
Der Tod und das Märchen
In Paris fällt ein Flugzeug vom Himmel und der vermeintlich einzig Überlebende bekommt alsbald Besuch von einer tödlichen Verführung. In Minsk verblutet ein Proband bei einer fragwürdigen Operation, ohne dass es die Umstehenden berührt. Währenddessen hantiert Konstantin Korff in aller Ruhe in Leipzig an seinen Leichen herum - denn der Tod ist sein Beruf, seine Berufung und sein Fluch gleichermaßen. Sein Schlaf bringt anderen den Tod - nur er selbst kann nicht sterben.
"Die Idee mit der Unsterblichkeit ohne Vorteile gefällt mir übrigens. Du solltest ein Buch daraus machen. Es ist tragisch und romantisch und sehr gruselig. Wie in einem traurigen Märchen." [S. 141]
Diese Idee trägt den Thriller rasant über sechshundert Seiten und eine Handvoll Hauptfiguren durch ebenso viele Länder. Die Abwechslung ist versprochen und wird bereits am vielseitigen Protagonisten offenbar.
Mag man zu Beginn noch glauben, dass es sich bei Korff um einen übertrieben attraktiv entworfenen Charakter handelt - cooler Beruf, cooler Sport, düsteres Geheimnis, charmante Eigenheiten und guter Musikgeschmack -, so muss man, wenn man all diese Wunderbarheiten nach dem ersten Drittel des Buches verdaut hat, feststellen, dass Korff tatsächlich eine ziemlich coole Sau ist. Man hat ihn gern, auch wenn er zwar schick, aber zuweilen planlos durch die Ereignisse schlittert, die er selbst provoziert.
Die Geschichte besticht durch ihr Tempo, garniert mit Aktionsequenzen samt dem Quäntchen neuer Ideen, und eben einem Helden, der genau richtig dosiert charmant, sportlich und intelligent ist, um umwerfend sympathisch zu sein.
Wovon Korff bei aller Fachkenntniss für tausenderlei Dinge nichts versteht, sind Frauen. Das ist nicht weiter schlimm, denn deren Charaktere sind eher dürftig arrangiert, um den Fokus nicht von ihm abzulenken. Es gibt die überaus blasse holde Maid, eine Art Bond Girl und die undurchsichtige Gegenspielerin, die so viele Facetten hat, dass man niemals schlau aus ihr wird. Das soll man wohl auch nicht, immerhin steht der Held Korff im Mittelpunkt und lässt nur einen weiteren Mitspieler neben sich gelten: den Tod. Und der ist das eigentliche Thema.
Anspielungen, Blickwinkel, Geschichten, Sprichworte, Umgang, Gedanken ... Oneiros ritzt an allen Ecken dieses gigantischen Sujets, ohne Bedenken, sich zu verzetteln. Vielmehr spürt man die Freude des Autors, sich auf einem Gebiet auszubreiten, das unendlich ist. Es geht nicht darum, das Thema abzuarbeiten, aufzuarbeiten oder zu umreißen. Es geht darum, keine Angst davor zu haben.
Und so schafft "Oneiros" etwas Perfides: Dem Tod die Maske der Angst zu nehmen. 'Der Schnitter' wird zur Figur, die nicht auftritt und doch allgegenwärtig ist. Die Toten stapeln sich im wahrsten Sinne des Wortes, die Szenarien übertreffen sich an Unglaublichkeit - und werden so unglaubwürdig. Man verliert den Schrecken vor den sinnlos Verstorbenen. Man akzeptiert den Tod als Nebendarsteller, als unsichtbaren Gegenspieler, und liest diese phantastische Geschichte irgendwann als eines der Märchen über den Tod, die Korff selbst immer wieder hervorkramt. Umso pfiffiger ist das letzte Kapitel.
