Ach, Deutschkrimi, ach
von Thomas Wörtche
Deutschgrimmis bashen ist eine ziemlich einfache Übung. Nichts leichter zu verspotten als die groteske Überproduktion unserer Tage, egal ob in Publikumsverlagen oder bei den Selfpublishern. All das unbeholfene, ungeschlachte Zeug, auf Format getrimmt, als Formel festbetoniert von Verlagsmenschen oder Schreibschulen, die genau wissen, wie Krimi geht und was auf keinen Fall geht und was ein Thriller ist und kein Thriller ist – das Ganze begleitet von plappernden Menschen in Blogs und Foren, die vor allem eine Meinung haben und das erstaunliche Selbstbewusstsein, diese Meinung sei auch für andere Leute irgendwie interessant. Dazu die ganzen vor Ambition bebenden Versuche, „literarische Krimis“ zu schreiben, die etwas Besseres sein wollen, aber vor lauter Drang zur Kunst vergessen haben, dass die literarische Moderne vor hundert Jahren schon weiter war als die einschlägigen Texte von Zoran Drvenkar bis Jan Costin Wagner. Und nichts alberner als die vielen Versuche deutscher „Gegenwartsautoren“, auch mal schnell einen „Krimi“ rauszuhauen wie Eva Demski oder Sibylle Lewitscharoff, die vermutlich darauf setzen, dass Burkhard Spinnen die Theorie dazu nachliefert …
Ach, ja, irgendwie habe ich immer das Gefühl, das sei doch alles so evident unfugig, so leicht durchschaubar, in seinen schlichten Mechanismen so langweilig, dass man darüber nicht groß reden muss. Aber dann kommt doch die Sprache wieder auf den deutschen Kriminalroman – und sei´s als Folie gegenüber dem schottischen Tartan-Noir, dem Schwedenkrimi, dem amerikanischen Country Noir oder dem provenzalischen Gourmet-Krimi. Dann werden Merkmale zusammengebastelt, die immer nette Angaben zu Schauplätzen und gemeinsame Merkmale von Figuren machen, als ob das zur Charakteristik von Texten irgendwie sinnvoll beitragen könnte. Und dann stellen wir letztendlich fest, dass es das alles auch im Deutsch-Krimi gibt, nur an anderen Breiten- und Längengraden angesiedelt. Melancholische Kommissare, „Gesellschaftskritik“ – meistens, wenn von Kinderschändern oder den Untaten der jeweiligen staatlichen Organisationen wie Polizei, Geheimdienste und bösen Konzernen die Rede ist. Nie oder sehr selten ist die Rede von der ästhetischen Organisation von Texten, wer erzählt wie von was – monologisch, polyphon, multiperspektivisch, dialogisch, intertextuell, intermedial und so weiter.
Oder: in welcher Tradition des Erzählens? D´accord mit dieser gedachten Tradition oder polemisch-kritisch dialogisierend? Klar, aus solchen Parametern, die mit Gefühligkeitsurteilen nicht einmal zu beschreiben sind, lassen sich auch keine nationalliterarischen Gruppierungen ableiten.
Nationalliterarische Sortierungen aber befriedigen anscheinend den Reflex, dass wir Deutschen uns nicht zu verstecken brauchen vor der ausländischen Konkurrenz. Bei jeder KrimiZeit-Bestenliste, bei jedem anderen Qualitätsranking kommen so sicher wie das Amen in der Kirche das Gezeter und Gejaule, dass der deutsche Krimi mal wieder nicht genug berücksichtigt sei, und bei jeder kritischen Auseinandersetzung mit einem Text einer deutschen Autorin oder eines deutschen Autors kommt irgendwann der Einwurf, er werde nur niedergemacht, weil er deutsch sei. Der Kritiker wird zum nationalen Nestbeschmutzer, über den Ursprung solcher nationalchauvinistischen Töne wollen wir lieber nicht nachdenken. Aber anscheinend ist so mancher deutsche Autor, der sich beschwert, seine Werklein würden deswegen nicht gewürdigt, weil sie nicht „aus Hinterindien“, sondern aus Tüpfelkirchen kommen, ganz schnell der literarische Pegida-Fan, den er, wenn ohne Literaturbezug vorkommend, lauthals und – somit wohlfeil – verachtet.
weiterlesen |