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Bernhard Renner
Das Aufziehmädchen

Buch-Rezension von Bernhard Renner Mär 2011

Stellen Sie sich vor, Sie sitzen vor ihrem Computer und müssen kräftig in die Pedalen treten, um diesen mit Strom zu versorgen. Ein Mensch, welcher nur dazu geschaffen wurde, Ihnen zu dienen, bringt Ihnen einen Tee und ein paar seltsame Früchte mit grünen Borsten, welche Sie nie zuvor gesehen haben. Sie schauen aus dem Fenster und entdecken auf der Straße viele Menschen, die mit Fahrrädern unterwegs sind und gelegentlich stampfen riesige elefantenähnliche Tiere vorüber, die schwere Lasten transportieren. Ab und zu vernehmen sie den Ruf eines der Passanten und das Posaunen der eigenartigen Lasttiere. Keine Motorengeräusche sind wahrzunehmen, obwohl Sie sich mitten in einer Großstadt befinden. So ähnlich könnte es sich anfühlen, wenn Sie sich in dem Zukunftsszenario von Paolo Bacigalupis mit diversen Preisen überhäuften Roman "Biokrieg" befinden. In gewisser Weise ist es der Debüt-Roman des amerikanischen Autors, denn bisher hat Paolo Bacigalupi ausschließlich Kurzgeschichten verfasst.

Der Autor versetzt uns in eine Welt, in der die fossilen Brennstoffe nahezu aufgebraucht sind und Energie daher zu einem raren Luxusgut geworden ist. Neue Krankheiten und Schädlinge bedrohen Flora und Fauna und haben bereits zur Ausrottung ganzer Völker geführt. Der internationale Handel ist kaum noch existent. Nationen, in denen die Lage noch nicht allzu dramatisch ist, begeben sich in vollkommene Isolation, um sich gegen die enormen Flüchtlingswellen und Krankheitserreger zu schützen. Es ist wahrlich keine rosige Zukunft, die uns in "Biokrieg" präsentiert wird. Gentechnik und Recycling heißen die Wunderwaffen in diesem Szenario. Pflanzen und Tiere werden gentechnisch manipuliert, um gegen Schädlinge und Krankheitserreger resistent zu bleiben. Es werden Tiere mit enormer Muskelkraft herangezüchtet und Leichen werden kompostiert, um ein Mindestmaß an Energieversorgung zu sichern. Selbst bei Menschen wird vor Genmanipulation nicht zurückgeschreckt, um leistungs- und widerstandsfähigere Arbeitskräfte und effizientere Militäreinheiten zu erhalten.

Eine düstere Zukunftsvision in Bangkok

Der Roman spielt in Bangkok und konzentriert sich auf die wirtschaftliche und politische Situation in Thailand. Thailand ist eine der Nationen, die durch eine rigorose Abschottung versuchen, die ohnehin kritische Lage nicht weiter zu verschlimmern. Alle importierten Güter werden aus Angst vor neuen Seuchen und Schädlingen penibel kontrolliert. Aufenthaltsgenehmigungen werden Ausländern nur selten und mit strikten Auflagen erteilt. Aufgrund einer gut ausgestatteten Saatgutbank ist die Ernährungssituation in Thailand noch gesichert. Während die Bedrohung von außerhalb des Landes weitestgehend unter Kontrolle ist, spitzt sich die Lage aber im Inneren zu. Das Handels- und das Umweltministerium streiten sich um die Vormachtstellung in Thailand und die Gentechnikkonzerne streben ebenfalls nach mehr politischen Einfluss.