Ein metaliterarischer Ouroboros
Heitz' Erzählstil kommt zuweilen etwas chaotisch daher - was zum einen die Geschwindigkeit der Geschichte und die Komplexität des Themas unterstreicht, zum anderen aber chronologische Unstimmigkeiten bezüglich der Tageszeiten provoziert. Wer bereit ist, solche Kleinigkeiten zu ignorieren, darf sich auf einen Parkour durch Länder, Städte und Viertel freuen, deren Stimmungen lediglich grob umrissen werden - was völlig ausreicht, denn hier steht ganz klar die Handlung im Vordergrund. Und von der gibt es jede Menge.
Schlagseite hat der Roman auf der sprachlichen Ebene. Aufmerksamen Lesern wird nicht entgehen, dass das Konglomerat aus Lektorat, Korrektorat und Satz geschusselt hat. Vermeidbare Wortwiederholungen, Unsauberkeiten im Gebrauch der Zeitformen und Druckfehler irritieren den Lesefluss. Das ist ein Stück weit unverständlich, da sowohl der Autor als auch das Verlagshaus große Namen tragen. Auch hätte man dem Lektorat ein wenig mehr Mut mit dem Rotstift gewünscht, denn Heitz zeigt zuweilen eine sprachliche Tendenz zum Zuviel. Ein einzelner Sachverhalt in zwei unterschiedlichen Sätzen; Ausdeutungen, die besser in Andeutungen verblieben wären - hier nimmt der Autor seinem Leser das Selbst-Verstehen, das Eigen-Erkennen. Das ist insofern schade, als dass die Thematik des Ablebens viel Raum für persönliche Gedanken lässt und stets neue Aspekte eingebracht werden, die mystischer wären, ließe man sie weniger kommentiert.
Lobend zu erwähnen sind die Kapitelzitate, die punktgenau gewählt sind und jede eine eigene Weisheit beherbergen, die dem Leser schon deshalb nahegehen, weil "der Gevatter" eben niemandem fremd ist.
Die Wortwahl ist allgemein eine eher schlichte, jedoch angenehm irritierend, wenn sie durch ausgefallene Vokabeln wie 'Nachtgeruch' oder 'Tagwerk' unterbrochen wird. In "Oneiros" verzahnt sich moderne Sprache mit beinahe ausgestorbenen Worten so selbstverständlich wie das traditionelle Thema Tod mit moderner Waffentechnik.
Die Verwunderung über den ungewöhnlichen Erzählstil legt sich, wenn man Markus Heitz einmal persönlich reden hört. Dann wird deutlich, dass der Autor und sein Erzähler dieselbe Sprache sprechen; man hört Heitz in seiner Geschichte - was ein enormer Zugewinn ist. Wer Markus Heitz noch nicht leibhaftig lauschte, sollte zu einer seiner Lesungen gehen. Auch, weil sie irrsinnig unterhaltsam sind. Wie dieser Roman.
(Hanka Jobke, Dezember 2012)

Oneiros - Tödlicher Fluch
- Autor: Markus Heitz
- Verlag: Droemer-Knaur
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[B]Meine Meinung:[/B]
Vor einiger Zeit habe ich den Roman „Totenblick“ von Markus Heitz gelesen. In dem Buch gab es eine Figur, die mich besonders faszinierte: der geheimnisvolle Bestatter Konstantin Korff. Im Anhang war zu lesen, dass genau dieser eine große Rolle in einem anderen Roman spielt, eben in dem Buch „Oneiros“. Das hat mich natürlich neugierig gemacht.
Das Cover ist sehr dunkel, fast schwarz mit ein wenig grau. In der Mitte ist ein Ring mit einem Totenkopf zu sehen. Innerhalb dieses Schmuckstückes steht der Titel des Buches.
Nach dem ungeklärten Absturz eines Airbusses in Paris bekommt der bekannte Bestatter Konstantin Korff den Auftrag aus der französischen Hauptstadt, ein weibliches Opfer für die Beerdigung herzurichten. Er selber trägt ein dunkles Geheimnis mit sich: Sobald er einschläft, kommt der Tod und holt sich alle Lebenden in seiner direkten Umgebung. Während seiner Reise trifft er einen alten Freund, der ihm Hoffnung macht, eine Möglichkeit zu finden, den Fluch zu besiegen. Allerdings wird er nach und nach auch in immer merkwürdigere Geschehnissen mit hineingezogen, wobei das Flugzeugunglück eine wichtige Rolle spielt.
