
Die Toten führen Krieg gegen die Lebenden
Vier Menschen auf einer wilden Flucht: Francine, Steve, Roger und Peter haben die Großstadt Philadelphia verlassen, in der das Chaos regiert, seit sich die Toten, neu belebt durch eine unbekannt Kraft, aus ihren Gräbern erheben und über die Lebenden herfallen, um sie zu fressen. Nur ein Schuss ins Gehirn kann die Zombies stoppen, die ansonsten keine Angst oder Mitgefühl kennen. Ihre schiere Übermacht hat die USA in eine existenzielle Krise gestürzt. Die Regierung ist ratlos, die Bürger sind mit der Situation genauso überfordert wie die Behörden. Der Widerstand ist schlecht geplant, die lebenden Leichen scheinen allmählich die Oberhand zu gewinnen.
Steve fliegt für den Verkehrsfunk eines Senders einen Hubschrauber. Er dient dem zufällig zusammengewürfelten Quartett als Fluchtvehikel. Doch wohin soll man sich wenden? Überall im Land warten die Zombies, schießwütige Militärs oder gewaltbereite Milizen. Der Treibstoff ist knapp. Jede Zwischenlandung entwickelt sich zum Glücksspiel. Mehrfach kommt man nur zufällig mit dem Leben davon. Ein Wandel scheint sich erst abzuzeichnen, als im Hinterland ein gewaltiges Einkaufszentrum in Sicht gerät. Zwar haben sich auch hier die Zombies schon Einlass verschafft, doch das mit Lebensmitteln, Waffen und anderen für das Überleben wertvollen Gütern vollgestopfte Haus ist relativ einfach zu verteidigen. So beschließen die Flüchtlinge, hier Zwischenstation zu machen, sich zu versorgen und zu verschnaufen.
Aber der Frieden ist trügerisch. Mehr Zombies als gedacht schleichen durch die endlosen Gänge. Die vier Überlebenden sind untereinander uneins, Streit bricht aus und schwächt die Aufmerksamkeit. Dann werden Plünderer auf das Zentrum aufmerksam. Peter, Roger, Steve und Francine betrachten die Fremden als Konkurrenten und lästige Zeugen, die es wie die Zombies auszuschalten gibt. Auf den Ebenen des Kaufhauses kommt es zum mörderischen Kampf zwischen Eroberern und Verteidigern. Und geduldig warten in jedem dunklen Winkel die lebenden Toten auf ihre Gelegenheit, die kommen wird…
Die Lebenden sind gefährlicher als die Toten
";When there's no more room in hell, the dead will walk the earth”. Wieso sie dies tun, bleibt ungeklärt. Es ist eigentlich auch gar nicht wichtig; ein erster Pluspunkt für George A. Romero, der das 1978 sehr gut wusste, folglich keine Zeit auf ";Erklärungen” verschwendete, sondern statt dessen die Geschichte erzählte, welche ihn eigentlich interessierte: Wie verhalten sich Menschen in einer wirklich ernsten Notlage?
Romeros Zombies sind ihre Auslöser. Darin erschöpft sich ihre Aufgabe im Grunde auch. Bei nüchterner Betrachtung basiert ihre Gefährlichkeit auf ihrer Zahl und ihrer Präsenz. Ansonsten sind sie bar jeglicher Intelligenz, sondern werden allein von Instinkten und vom Hunger nach Menschenfleisch gesteuert. Sie können keine Pläne schmieden, sind langsam; behält man einen kühlen Kopf, kann man sie per Schuss in den Schädel wie Tontauben abschießen.
Der springende Punkt ist laut Romero indes, dass es den Menschen nicht gegeben ist sich zu verbünden, eine Taktik gegen den unheimlichen Feind zu entwickeln, diese zum Einsatz zu bringen und so den Sieg zu erreichen. Statt dessen regiert das Chaos. Großartig ist der Einstieg in den Roman: In Francine Parkers Sender brüllen ";Spezialisten” und ";besorgte Zeitgenossen” einander nieder, statt sich gemeinsam gegen den Feind zu stellen, den man in den Kopf schießen und anschließend verbrennen soll. Skrupellose Medien-Veteranen schüren den Streit, um noch im Angesicht der nationalen Katastrophe die Einschaltquoten in die Höhe zu treiben.