Die Handlung wird aus fünf Perspektiven erzählt, welche sich zunehmend miteinander verflechten. Anderson Lake ist ein Manager aus den USA und besitzt zum Schein eine Spannfeder-Fabrik in Bangkok. Sein eigentliches Interesse liegt aber darin, sich Zugang zu der wohlgehüteten Saatgutbank von Thailand zu verschaffen. Die Spannfeder-Fabrik wird geleitet von Hock Seng, einem geduldeten chinesischen Flüchtling. Hock Seng führte einst ein mächtiges Handelsimperium in Malaysia. Er wurde durch radikale Islamisten aus Malaysia vertrieben und verlor dabei seine gesamte Familie sowie seinen Reichtum. Nun rechnet er damit, in absehbarer Zeit erneut fliehen zu müssen und bereitet sich so gut wie möglich darauf vor, um ein erneutes persönliches Desaster zu verhindern. Jaidee Rojjanasukchai ist Hauptmann der Weißhemden. Die Weißhemden arbeiten im Auftrag des Umweltministeriums und sollen den Einfluss der Großkonzerne und Ausländer eindämmen, Seuchen und Krankheiten bekämpfen sowie die Saatgutbank Thailands beschützen. Jaidee ist unbestechlich und davon überzeugt, für eine gerechte Sache zu kämpfen. Vom Volk wird er als Held gefeiert, jedoch dem Handelsministerium und den Konzernen ist er ein Dorn im Auge. Unterstützt wird Jaidee von Kanya, deren Dorf durch die Weißhemden zerstört wurde, als sie noch ein Kind war. Kanya hat sich bei den Weißhemden eingeschlichen, um sich zu gegebener Zeit für das Massaker zu rächen. Die letzte, jedoch wohl wichtigste Protagonistin ist Emiko, eine der "neuen Menschen". "Neue Menschen" sind mittels Gentechnik erschaffene Menschen. Emiko wurde von Japanern erschaffen und zu absoluten Gehorsam erzogen. Sie verfügt über stark verengte Poren für eine glattere Haut, weshalb sie nicht in der Lage ist zu schwitzen und daher schnell überhitzt. Sie kann sich sehr schnell bewegen, die Bewegungen in Normalgeschwindigkeit wirken jedoch sehr abgehackt, weshalb sie auch als "Aufziehmädchen" tituliert wird. Emiko wurde von Ihrem Besitzer in Thailand zurückgelassen. Die neuen Menschen werden von den Thailändern als widernatürlich und seelenlos angesehen und zutiefst verachtet. Ohne ihren Herren hält sie sich illegal in Thailand auf und müsste eigentlich entsorgt ("kompostiert") werden. Sie versucht mit allen Mitteln, diesem Schicksal zu entgehen.

Keiner der fünf Protagonisten ist ein echter Sympathieträger, vielleicht am ehesten noch Emiko, das "Aufziehmädchen". Alle haben ihre Ecken und Kanten, was sie umso echter erscheinen lässt. Durch die fehlende Identifikationsfigur bleibt eine gewisse Distanz zum Leser erhalten, was der Spannung allerdings keinen Abbruch tut.

"Biokrieg" ist kein Frottee-Bademantel und alles andere als ein leicht verdauliches Lesevergnügen. Humor und Optimismus sucht man auf den rund 600 Seiten vergebens. Paolo Bacigalupi zeigt uns mögliche Konsequenzen unseres Handelns auf und erinnert uns daran, welche Verantwortung wir für die Zukunft tragen. Zu kritisieren gibt es erstaunlich wenig. An einigen Stellen tauchen redundante Informationen auf und stilistisch hätte ich mir etwas mehr Einfallsreichtum gewünscht. "Biokrieg" ist ein dystopischer Wissenschafts-Thriller, der nachhaltig zu Nachdenken anregt und dennoch ungemein spannend ist. Einigen Unkenrufen zum Trotz: Das Genre Science-Fiction lebt, dieses Buch ist der Beweis.

Biokrieg

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Letzte Kommentare:
20.07.2014 19:57:08
Martin Jahn "madass5"

