25 Jahre Mauerfall: Danke, Björn!

von Frau Freitag

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Während die DDR zusammenbricht, chillt Frau Freitag an der amerikanischen Ostküste mit einem Freund. (Foto: Frau Freitag)

„Frau Freitag, wo waren Sie in der Nacht, als die Mauer fiel?“, fragt mich Samira kurz vorm Klingeln.

„Ich, äh, … also …“

Ja, wo war ich eigentlich zum Mauerfall? Wo hätte ich sein sollen? Natürlich am Brandenburger Tor – auf der Mauer. Vorher an der Bernauer Straße und zwischendrin in Mitte und in Prenzlauer Berg.

1989 bin ich 21 Jahre alt. Am 9. November sitze ich nachmittags im Zimmer meiner Freundin Marina. Wir trinken parfümierten Tee und quatschen.

Ich wollte eigentlich nach Amerika auswandern, bin dann aber zwei Tage, bevor mein Visum ablief, doch wieder nach Berlin gekommen.

Am 7. November landete ich in Tegel. Am 8. November schlief ich den ganzen Tag und am 9. fuhr ich nach Wilmersdorf, wo meine Schulfreundin Marina mit ihrer Mutter wohnte.

„Lass uns doch mal die Nachrichten gucken“, schlug ich abends vor. „Ich will endlich sehen, was da im Osten los ist.“

Ich hatte im Sommer in Provincetown, einem kleinen Ferienort an der Ostküste der USA, auf einem Parkplatz gearbeitet. Gänzlich abgeschnitten vom Rest der Welt, interessierte ich mich dort nur für mein eigenes Leben. Das änderte sich Mitte August, als mir parkende Touristen immer wieder sagten: „You have a hole in your wall“, nachdem sie mitbekommen hatten, dass ich aus Berlin kam.

Ich kaufte eine Zeitung und las von Ungarn und der sich ausdünnenden DDR.

„Nee, ich will jetzt nicht fernsehen.“

Marina konnte sehr hartnäckig sein. Sie hatte Liebeskummer und wir analysierten jedes Wort, das Björn und Marina in den letzten Monaten gewechselt hatten. Eigentlich war die Sache ganz einfach – Björn hatte keinen Bock auf Marina. Da halfen auch keine tiefgründigen Analysen bei lauwarmem Kirschtee.

Irgendwann schliefen wir ein. Und schliefen durch die Nacht des Mauerfalls. Durch die Nacht, die Berlin für immer verändern sollte.

Morgens stand Marinas Mutter vor uns und sagte mit zittriger Stimmer: „Kinder, die Mauer ist auf.“

Ja, und am gleichen Morgen war ich am Brandburger Tor – stand mit tausend Anderen auf der Mauer, verbündete mich mit fremden Menschen, lernte den anderen Teil meiner Stadt kennen und sagte wochenlang immer wieder: „Wahnsinn.“

„Frau Freitag!“ Samira reißt mich aus meinen Gedanken. „Ja?“

„Wo waren Sie denn nun in dieser Nacht?“

„Natürlich auf der Mauer! Am Brandenburger Tor. Es war unglaublich! Die verrückteste Nacht meines Lebens. Ich sag dir: WAHNSINN!“


 

 

 

 

Frau Freitag

Frau Freitag

Frau Freitag, geboren 1968, wollte schon immer Lehrerin werden. Seit über zehn Jahren unterrichtet sie Englisch und Kunst. Sie unterricht lauter überdrehte, dafür recht leistungsschwache Klassen und lebt in einer deutschen Großstadt.

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