LitSoundtrack: Ada Dorians »Betrunkene Bäume«

Wie klingt ein Roman? Dieser Frage gehen wir in unserer neuen Reihe LitSoundtrack nach. Zu dem Kopfkino, das wir betreten, wenn wir ein Buch aufschlagen, gehört immer auch ein Soundtrack. Ada Dorian macht für uns den Anfang und erklärt, welcher Klang zu ihren Figuren und der Natur in „Betrunkene Bäume“ passt. 

 

von Ada Dorian 

Katharina

Katharinas Klang ist wütend und laut. Sie hört Musik, um sich abzureagieren. Oft gibt es deshalb Streit mit der Mutter. In ihrem kleinen Zimmer in einem der oberen Stockwerke des Hochhauses dreht sie die Musik voll auf, wenn die Mutter bei den Nachtschichten ist. Dann hört sie die Nachbarn von nebenan gegen die Wände klopfen.

Das Ende des Romans klingt für Katharina dagegen eher ruhig und beschwichtigend.

Erich

In Erichs Wohnung ist es oft viel zu leise. Durch die weit geöffneten Fenster hört er Geräuschfetzen aus der Nachbarschaft, hört türkische und polnische Straßengespräche und ab und zu ein Dudeln aus der Spielhölle. Daschas Lieblingslied, das sie früher fast täglich von Schallplatte gehört hat, hängt ihm noch vage im Ohr. Immer wieder mischt es sich in seinen Alltag ein, erinnert ihn dumpf und als weit entfernter Klang an die Liebe seines Lebens.

Die Berge 

Auf der Wanderung in den Bergen spürt Erich eine ungeahnte Freiheit. Hier findet er alles, was er je gesucht hat. Einen Freund, eine Frau und ein Kind. Die Natur und die Weite sind berauschend.

Sibirien

Die sibirische Weite ist stumm. Tagelang hört man nichts, außer dem Wind und dem eigenen Atem. Wenn hier der Schnee auf trockene Blätter fällt, klingt es wie eine unbespielte Kassette. Es rauscht und knistert. Wolodjas Flucht durch die endlose Weite ist begleitet von einer Stille, in der er sein eigenes Herz schlagen hört.

Der Laika

Der Laika, der sich Wolodja anschließt, hat ein Eigenleben. Er taucht auf und ab, wann immer er es will. Mit Wolodja verbindet ihn der Hunger.

 

Adas Soundtrack zu „Betrunkene Bäume“ als Playlist zum Nachhören.

 


Das Buch

OD_9783961010011-Dorian-Betrunkene-Baeume_SU_A01.indd»Kraftlos ließ er sich auf die Matratze fallen und legte den Kopf auf das Kissen. Durch die weit geöffneten Fenster drang die warme, duftende Sommerluft und bewegte die Blätter über seinem Kopf. Erich schloss die Augen und lauschte für einige Sekunden dem leisen Knistern, das die Äste an der Tapete erzeugten. Der Stamm reichte bis zur Decke und sorgte dafür, dass die Krone sich fächerförmig ausbreitete.
Erich liebte den Geruch der Pflanzen, er erleichterte ihm den Schlaf. Seit die Nachbarin unter ihm gefragt hatte, ob auch er ein Problem mit feuchten Decken habe, war er noch vorsichtiger geworden. Niemand sollte ihm seinen Wald nehmen. Es war alles, was er noch hatte.«

Erich ist über achtzig und verliert Stück für Stück seine Unabhängigkeit. Außerdem trauert er um die Liebe seines Lebens. Als junger Forscher hatte Erich eine Expedition in die Taiga unternommen. In jener Zeit hat er Schuld auf sich geladen, die bis heute nachwirkt und Erich vereinsamen lässt. Dann jedoch tritt Katharina in sein Leben. Sie ist von zu Hause ausgerissen, als ihr Vater die Familie verlassen hat.

Links 

„Betrunkene Bäume“ auf den Seiten der Ullstein Buchverlage 

Die offizielle Website von Ada Dorian 

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Ada Dorian

Ada Dorian

Ada Dorian, geboren 1981, studierte Literaturwissenschaften und Philosophie. Sie forschte in Osnabrück über Erich Maria Remarque, wo sie nach langem Aufenthalt in Hamburg lebt. Sie gewann den Literaturförderpreis der Stadt Hamburg 2009, ist Trägerin des Literaturstipendiums des Landes Niedersachsen 2016 und war nominiert für den Ingeborg-Bachmann-Preis 2016.

Foto: © Melanie Hauke

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