
Monumentale Space Opera mit klassischem Plot
Seher, Dweller, Archimandrit, Hungerleider-Kult – da gilt es zunächst Begriffe zu sortieren und zu verinnerlichen und ein wenig Klarheit zu schaffen, um sich ein erstes Bild von Banks' gigantischen Zivilisationen zu machen. Dazu geht es wild in den Zeiten hin und her. Überhaupt die Zeiten: selbst die Zeit ist keine feste Größe mehr. Da läuft nichts mehr so einheitlich, wie wir es gewohnt sind. Andere Völker können ihre Wahrnehmung so verändern, daß ihre Zeit langsamer vergeht, da muß man sich eben anpassen, um Kontakt herzustellen. Logik und Sinn dieser Sache haben sich mir in der beschriebenen Art und Weise jedoch nicht ganz erschlossen, so als ob Banks den Gedanken nicht zu Ende gedacht hätte.
Dennoch eine Aufgabe, die für den Protagonisten von Iain Banks' neuestem Roman, den ";Seher"; Fassin Taak aus dem Ulubis-System, nicht neu ist. ";Seher"; ist in diesem Falle keine Bezeichnung für einen Hellseher oder eine Person mit übersinnlichen Fähigkeiten, sondern eher als ";Beobachter"; zu verstehen. Fassin Taak beschäftigt sich in seinem Beruf mit dem Volk der Dweller, einer Milliarden Jahre alten Zivilisation von großen Wesen, die fast unendlich lange leben und zumeist abgeschieden von anderen Völkern Gasriesen der Galaxis bevölkern und denen man – da man so wenig über sie weiß – das eine oder andere Geheimnis andichtet. Obwohl sie zeitweise kindlich naiv dargestellt werden, sollen sie über Technologien verfügen, die sie anderen weit überlegen machen. Alleine schon durch diesen Respekt lässt man die Dweller lieber in Ruhe ihr eigenes Leben leben. Fassin ist einer der wenigen, mit dem die Dweller überhaupt Kontakt pflegen.
Die Jagd auf die Wurmlochverbindungen
Langsam, fast behäbig startet ";Der Algebraist"; trotz der Dynamik in der Sprache vor allem bei der Beschreibung der Charaktere und der kolossalen Atmosphäre. Das Buch beginnt mit einem Prolog, in dem sich der Erzähler selber vorstellt. Im Nachhinein betrachtet macht dieser Prolog wenig Sinn, da die Story nicht direkt aus Sicht eines Erzählers geschildert wird. Der Stil des Buchanfangs ist so unterschiedlich, daß man nicht recht weiß, was auf einen zu kommt. Schöne Landschaftsbeschreibungen, dazwischen eine Story aus Fassins Jugend und dann als (negativer) Höhepunkt des ersten Abschnittes die abstoßende Schilderung von Grausamkeiten, die der sadistische Psychopath Archimandrit Lusiferus seinen Feinden angedeihen lässt.
Rund 175 Seiten benötigt der schottische Autor, bis er dem Leser endlich das mitteilt, was dieser durch den Klappentext schon lange weiß: Die Dweller hüten angeblich ein großes Geheimnis. Sie sollen eine Liste mit geheimen Wurmlochverbindungen in ihrem Besitz haben, die das Reisen in den unendlichen Weiten des Weltalls für denjenigen, der diese Liste besitzt, um ein Vielfaches erleichtern würde. Nicht nur das: der Besitzer einer solchen Liste würde den Weltraum beherrschen. Fassin Taak wird beauftragt, diese Liste zu finden. Doch er ist nicht der einzige, der auf der Jagd danach ist. So macht auch Lusiferus Jagd auf die Liste, und er scheut bei seinem Ziel nicht davor zurück, ganze Völker oder Planeten auszulöschen. Das Unternehmen scheint relativ schnell zu scheitern, als Fassin erfährt, daß sein Kontaktmann bei den Dwellern gestorben ist.
Faszinierende Beschreibungen und trockener Humor
Iain Banks hat mit ";Der Algebraist"; eine fast als ";monumental"; zu bezeichnende Space Opera erschaffen mit einer Fülle von intelligenten Ideen und einem geradezu ";klassischen"; Plot. Parallelen zu Frank Herberts ";Dune"; sind unverkennbar. Seltsame Völker und ungewöhnliche Wesen mit noch viel eigenartigeren Namen bevölkern den 800 Seiten starken Roman, dessen Einband für ein Taschenbuch durchaus etwas her macht, was dennoch den recht hohen Preis nicht rechtfertigt.
Doch leider wirkt in der Story trotz des seitenfüllenden Textes vieles nur angedacht, gelegentlich verliert sich Banks in aufgeblähten Seitenhandlungen, deren Kontext sich einem nicht direkt erschließt. Er schafft es oftmals nicht, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, so daß der oft mühsam geknüpfte Spannungsbogen meist schnell wieder abreißt. Fremde Kulturen wie die faszinierenden Dweller bleiben dem Leser trotz expliziter Beschreibungen weiterhin fremd, da es dem Autor nicht gelingt, sie dem Leser wirklich nahe zu bringen. Personen und Zusammenhänge erschließen sich dem Leser wie bereits erwähnt nur sehr langsam. Da schüttet der Autor gerade zu Beginn des Buches eindeutig zu viele Namen über dem Leser aus. Auch um die globalen Zusammenhänge zu verstehen, benötigte ich einige Zeit. So blieben mir auch Beyonder und Merkatoria mit den etwas verworrenen Gesellschaftsstrukturen lange Zeit fremd. Einige Fäden werden lang und breit angelegt, verlieren sich jedoch später fast gänzlich.
