattern nach Rom.
Bravissimo, fantastico, bella piccola, stupendo, classica – im Abendgrauen mischen sich adjektivisches Fachsimpeln und enthusiastische Ausbrüche im schwindelerregenden Italienisch-Stakkato mit Rennnummern, Fahrernamen und Modellbezeichnungen. Während die Sonne hinter dem Castel Sant’Angelo versinkt und den vorbeirauschenden feuerroten, meerblauen, knallgelben, waldgrünen, champagnerfarbenen
und tiefschwarzen Wagen damit die perfekte Kulisse liefert, versammelt sich das Who is Who der Autoliebhaber in Rom, auf halber Strecke der Mille Miglia 2012.

Das schönste Rennen der Welt.
Die Ursprünge dieses Rennens (deutsch: „Tausend Meilen”) liegen ganze 85 Jahre zurück: 1927 wurde das rasante Rennen erstmals auf offener Straße von Brescia nach Rom und zurück ausgetragen, bis dieser Brauch 1957 als zu gefährlich verboten wurde. Heutzutage hat sich die Mille Miglia zur dreitägigen Oldtimer-Ralley gewandelt und gilt nun als „schönstes Rennen der Welt”, was die malerische Streckenführung nach Brescia fraglos unterstreicht. Am Fuß des Prealpi Brsciane e Gardesane-Gebirgszugs genießt Brescia, der traditionelle Start- und Zielort des historischen Tausend-Meilen-Rennens, den Ruf einer internationalen Motorsport-Hochburg.
Bei einem Glas Wein während des Auftaktdinners erklärt Malte Dringenberg, Pressechef von Mercedes-Benz Classic, dass hier „sowohl Nationalstolz als auch der besondere Respekt für die einzigartige Kulturgeschichte des Ausdauersports und dieser Meisterwerke mechanischer Handwerkskunst” mitschwingen.

1000 italienische Meilen.
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Menschen machen die Mille Miglia zu dem, was sie ist.
Generell sind die teilnehmenden Teams – ob italienischer oder anderer Herkunft – ehrlich dankbar, dass Italien “die Mille Miglia am Leben hält.” Doch warum? Die ganz eigenen Momente des Rennens sind sowieso unbeschreiblich; es geht vielmehr um den Sportsgeist der Teilnehmer als um die eigentlichen Ergebnisse.

Vollgas voraus – es geht von Brescia nach Rom!
Die 387 teilnehmenden Oldtimer rattern auf das Gelände des Museo Mille Miglia, bevor um 18:30 Uhr der Startschuss fällt. Und los geht’s: Durch das Tor und Verona direkt nach Ferrara, den ersten offiziellen Halt des Rennens. Unterwegs, am Ufer des Gardasees, locken flüchtig Terrassentische mit ihren leuchtend-orangenen Gläsern voll Aperol im warmen Abendlicht. Doch schon bald dominiert der Sound von Motor und Auspuff die Idylle, als ein Mercedes-Benz SSK, ein Alpha Romeo 6C 1500 und ein Bugatti A35 über das Kopfsteinpflaster brettern. Die versammelten Zuschauer jubeln den Fahrern und ihren Lieblingen unermüdlich zu; ihre Kinder lehnen sich wagemutig über die Absperrung, um die Namen ihrer Favoriten herauszukrähen, die dankbar zurückwinken.

Ein Traum der Renngeschichte.
Am folgenden Tag geht es aufwärts, genauer gesagt 700-Höhenmeter nach San Marino, durch die engen Gassen der Stadt bis zur mittelalterlichen Piazza des Palazzo Pubblico. Ohne seine Augen auch nur eine Sekunde von der glorreichen Prozession abzuwenden, freut sich der Barista des Café Piadineria: „Das ist alles Teil der Geschichte, all die Wagen hier auf der Straße.“ Nach kurzer Pause setzt er nach, „es ist … nett.“ Angesichts der fast hypnotischen Aufmerksamkeit, die er dem Spektakel widmet, halten wir seine persönliche Definition von „nett“ für dezent untertrieben.
Die Strecke führt weiter nach Sansepolcro und schließlich nach Rom. Paolo, der einen der legendären 300 SLS-Flügeltürer fährt, genießt „das unvergessliche Erlebnis, mit diesem wundervollen Auto durch die italienischen paesaggi zu brausen.“ Und auch Frank Lamparter vom SLR-Club freut sich sehr auf die Chance, „die römischen Sehenswürdigkeiten im SLR abzuklappern.“

Im Flutlicht vor dem Castel Sant'Angelo animiert der Moderator einen Fahrer, „den Motor mal ordentlich röhren zu lassen“, und ruft beim folgenden imposanten Krach enthusiastisch „La muuuuuuusica!“ ins Mikrofon. Und selbst Mick Walsh (Chefredakteur des Classic & Sports Car-Magazins und hier Copilot des legendären Formel-Eins-Fahrers Jochen Mass), der in Brescia noch etwas Bedenken bezüglich der versammelten Pressemeute hatte, lässt sich in Rom im 300 SLR (W 196 S) mit leichtem Grinsen zu einer Äußerung hinreißen, die die Veranstaltung treffend auf den Punkt bringt: „Was für eine verrückte Idee, mit all diesen Wagen in Roms Zentrum einzufallen. Es ist wie ein toller Traum!“