Dies ist einer der besten SF-Romane, die ich in letzter Zeit gelesen habe, durchaus zu vergleichen mit Romanen wie 'Diamond Age', oder 'Snow Crash', William Gibsons 'Neoromancer, oder den Romanen von Lucius Shephard (Life during Wartime). Allerdings ist die SF mittlerweile auch in der Gegenwart angekommen. Das heißt, keine neuen technischen Errungenschaften, keine Space Opera, oder tolle Cyberspielereien. Nein, hier wird eine Welt geschildert, in der es so gut wie keine fossilen Brennstoffe mehr gibt. Die wenigen Computer werden mit Tretpedalen betrieben. Energie kommt aus gewaltigen Spannfedern, oder Gen gezüchteten Mogodonten (Eine Kreuzung aus Mastodon und Elefant). Überhaupt, durch Gentechnik ist so ziemlich jede natürliche Lebensform ausgerottet oder unmittelbar bedroht. So sind viele Arten von Pflanzen mittlerweile ausgestorben, da sie gegenüber den genmanipulierten nicht resistent genug sind. Auch die Schädlinge sind aggressiver geworden. Neue Krankheiten haben ganze Völker ausgerottet. Die großen Nationen sind zerfallen. Nur Thailand ist es durch eine rigorose Abschottung gelungen, eine gewisse Unabhängigkeit zu behaupten. In dieser Welt spielt also der Roman. Er hat vier Handlungsstränge, die sich immer mehr miteinander verknüpfen. Da ist Kanya, Hauptmann im Umweltministerium, das rigoros über die Einhaltung der Abschottung wacht, oder besser wachen soll. Kanya ist eine junge Frau, deren Dorf durch die Weißhemden des Umweltministeriums, als sie Kind war zerstört wurde. Nur deswegen hat sie sich unter die Weißhemden eingeschlichen, um an ihnen zu gegeben Zeit Rache zu üben. Der andere Protagonist ist ein Farang (so werden in Thailand Westler genannt) mit Namen Anderson. Er leitet zum Schein eine Fabrik in Thailand, die Spannfedern herstellt. sein eigentliches Anliegen ist aber, dass er an die Samenbank von Thailand kommen will. Ein weiterer Protagonist ist Andersons Sekretär und Untergebener Hock Seng, ein Yellow Card, so nennt man die chinesischen Flüchtlinge aus Sri Lanka, Malaysia oder Birma, die geduldet oder illegal in Thailand leben. Hock Seng hatte früher, bevor es zur Vertreibung durch radikale Islamisten aus Malaysia kam, dort ein mächtiges Handelsimperium. Jetzt hat er alles verloren, seine Familie, seinen ganzen Reichtum und muss sich als Handlanger für einen Farang verdienen. Er sinnt die ganze Zeit darauf, wieder zu Reichtum und Ansehen zu kommen. Die letzte Protagonistin ist Emiko, eine Aufziehmädchen. Ein Aufziehmädchen ist ein von Japanern geklontes Wesen, das zum Dienen erschaffen worden ist. Emiko ist von ihrem letzten Herrn bei dessen letztem Thailandbesuch einfach in Thailand zurückgelassen worden. Aber ohne ihren Herrn hält sie sich illegal in Thailand auf und müsste eigentlich entsorgt werden. Sie findet in einem Nachtclub und Bordell Unterschlupf. So, mehr möchte ich wirklich nicht verraten. Der Roman ist sehr spannend, und ich konnte ihn kaum aus der Hand legen. Ein wirklich großartiges Science-Fiction-Lesevergnügen. Sehr empfehlenswert.
PS: Den Titel 'Biokrieg' finde ich nicht so gelungen, besser wäre es gewesen den Originaltitel aus dem Englischen zu übernehmen: Aufziehmädchen.

23.04.2011 13:13:50
asil

Ein Buch, ich würde sagen, wie kein Anderes. Obwohl ich mit keinem Charackter so richtig mitgefiebert habe, wenn überhaupt nur mit dem Aufziehmädchen Emiko, und ich alle eigentlich nicht wirklich sympatisch fand, so wollte ich doch immer wissen was als nächstes passiert. Durch diese Distanz zu den Charackteren ist es einem mitunter sogar "egal" was genau passiert, weil man nicht mit einer Person sympatisiert und somit auch nicht enttäuscht sein muss, dass diese nicht erreicht hat was sie wollte. Außerdem ist es erfrischend, dass keine typischen Held, Bösewicht Figuren auftreten - keine Schwarz-Weiß Malerei. Besonders bei Kanya, Honck Seng und Gi Bu Seng hat mir sehr gefallen, dass man nicht so richtig wusste für wen sie eigentlich gerade kämpfen - und manchmal wussten das die Characktere wohl selbst auch nicht.
Wer auf der Suche nach einer romantischen Liebesgeschichte ist sucht hier vergebens...
Besonders toll fand ich, den Denkansatz des Buches, der sich damit außeinandersetzt wohin der Wunsch, des Menschen, nach Pefektion wohl für ihn, selbst so unperfekt, hinführen wird.
Ich bin begeistert!

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