Sowohl im Film- als auch im Buchformat leben Serien vom Suchtpotenzial der Geschichte. Das gilt auch für Audrey Carlans gerade auf deutsch erschienene Romanserie Calendar Girl. Ullstein-Lektorin Marion Vazquez darüber, was die Reihe ausmacht und wie sie sich von anderen Romance-Serien abhebt.
von Marion Vazquez
Es gibt Leute, die sich einer Fernsehserie erst nähern, wenn zumindest die erste Staffel komplett verfügbar ist. Am besten alle Staffeln. Man muss nicht binge-watchen, man könnte aber – ein sehr beruhigendes Gefühl, wie ich finde. Auch einen Roman kann man in Häppchen lesen, ob als Fortsetzungsroman morgens in der Zeitung oder kapitelweise vor dem Einschlafen. Aber wenn er richtig fesselnd ist, lässt man das ganze Wochenende das schmutzige Geschirr stehen, wobei man sowieso nicht kocht, weil man nicht zum Einkaufen gekommen ist, und badet, statt zu duschen, nur um weiterlesen zu können.
Nachdem Serien in den Genres Spannung und Fantasy seit langem gang und gäbe sind, hat das Prinzip nun auch auf das Romance-Genre übergegriffen. Hier scheinen die Leser besonders ungeduldig zu sein, denn Fortsetzungen werden in besonders kurzen Abständen veröffentlicht. Man muss höchstens ein paar Wochen warten, um endlich zu erfahren, wie es mit Held und Heldin weitergeht. Oder mit ihrer besten Freundin und seinem Bruder. Mit den Trauzeugen der beiden. Mit allen Figuren, die man seit dem ersten Buch ins Herz geschlossen hat und aus deren Welt man sich nicht verabschieden möchte, zumindest nicht, bevor alles sehr, sehr gut ausgegangen ist.
Dass Audrey Carlan mit ihrer Serie Calendar Girl die Herzen der amerikanischen Romance-Fans im Sturm erobert und einen Mega-Bestseller gelandet hat, überrascht sie nach eigener Aussage selbst. Mich nicht. Denn sie hat damit den Nerv der Vielleserinnen getroffen, und das Suchtpotenzial von Calendar Girl ist extrem hoch: Zwölf Monate, zwölf Abenteuer. Dazu ein Spannungsbogen, in dem es um nicht weniger als um Leben und Tod geht, um Selbstbestimmung und Zwang, um die vielen Spielarten von Liebe und die eine, die dann doch alle anderen überstrahlt. Und ja, es geht um Sex. Mia Saunders gibt sich zu Anfang Regeln vor, bricht sie dann aber. Sie nimmt sich, was sie will und wen sie will, vorausgesetzt, der Herr will auch. Sie ist kein Mäuschen, dem der BDSM-versierte Millionär zeigt, wo es langgeht, und sie hat größere Probleme als die unerfüllte Liebe zum Stiefbruder oder zum Bad Boy der Highschool.
Der Plot von Calendar Girl geht über das alte und bewährte Schema Boy meets girl hinaus. Eher könnte man es Girl meets boys nennen. Wir haben keine Damsel in distress, sondern Daddy in distress (soviel sei verraten: Sie haut ihn da raus). Statt zu ihrem Ritter auf das weiße Pferd zu steigen, fährt die Protagonistin mit dem Motorrad zum nächsten Auftrag. Sie hat einen Job zu erledigen, und das geht vor. Gleichzeitig absolviert sie eine Heldinnenreise; ihre Begegnungen von Januar bis Dezember verändern Mia ebenso, wie sie das Leben der anderen verändert. Der Weg ist das Ziel – eine Erkenntnis, die wenig originell klingt, aber nur, weil man sie schon so oft gehört hat und deswegen nicht mehr groß darüber nachdenkt.
Zumindest der US-Verlag Waterhouse Press ahnte, dass Audrey Carlan der neue Stern am bereits gut bestückten Romance-Himmel sein würde. Man wurde auf die begeisterten Rezensionen der Leserinnen aufmerksam, nahm Carlan unter Vertrag und sicherte sich außerdem schnell alle Rechte an ihren bis dahin im Self-Publishing veröffentlichen Romanen. Gegründet wurde Waterhouse Press übrigens von der erfolgreichen Selfpublisherin Meredith Wild, die damit ihre Chancen für Sichtbarkeit auf dem Indie-übersättigten amerikanischen Buchmarkt erhöhte (hier dazu ein lesenswerter Artikel der New York Times).
In den USA findet der größte Teil der Millionenverkäufe von Calendar Girl und vergleichbaren Serien im E-Book statt. Der deutsche Markt tickt etwas anders. Die Leserinnen kaufen und lesen viel digital, aber gerade die großen Romance-Serien, die im Paperbackformat erscheinen, finden reißenden Absatz im Print. Vor ein paar Jahren war man noch froh über die Etablierung der E-Reader, die einschlägige Lektüre in der Öffentlichkeit ohne schamrote Wangen ermöglichten. Heute sind diese Bücher so wunderhübsch ausgestattet (Klappen, Prägung, Spotlackierung – aaah!), dass man sie nicht nur bedenkenlos in der S-Bahn liest, sondern auch der besten Freundin schenkt und sie sich gerne ins Regal stellt. Wo sie auf das nächste verregnete Wochenende warten. Oder die nächste stinklangweilige EM. Manchmal gibt es ja auch beides gleichzeitig.
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Marion Vazquez ist leitende Lektorin bei Ullstein, wo sie unter anderem die Bücher von Nele Neuhaus betreut. Für das Ullstein Taschenbuch hat sie die hoch gehandelte Serie Calendar Girl von Audrey Carlan akquiriert. Mehr über das Genre Sexy Romance hat sie zum Beispiel hier geschrieben.
Foto: privat
Das Buch
Mia Saunders braucht Geld. Viel Geld. Eine Million Dollar, um ihren Vater zu retten. Er liegt im Krankenhaus, weil er seine Spielschulden nicht begleichen konnte. Um die Summe aufzutreiben, heuert Mia bei einer Agentur an und lässt sich als Begleitung buchen. Ihre Gesellschaft kostet 100.000 Dollar pro Monat. Sex ist ausdrücklich nicht Teil des Deals – leichtverdientes Geld! Und der Liebe hat Mia sowieso abgeschworen. Als sie ihrem ersten Kunden, dem Hollywood-Autor Wes Channing, gegenübersteht, ist schnell klar: Zwischen den beiden knistert es gewaltig. Vor ihnen liegt ein Monat voll heißer Leidenschaft. Doch Mia darf sich nicht verlieben. Denn Wes ist nur Mr. Januar…
Links
Ein Jahr voller Leidenschaft – die Seite zur Buchserie
Calendar Girl auf den Seiten der Ullstein Buchverlage
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