Was Deutschland kann, kann Österreich schon lange: Die FPÖ macht erneut durch Hetze gegen Ausländer und Flüchtlingsunterkünfte von sich reden. Ein Kommentar von Dirk Stermann.
Was für eine Woche. Eine Woche, in der man sich wünscht, Gott hätte nicht nur einen Tag geruht, sondern sich gleich ein paar Schöpfungen gespart und stattdessen in der Hängematte gelegen (oder was ein Schöpfer sonst so in seiner Freizeit tut). Wenn es stimmt, dass Gott jeden Menschen nach seinem Ebenbild erschaffen hat, wird er bei keinem Casting von Heidi Klum ein Foto kriegen. Obwohl menschliche Züge bei der Bergisch-Gladbacherin ja auch nicht allzu sehr ins nicht vorhandene Gewicht fallen. Hätte der Neoliberalismus Titten aus Zement, er sähe aus wie die Klum, hat Peter Sloterdijk einmal gesagt, den ich während seiner Wiener Professurzeit mehrmals am Donaukanal joggen sah. Mit Spitzbauch, engem Body und neonfarbenem Stirnband sah er aus wie Jane Fonda nach mehreren misslungenen Schönheitsoperationen. Nervös flatterten seine dünnen Federn im Wiener Wind.
Heute flattert die Republik wegen ein paar Neuankömmlingen. Die Woche begann mit einer Demonstration von einem Dutzend FPÖ-Funktionären vor einem Asylbewerberheim im 3. Wiener Gemeindebezirk. Fein gemacht hatten sich die Empörten: Der Initiator trug eine schicke schwarze Sonnenbrille, die anderen sahen aus wie eine lässige Hochzeitsgesellschaft, nur dass auf ihren Transparenten und Schildern nicht stand „Kevin und Martina, alles Gute zur Hochzeit!“, sondern „Nein zum Asylantenheim!“.
Zufällig kam genau in diesem Moment ein syrisches Pärchen mit seinem kleinen Sohn zum Heim. Monatelang hatte ihre Flucht gedauert. Ihr Erspartes hatten sie Schleppern in die Hand gedrückt, über die Türkei waren sie gekommen, am Ortsschild „Wien“ hatten sie erstmals wirklich Hoffnung geschöpft. Irgendjemand hatte ihnen diese Adresse im Dritten genannt.

Heinz-Christian Strache bei einer Wahlkampfveranstaltung der FPÖ in Sankt Pölten. (Foto: Christian Jansky/Wikimedia Commons)
Dort standen sie nun zwischen den Empörten. Ein Zeitungsfotograf machte ein Foto, das in Österreich für Wirbel sorgte. FPÖ-Chef Christian Strache wiederum empörte sich im Fernsehen, das Foto sei gestellt gewesen, ja geradezu initiiert. Obwohl die FPÖ-Empörten längst alles zugegeben hatten.
Eine Journalistin des Wochenmagazins Falter machte sich auf die Suche nach der Familie und fand sie im Lager Traiskirchen. Gefragt, wie er seinem kleinen Sohn erklärt habe, was auf den Plakaten stand, antwortete der Syrer: „Ich hab ihm gesagt, dass dort ‚Herzlich willkommen in Österreich‘ stand.“
Eine Szene wie in Das Leben ist schön. Doch leider endete die Woche nicht mit dem syrischen Benigni.
Im österreichischen Parlament wurde das Thema „Asyl“ besprochen. Die FPÖ-Abgeordnete Dagmar Berlakowitsch-Jenewein, im Hauptberuf Ärztin, betrat das Podium. Strähniges, blondes Haar, verhärmt, als habe sie beim Casting für Der Vorleser wegen ihrer unangenehmen Stimme versagt und deshalb seither jeden Charme verloren, obwohl sie doch dank ihres Gesichtsausdrucks als KZ-Wärterin viel besser geeignet gewesen wäre als die blöde Hollywood-Winslet… Frau Berlakowitsch-Jenewein erzählte von einer Urlaubsreise, bei der ein Abzuschiebender mit an Bord des Flugzeugs gewesen sei, der sich lautstark gegen seine Abschiebung gewehrt habe. Dadurch sei ihr der ganze Flug vermiest worden. Der Flüchtling habe sich aufgeführt und schließlich eine Spritze bekommen, sagte die Ärztin, die bei ihrem hippokratischen Eid wahrscheinlich hinterm Rücken die Finger gekreuzt hatte. Sie schlug in ihrer Rede vor, Flüchtlinge lieber mit Militärflugzeugen abzuschieben. Die seien so laut, da drinnen könnten die Flüchtlinge „dann so laut schreien, wie sie wollen“.
Eine Abgeordnete aus der Fraktion des geistig verwirrten Austro-Kanadischen Milliardärs Frank Stronach ergänzte dann noch, sie habe in Traiskirchen Menschen in Markenkleidung gesehen. Das hat sie ‒ deren Chef sich besagte Fraktion mal einfach gekauft hat ‒ sehr gestört.
Beim Anblick solcher Leute fällt mir nur mehr ein Wort ein: CHARAKTERAIDS! Da, wo bei einem gesunden Menschen das Mitgefühl sitzt, steckt bei diesen Volksvertretern ein Stein, der sich nicht erweichen lässt. Und, anders als bei Heiner Müller, für niemanden schlägt.
Man merkte den Kommentatoren die Fassungslosigkeit über diese Dreistigkeiten an. Wenn Würgreiz den Aufschrei erstickt.
Strache, der Mann mit den schlittenhundblauen Augen, hat eigentlich den Kurs der FPÖ geändert. Er führt in allen Umfragen und vermeidet zur Zeit skandalträchtige Aussagen. Er will Kanzler werden und sieht die Zielflagge bereits. Zuerst dachte man sich: Blöd für ihn, dass seine Lagerkommandantinnen solche Sätze von sich geben. Aber am nächsten Tag tauchte ein Video auf: Bei einer früheren Wahlveranstaltung bestieg der Fescheste der Europäischen Rechten die Bühne. Vorher hatte der auf dem geistigen Stand eines Kindes feststeckende Waterloo, ein oberösterreichischer Schlagersänger, der einst mit seinem Kollegen Robinson den Hit „Good old Hollywood is dying“ gelandet hatte, für Stimmung gesorgt. Dann sprach Strache und schlug vor, Flüchtlinge per Hercules-Maschinen abzuschieben: „Da können sie dann schreien und sich anurinieren. Da stört’s dann niemanden.“
Die Menge grölte, Waterloo grinste. Die Sonne schien und kein nicht vorhandener Gott schickte einen wohlverdienten Blitz aufs Rednerpult.
Schon früher, als Jörg Haider noch Landeshauptmann von Kärnten war, bevor er für immer von der Straße abkam, nachdem er das Land fast unbemerkt in den Hypo-Ruin getrieben hatte, gab es einen Witz. Als Gott Kärnten fertig erschaffen hatte, riefen die Engel: „Das ist echt unfair, Gott! So ein schönes Land! Vergleich das mal mit… sagen wir, Niedersachsen. Das ist doch nicht gerecht!“
„Ja, das stimmt“, antwortete Gott. „Aber wartet erst mal ab, was ich da für Menschen reinsetze.“
Inzwischen ist Haider Geschichte und Kärnten hat eine rot-grüne Regierung. Aber der Witz hat, wo immer man ihn ansiedelt, nichts an Aktualität verloren. Charakteraids wütet überall.
Weblinks
„Stoß im Himmel” auf den Seiten der Ullstein Buchverlage