Doch vermag der stilistisch gute Schreibstil von Iain Banks über vieles hinweg täuschen. Immer wieder können faszinierende Beschreibungen den Leser fesseln und auch durch seinen trockenen Humor kann er immer wieder Akzente setzen.
Sofern man an das Buch nicht mit einer überzogenen Erwartungshaltung heran geht, vermag ";Der Algebraist"; in einigen Teilen gut zu unterhalten, was aber nicht über große Schwächen hinweg täuschen kann. Eine Straffung des gesamten Textes um mindestens 25% hätte dem Werk sicherlich besser getan.

Der Algebraist
- Autor: Iain M. Banks
- Verlag: Heyne
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Dies ist das zweite Buch von Iain Banks, das ich im englischsprachigen Original gelesen habe. Ich gebe zu .. die Lektüre erfordert Konzentration, da der Roman raffiniert konstruiert ist. Aber man wird belohnt mit einem überirdischen Lesevergnügen. Banks sprüht wieder einmal vor Ideen und sorgfältig dosiertem Humor.
Nachdem ich ein Buch gelesen habe, weiß ich immer, was ich an Stelle des Authors besser gemacht hätte (bei vielen Authoren wäre meine Empfehlung, sich lieber auf etwas anderes als Schriftstellerei zu verlegen). Auch in diesem Buch finden ein paar Dinge keine Gnade vor meinem pedantischen Geist (z.B die physische Interaktion mit den angeblich 9 m messenden Dwellern und anderen Spezies ... die Burschen müssen ja deutlich schwerer als Elefanten sein, passen aber mühelos durch die Gänge eines Voehn-Schiffs ...). Banks ist aber der Autor, bei dem meine Mäkelliste am Ende der Lektüre regelmäßig am geringsten ist.
Nebenbei: Es ist wiederholt zu lesen, dass dies einer der wenigen Romane von Banks außerhalb des Kultur-Zyklus ist. Das ist nach meiner Beobachtung nur bedingt richtig, da sich im Algebraist viele Eigenschaften der Kultur bei den Dwellern wiederfinden.
Fazit: Ich habe andere SF-Romane gelesen, aber nie einen besseren. Und 99% sind handwerklich und hinsichtlich der Ideen-Dichte schlechter.
Aus Anlass einer allmonatlich vom Berliner SF-Buchladen Otherland veranstalteten Runde von SF-Lesern habe ich mir "Der Algebraist" gekauft. Bisher kannte ich Banks nur durch seine "Kultur"-Romane und wollte endlich etwas von ihm lesen, das in einem anderen Setting spielt.
Um es vorweg zu nehmen: Iain Banks wird für mich immer der Autor bleiben, der mit der "Kultur" einen hochinteressanten Gesellschaftsentwurf geschaffen hat, der für eine Art von Spannung sorgt, die er ohne sie - zumindest im Algebraist - nicht erreicht.
Dabei fängt "Der Algebraist" durchaus spannend an und bis zur Mitte baute sich Hochspannung auf, die über Schwächen hinwegsehen ließ. Aber in der Mitte kam die ernüchternde Einsicht: jetzt geht es noch 400 Seiten so weiter und wie es weiter geht, ist absehbar.
Die Dweller haben sich dabei als Riesenenttäuschung entpuppt. Wesen, die in Gasriesen leben, Milliarden Jahre alt werden und dabei eine krude Mischung aus Verschrobenheit und Herzlosigkeit rüberbringen. Besondere Kennzeichen: sie stehen auf Kindesmisshandlung. Das war eher ein Steampunk-Settin mit fiesen viktorianischen Ausbeutern und Kinderarbeit als eine außerirdische Kultur.
Es hat dann genügt, die restlichen 400 Seiten zu überspringen und zu lesen, wie es ausgeht. Naja.
Mit der langweiligste Schinken, den ich je gelesen habe. Es sind durchaus einige gute Ideen vorhanden, jedoch ist weder eine klare Linie zu erkennen, noch hat man es leicht der Story zu folgen. Aus dem Buch hätte man einiges machen können, mit 25% Kürzung ist es aber nicht getan.
Schade, lieber Finger weg lassen und Mickey Maus lesen.
Die Beschreibungen der "Dweller" und ihrer vielerlei verschrobenen Lebensweisen war für mich höchst vergnüglich zu lesen.
Beim 2ten Lesen dieses Buches übersprang ich den Anfang und den Schluß, und las nur Fassin Taaks Reise auf diesem fantastisch-seltsamen Planeten.
Das Buch ist empfehlenswert!
Die Beschreibungen der "Dweller" und ihrer vielerlei verschrobenen Lebensweisen war für mich höchst vergnüglich zu lesen.
Beim 2ten Lesen dieses Buches übersprang ich den Anfang und den Schluß, und las nur Fassin Taaks Reise auf diesem fantastisch-seltsamen Planeten.
Das Buch ist empfehlenswert!
seltsam wie sich die Buchbeschreibung(s.oben) sich selbst charakterisiert..ich habe den Algebraist anders gelesen, ist irgendwie wie eine Reisebeschreibung mit der Konsequenz, das eigentlich nur wenig von dem was man weiß das ist wofür man es hielt.
Und mit Dune hat es nur wenig zu tun, eher mit Assimov oder LEM, aber mit sehr viel glaubwürdigerer künstlicher Intelligenz. Sehr reizvoll.