Draußen auf den Straßen kämpfen Soldaten, Polizisten und Bürgermilizen gegen das Grauen. Die schlecht organisierten Aktionen richten sich jedes Mal gegen die völlig überforderten Männer, die dem seelenlos geduldigen Gegner zum Opfer fallen oder im Wahnsinn sogar übereinander herfallen.
Eigentlich braucht diese Welt gar keine Zombies mehr; sie wird auch ohne sie zusammenbrechen. Herbe Kritik übt Romero hier an der US-Gesellschaft. Das war 1978 nicht nur möglich, sondern sogar üblich: Schon längst waren besonders die jüngeren, skeptisch gewordenen Generationen nicht mehr bereit, die überkommenen sozialen Strukturen ihrer Eltern zu übernehmen. Fragen nach dem Sinn politischer, wirtschaftlicher und kultureller Werte wurden gestellt. Darf man angebliche Minderheiten unterdrücken. Ausländische Regierungen manipulieren? Was ist in Vietnam geschehen? Wieso bespitzelt ein Präsident heimlich seine eigenen Bürger? Ist Atomkraft wirklich sicher? Was bedeutet ";Umweltverschmutzung”?
Fragen über Fragen, mit denen sich auch das Kino dieser Zeit beschäftigte: ";New Hollywood” nannte man das Phänomen. Klassiker wie ";Easy Rider”, ";Taxi Driver” oder ";Apocalypse Now” entstanden in dieser Phase – sie legten Finger auf tiefe Wunden. Den spannenden, auf die ";niederen Instinkte” zielenden Horrorfilm bringt man gemeinhin nicht mit dieser hehren Filmkultur in Verbindung, aber das ist falsch. George A. Romero gehört zumindest in eine Nische von ";New Hollywood”. Bereits 1968 hatte er in ";Night of the Living Dead” (dt. ";Die Nacht der lebenden Toten”), dem ersten Teil seiner Zombie-Trilogie (die 1985 durch ";Day of the Dead” komplettiert und 2005 durch ";Land of the Dead"; eher konterkariert wurde), die Invasion der lebenden Toten mit harscher Kritik gekoppelt.
Romeros Zombies sind folglich in erster Linie ein Symbol dafür, was schief läuft in Amerika. ";Dawn of the Dead” ist – man muss es deutlich sagen und der Roman bestätigt es – keine echte Weiterentwicklung dieser Ideen, sondern ein Luxus-Remake. Zu diesem Zeitpunkt bekam Romero, sonst ein ";unabhängiger” Filmer, Geld aus Hollywood in die Finger. Im Vergleich mit dem üblichen Mainstream war ";Dawn of the Dead” 1978 dennoch ein Ereignis: ein intelligenter Splatter mit Botschaft, den sogar das Kritiker-Establishment würdigte.
Der Roman zum Film legt indessen das ausgesprochen simple dramaturgische Gerüst des durch seine Bilder lebenden Meisterwerks offen. ";Dawn of the Dead” ist kein wirklich ";teurer” oder komplexer Film. Die Schauplätze beschränken sich auf das Filmstudio, einen Straßenzug in Philadelphia, einen verlassenen Flughafen und schließlich das Einkaufszentrum. Die Apokalypse einer Welt im Würgegriff der Zombies stellt sich nur in Ausschnitten dar. Das funktioniert sogar, aber vor allem ist es in der Produktion billig.
Dem Roman tut diese Beschränkung nicht gut. Er muss durch Worte wirken, die ihn statisch wirken lassen, sobald die Handlung im Großkaufhaus zur relativen Ruhe kommt. Nunmehr kämpfen Flüchtlinge gegen Plünderer und Zombies. Das wirkt spannend, wenn man es sieht, ist aber Routine, muss man es lesen: Simple Action verdrängt die Ebene der Hinterfragung, ein Aspekt, der natürlich der nur noch der reinen Unterhaltung geschuldeten Verfilmung von 2003 sehr zugute kommt.
Sind d a s die Überlebenden?
Vier Musketiere gegen die Zombies – das Muster ist bekannt & bewährt. Auch Romero hält sich daran. Steve, Francine, Peter und Roger sind ";Typen”, die bestimmte Bevölkerungsgruppen repräsentieren. Auf den ersten Blick sind sie typische US-Amerikaner (allerdings des Jahres 1978), Durchschnittsmenschen, die in die Krise geraten. Vor einem Vierteljahrhundert ließ sie dies nicht zwangsläufig über sich selbst hinauswachsen, wie dies heute (wieder) Kinostandard geworden ist.