Der Roman beginnt mit einem Prolog, in welchem der Absturz des Flugzeuges aus Erzählersicht geschildert wird. Dies ist ein spannender Auftakt. Danach lernte ich Konstantin Korff richtig kennen. Er ist ein sympathischer Charakter, der mit allen Tricks versucht, den Todesfluch zu umgehen. Dann gibt es noch den mysteriösen Herrn Thielke, den ich zu Anfang gar nicht ein ordnen konnte, auf welcher Seite er steht und welche Rolle er spielt. Unheimlich ist mir dagegen die Forscherin Kristin: Sie lässt grauenhafte menschliche Experimente an ihrem Institut in Russland durchführen. Dabei hat sie aber sehr persönliche Ziele vor Augen.
Die Kapitel sind übersichtlich, mir fiel es nicht schwer, die verschiedenen Handlungstränge mit den unterschiedlichen Protagonisten auseinanderzuhalten. Immer wieder gab es auch überraschende Wendungen, die dafür sorgten, dass es niemals langweilig wurde.
Im Gegensatz zu vielen anderen Büchern des Autors kann man dieses Werk allein für sich lesen, es gibt nur lose Zusammenhänge mit dem von mir oben genannten Buch.
[B]Fazit:[/B]
Kaum hatte ich diesen Roman zur Hand genommen, konnte ich ihn schwer wieder hergeben. Mit Spannung, Mystik und interessanten Charakteren ist Markus Heitz mal wieder ein Meisterwerk gelungen!
Eine Passagiermaschine landet problemlos und kracht dann führerlos in ein Flughafenterminal, alle an Bord sind tot – bis auf einen. Dann gibt es noch mehr unerklärliche Todesfälle. Steckt eine Terrorgruppe dahinter? Woran sind die Toten gestorben?
Der Roman startet, wie von Markus Heitz gewohnt, phänomenal. Der Prolog an Bord der Passagiermaschine sowie die Einführung des Bestatters Konstantin Korff sind sehr gut gelungen, der Leser ist sofort im Geschehen und gespannt, welche Erklärungen der Roman liefern wird. Die Szenen rund um den Bestatter gehen unter die Haut und gruseln – und sind doch nur normales Bestatter-Geschäft. Die Einführung in die Thematik „Tod“ ist gelungen.
Nach und nach liefert der Autor Erklärungen, leider muss ich sagen, dass mich nicht alles überzeugen konnte, in meinen Augen gibt es ein paar Logiklöcher, ist nicht alles wirklich durchdacht (warum lässt sich der Tod durch Wände aufhalten? Wie werden die im Buch thematisierten Fähigkeiten ausgelöst, da sie offenbar nicht von Geburt an vorhanden sind? Oder, wenn sie von Geburt an vorhanden sind, warum wirken sie dann nicht? Warum ist eine der Figuren in ein Stadion gegangen, da sie ihre Zielperson viel einfacher hätte treffen können?), der Autor hat sich da um die eine oder andere Erklärung gedrückt. Auch wenn wir hier einen letztlich fiktionalen Roman vorliegen haben, so erwarte ich doch eine innere Logik.
Der Roman ist recht spannend, u.a. wegen seiner Perspektivewechsel und der dadurch bedingten kleinen Cliffhanger, allerdings bin ich vom Autor mehr gewohnt. Die hin und wieder eingestreuten Actionszenen sind gelungen komponiert. Der Roman handelt vom Tod, was hier durchaus nicht nur spirituell zu verstehen ist. Das Thema ist interessant, Interpretaton und Ausarbeitung durch den Autor originell. Sehr gut haben mir auch die Märchen gefallen, die Konstantin bei seiner Suche helfen sollen und die in voller Länge im Buch abgedruckt werden und dem Leser die Möglichkeit liefern, mit zu spekulieren.