Das elegante Erbe des Mercedes-Benz-Fahrgefühls.
Einer Illusion sollte man sich allerdings nicht hingeben: Die Mille Miglia ist keine gemütliche Sonntagsspazierfahrt durch Malibu, sondern ein unglaublich anstrengendes Rennen, das sämtlichen Fahrern, Mechanikern, Pressevertretern, Helfern und Organisatoren drei Tage lang hundert Prozent abverlangt. Und obwohl an Schlaf kaum zu denken ist, buhlen Fahrer aus allen Ecken und Enden der Welt um eine der begehrten Startnummern dieses berühmt-berüchtigten Rennens. Auf der Strecke zeigen sie sich dementsprechend ebenso elegant und einzigartig wie ihre gehegten Fahrzeuge: Die Fahrer erscheinen in Leinen und Seidentüchern, ledernen Schutzhelmen, Schutzbrillen, karierten Hemden, Blumen im maßgeschneiderten Revers, Schottenkaro-Ellbogenflicken, Einsteckuhren und sportlichen Autohandschuhen – ein wahrhaft zeitloser Look.

Die toskanische Landschaft im Takt der Motoren.
Am dritten Tag wartet der längste und härteste Abschnitt der Mille Miglia auf alle Versammelten; von Rom bis zurück nach Brescia. Pünktlich zum Weckruf um 4:30 Uhr verzieht sich der Morgennebel, und goldenes Licht umspielt die von blauschwarzen Bergsilhouetten eingerahmten toskanischen Täler. Fast schon surreal mutet es an, als wenig später die glorreichen Produkte des frühen 20. Jahrhunderts viel Staub in dieser altertümlichen Landschaft mit ihren gelb geziegelten Städten aufwirbeln.
Und dennoch ein absolut passendes Bild. Gemeinsam mit drei Mercedes-Benz-Klassikern, einem Ferrari und einem Bugatti nehmen wir die Biegungen der geschwungenen Straßen nördlich von Siena. Das sanfte Rot, gleißende Schwarz, dunkle Grün und gedämpfte Weiß der Oldtimer-Karossen setzt charmante Kontrapunkte zur blühenden Landschaft.

Kurz vor Florenz winkt uns ein echter Gentleman in sportlich-formeller Kleidung mit einem weißen Taschentuch an seinen straßenseitigen Tisch der Trattoria con Giardino. Sein stolzer Einwurf: „Ich kann mich noch an die echte Mille Miglia erinnern! Da waren Sie noch nicht geboren, aber vor fünfzig Jahren habe ich das echte Rennen mit eigenen Augen gesehen. Insgesamt 1.500 Autos … und viele Menschen, die den Wagen hinterhergerannt sind!“ Aber bei der Mille Miglia herrscht nicht nur eitel Sonnenschein. Ebenso wie das italienische Volk schlägt das regionale Wetter gern Kapriolen und zeigt sich abwechselnd von seiner schönsten und stürmischsten Seite – ein plötzlicher Regenguss auf tückischer Bergstrecke ist hier keine Seltenheit. Doch davon lässt sich kein Teilnehmer abschrecken: Unbeirrt wird einfach der Mantelkragen hochgeschlagen und weiter gen Ziel gerast.

Brescia repräsentiert den Mercedes-Benz-eigenen Rennsportsgeist bei der Mille Miglia.
In Brescia sind die Bürgersteige der Viale Venezia schon dicht gesäumt, lange bevor die ersten Wagen eintreffen – und ihre Fahrer aus dem Nähkästchen plaudern. Nicht nur das Mercedes-Benz Pan Americana SL-Team freute sich über „keine technischen Probleme und deutlich mehr Spielraum als erwartet in Sachen Tempo und präzises Handling.“ Kein Wunder, denn viele dieser Fahrzeuge sind gleichzeitig Wunderwerke präziser Technik und absolute Kunstwerke. Andere, wie die US-amerikanische Tribute-Fahrerin Sylvia Oberti, die die Strecke allein zurücklegte, beschreiben die Mille Miglia als „einen wahren Ausdauermarathon. Mein Auto ist quasi über die Ziellinie gehumpelt.“ Und der wahre Sportsgeist der Veranstaltung zeigt sich, als einige Autos,
denen schlicht die Kraft für die letzten paar Hundert Meter fehlt, bereitwillig von ihren Konkurrenten bis ins Ziel geschoben werden.

Die Mille Miglia ist und bleibt der eigentliche Grund für das Rennen.
Wenn man einmal von den blutunterlaufenen Augen, blass-müden Gesichtern und eingefallenen Schultern absieht, dann steht jedem der teilnehmenden Fahrer angesichts der Bedeutung dieses historischen und ehrenhaften Rennens ein glückliches Grinsen ins Gesicht geschrieben. Regine Sixt im Mercedes-Benz 300 SL dazu: „Es ist so aufregend, dass ich gar nicht müde sein kann!“
Einige Fahrer springen aus ihren Autos, um sich gegenseitig zu gratulieren, ein herzliches Schulterklopfen entgegenzunehmen oder für Fotografen zu posieren. Selbst in Mailand, am Folgetag, lässt sich eine Dame beim Anblick des Pressepasses mit historischem Rennlogo zu einem aufgeregten "Ah! La Mille Miglia, la corsa più bella del mondo. Molto molto bella!" hinreißen.