Francine ist natürlich die Alibifrau des Teams. Beruflich ist sie als Sendeleiterin emanzipiert und taff, privat unabhängig. Doch als die Zombies über sie kommen, setzen sich uralte Klischees rasch wieder durch. Ständig verliert Francine die Nerven, reagiert gefühlsgesteuert und damit falsch, muss gerettet werden, wiegelt als ";love interest” die Männer gegeneinander auf.
Das stört den Leser gewaltig. Allerdings verhalten sich die Männer auch nicht gerade kopfstärker. Roger und Steve sind jeder auf ihre Weise ebenfalls schwach. Wenn es so etwas wie einen ";Anführer” gibt, so nimmt Peter diese Rolle ein. Er ist zudem schwarz, was 1978 noch deutlich provokanter wirkte: Peter ist nicht mehr der ";gute Neger”, der sich anpasst und vor den weißen ";Herren” kuscht. Er ist selbstbewusst und wesentlich krisentauglicher als seine Gefährten. Das Unrecht der Vergangenheit hat freilich tiefe Narben hinterlassen. Auch Peter lädt deshalb nicht zur Identifikation ein. In seiner Rolle ist er eine Fortentwicklung des charismatischen Ben aus ";Night of the Living Dead”.
Die Zombies sind wie schon angesprochen Romeros genial gewählter Katalysator, der die ohnehin morsche Gesellschaft zum Einsturz bringen könnte. Nicht ";rote”, ";gelbe” oder andersfarbige Feinde aus dem Ausland oder aus dem All attackieren ";God’s Own Country” dieses Mal. Es sind Amerikaner, die andere Amerikaner anfallen. Die einen sind tot, die anderen nicht, aber es sind doch Familienmitglieder, Freunde, Landsleute. Kein Wunder, dass die ";Zombie-Experten” nicht durchdringen mit ihrem ";Rat”, diese neuen ";Mitbürger” auf drastische Weise auszuschalten. Kein Wunder, dass nicht mannhafte Verteidigung in Pioniertradition, sondern quasi Bürgerkrieg die Folge ist.
Bürgerkrieg – und Anarchie: Die braven Amerikaner verwandeln sich in der Krise eher in Plünderer und Barbaren als in Kampfgefährten. Soldaten, Polizisten und andere Ordnungskräfte tun da kräftig mit – auch das 1978 noch stärkerer Tobak. Das Großkaufhaus, Symbol des dollargestützten Rund-um-die-Uhr-Konsums, verwandelt sich in eine Steinzeithöhle, vollgestopft mit gerade noch heiß begehrten, nun aber unnötig gewordenen Dingen. Niemand ist wirklich sympathisch in dieser Geschichte, die jedoch – so traurig es sein mag – trotz der bizarren Zombies in dieser Hinsicht ausgesprochen ";realistisch” wirkt.

Dawn of the Dead
- Autor: George A. Romero
- Verlag: Goldmann
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Das "Director\'s Cut" von "Dawn of the Dead" ist zweifelsohne der deprimiere, tiefgehendste, schönste, anregendste und faszinierendste (Horror-)Film, den ich je gesehen habe. Selten hat mich etwas vergleichbares so sehr in den Bann gezogen wie jener Endzeitthriller. Das Produkt thematisiert die Frage nach dem Leben nach dem Tod, die Erforschung und der Umgang einer unerklärlichen Erfahrung.
Alles beginnt an einem schönen Sommernachmittag.