Die Charaktere gefallen mir gut, vor allem Konstantin Korff wird tiefgehend gezeichnet und ist sehr sympathisch, obwohl in seiner Vergangenheit auch Negatives angedeutet wird. Darüber hätte ich gerne mehr erfahren, sicher wäre hier genug Stoff für einen weiteren Roman. Auch die anderen Charaktere sind gut durchdacht und bis in kleine Nebenrollen gut ausgeformt. So hat mir z. B. der neue Auszubildende Konstantins gut gefallen.
Auch das – recht offene – Ende bietet Möglichkeiten für weitere Romane. Mir gefällt dieses offene Ende übrigens recht gut, es passt und überlässt es dem Leser sich weiter Gedanken zu machen, z. B. kann sich, ein bestimmter Verdacht bzgl. einer Person ergeben, der nicht aufgelöst wird. Wer Heitz kennt, weiß, dass bei ihm alles möglich ist, lassen wir uns also überraschen, vielleicht werden wir den einen oder anderen Charakter in einem anderen Roman wiedertreffen.
Ich bin ein großer Markus-Heitz-Fan, besitze alle Bücher von ihm, habe die meisten schon gelesen, bisher war ich jedes Mal sehr begeistert. Dieses Mal bin ich jedoch etwas enttäuscht worden, denn Logiklöcher mag ich nicht so gerne. So ist für mich dieser Roman der schlechteste, den ich vom Autor bisher gelesen habe. Von mir gibt es 3,5 Sterne, die ich, wie immer aufrunde. Empfehlen kann ich den Roman trotzdem. Wahrscheinlich wird nicht jeder so empfindlich auf Logiklücken reagieren, sie ev. gar nicht als solche wahrnehmen. Ein Stück gute Unterhaltung ist der Roman allemal.
Markus Heitz hat sich mit diesem Buch selbst übertroffen.
Spannende Geschichte die zum unbedingten Weiterlesen anregt. Einmal begonne, kommtz man nicht mehr davon los.
Die Orte in denen sich die Geschichte abspielt sind sehr realistisch und bringen die düstere Stimmung sehr gut rüber. Teilweise sind die Orte gut beschrieben und vermitteln ein absolutes Stimmungsbild (Beispiel: Camp nou-Stadion Madrid). Das Lesen des Buches verspricht Gänsehautgarantie.
Jeder der eine gute Geschichte mag und den leisen Schauer ertragen kann muss dieses Buch lesen.
Nichts für schwache Nerven.
5 Sterne de luxe.
Meine Meinung ist:
Dieses Buch ist ganz hervorragend!
Spannung vom Anfang bis zum Ende.
Die Protagonisten sind so detailiert beschrieben, dass man sich problemlos in ihre Denke und das Gefühlsleben hinein versetzen kann.
Die Handlung finde ich sehr interessant und hat mich, gerade was das Thema Tod und (Un-)Sterblichkeit anbelangt, meine bisherige Sichtweise etwas überdenken lassen.
Ich finde es einfach klasse, wie M. Heitz es schafft, ein so komplexes Thema in die reale Welt einzubetten, ohne auf Fantasy-Welten zurückgreifen zu müssen.
Der Tod wird einmal von einer ganz anderen Seite aus betrachtet.
Insgesamt ist das Buch ist spannend, teilweise vielleicht auch etwas derb, wenn es um die Beschreibung der Behandlung der Verstorbenen geht, es ist ordentlich Action und eine angemessene Portion Erotik mit eingebettet. Zusammen mit einem Thema, das einen zum Nachdenken bringen kann.
Was will man mehr?! Nicht viel - höchstens eine Fortsetzung!
Viele Grüße
Armin Klaus
Markus Heitz ist ein sehr guter Schriftsteller. Seine Fantasy-Bücher sind einfach eine Klasse für sich. ABER: Oneiros kann diesem Anspruch nicht gerecht werden. Die Geschichte um Konstantin Korff ist nicht wirklich spannend. Der Plot der Geschichte wirkt sehr hanebüchen. Natürlich ist bei Romanen dieses Genres nicht mit realistischen Grundlagen zu rechnen, aber dieser Plot wirkt auf mich einfach etwas unfreiwillig komisch. Sorry, aber das war nichts!