Der Himmel ist blau, die Sonne strahlt, es riecht nach Hotdogs und Wasserstrahler sorgen für die kühle Abwechslung. Ana, die Krankenschwester, lebt den amerikanischen Traum - bis die Welt untergeht. Binnen weniger Stunden hat der Ausbruch einer Seuche die gesamte Bevölkerung fast ausgerottet. Doch die Toten finden einfach keine Ruhe. Um ihren Hunger nach Fleisch und Blut zu stillen erwachen sie und machen Jagd auf die Überlebenden. Die ersten 10 Minuten lassen den Zuschauer den Wahnsinn erleben, der in einem entvölkerten Amerika der Zukunft stattfindet. Es stellt sich die Frage, wie alles so kommen konnte und warum die Welt so wurde wie sie ist? Was geschieht wenn ich von dieser tödlichen Plage heimgesucht werde und mein Leben lang gebunden bin an die Folgen meiner Handlung ? Was habe ich aus meinem Leben gemacht? In der Tat sind die Untoten das Symbol für die Hölle. Instinktgeleitete Kreaturen (die wie Katastrophenopfer aussehen) besuchen den Ort an dem sie früher einmal glücklich waren - das Einkaufszentrum, die Inkarnation der modernen Welt. Eine Gruppe hilflos Verzweifelter (unter ihnen Ana) findet dort Zuflucht, doch die vermeintliche Festung entpuppt sich binnen weniger Stunden zum klaustrophoben Alptraum. An dieser Stelle lässt sich erkennen, dass es zu einfach ist, dieses Produkt als primitiv und trivial abzustempeln, denn das wird nicht dem Zweck und der Bestimmung gerecht. Auf der einen Seite ist sicher ein gewisses Maß an Unterhaltung gegeben, aber unterschwellig enthält "Dawn of the Dead" Kritik gegenüber dem dümmlich-kulturarmen Leben in den USA, dass von Menschen beherscht wird, die versuchen mit Prestigesymbolen wie Autos ihre anderweitigen Defizite zu kompensieren, gegenüber den menschenfeindlichen Systemen, die kategorisch Außenseiter entstehen lässt und gegenüber der Neudifferenzierung von Werten wie der Liebe zu Mitmenschen (Ana und Michael), Produkten (Konsumgüter im Kaufhaus) und höheren Prinzipien (der TV-Priester in seiner Rede am Abend nach Ausbruch der Epidemie).
Die letzte Bastion der Menschheit muss nicht nur versuchen, sich aus dem Würgegriff der Untoten zu befreien, sondern vor allem auch lernen mit sich selbst auszukommen. Abgeschottet von der Außenwelt - oder dem was einmal die Außenwelt war - bestreiten sie einen gnadenlosen Kampf ums Überleben und einen noch aussichtsloseren Kampf um die letzen Überreste Menschlichkeit. Die Konsequenz während des Films und sicher erst recht danach, ist die Frage was Menschen tun können wenn sie alleine sind. Immer wieder kommt die Frage auf den Zuschauer an sich zurück, der sich gut mit den vielen unterschiedlichen Charakteren identifizieren kann. In einer Welt ohne Sicherheit, ohne Familie, ohne Ordnung - wie kann da die Zukunft aussehen? Der Fluchtversuch von Ana, Michael, CJ, etc. ist ja nur kurzfristig, denn auch "in einer anderen Welt" wird nichts mehr sein wie früher. Das sind dann auch die Passagen die den Film so ungeheuer traurig machen. Beispielsweise als Ana, Terry und Kenneth auf dem Dach stehen und sich fragen was die Verpesteten anzieht und Kenneth andeutet, dass dies Menschen sind, die wieder zu ihren Wurzeln zurückgelangt sind und jetzt ihren Hunger an menschlichem Fleisch stillen wollen. Oder der farbige Priester der verkündet, dass Gott die Menschen dafür bestraft, dass sie Leben im Mutterleib zerstückeln und die Weltordnung des Herrn verletzt haben. Hier bedient sich der Movie sogar thematisch der Bibel, denn dort ist im alten Testament und in der Offenabrung des Johannes davon die Rede, dass die Toten auferstehen und umherwandeln werden.
Wenn in der Hölle kein Platz mehr ist -
Kommen die Toten zurück auf die Erde.
Die wissenschaftliche Analyse kommt sicher etwas zu kurz und auch die actionreichen Schießereien lassen "Dawn of the Dead" gegen Ende etwas zäh werden. Optimierter ist im Gegenzug der Einsatz von Gewaltszenen, denn diese dienen nicht der Erschreckung (dafür sind sie aufgrund videoclipartiger Vernetzung zu unspektakulär), sondern der Untermalung der Handlung. Gerade einmal vier Gewaltszenen in 105 Minuten verdeutlichen, dass es hier nicht der oft betonte "Splatter/Gore" ist, den man erwarten könnte, sondern ein vielseitiger und ergreifender und musikalisch phantastisch unterstrichener Spielfilm, in dem eine Handvoll Menschen versucht, im letzten Gefecht zwischen Gut und Böse, die Zivilisation zu retten.
5 * 5 Punkte !