Das von der großen Koalition geplante Prostitutionsgesetz sieht eine Anmelde- und Kondompflicht zum Schutz der Prostituierten vor. Tausende Sexarbeiter deutschlandweit würden damit ihre Anonymität verlieren. Vorteile hätten sie durch eine Registrierung nicht. Die wirklich Schutzbedürftigen werden sich ohnehin nicht ans Gesetz halten können.
von Sonia Rossi

Rotlichtviertel in Frankfurt am Main (Arne Hückelheim, CC BY-SA 3.0)
Bereits seit 2002 ist Prostitution in Deutschland nicht mehr illegal. Dies war damals ein großer Sieg für die bundesweit tausenden SexarbeiterInnen, die ihren Beruf freiwillig ausüben und sich nicht vom Staat vorschreiben lassen wollen, wie sie mit ihrem Körper umzugehen haben. Seitdem steht es jeder Prostituierten frei, ein Gewerbe anzumelden und wie jeder andere Selbstständige sozial versichert zu sein. In manchen Städten, wie etwa in München, können sich die im Rotlichtmilieu tätigen Frauen und Männer von der Polizei registrieren lassen, um besseren Schutz zu genießen. In anderen Städten, zum Beispiel in Berlin, gibt es kein Amt, das diese Aufgabe übernimmt, jedoch muss hier jeder Sexarbeiter nach Bedarf einen Gewerbeschein vorweisen können.
Eine Registrierung bedeutet für viele den unfreiwilligen Verlust der Anonymität
Dennoch geben die meisten Frauen beim Gewerbeamt an, als Masseurin oder Tänzerin tätig zu sein, und entscheiden sie sich gegen eine Anmeldung, selbst wenn sie möglich ist. Zwar ist Prostitution seit 14 Jahren ein offizieller Beruf, sie wird aber nach wie vor von weiten Teilen der Gesellschaft als sittenwidrig betrachtet. Pauschal gelten die ArbeiterInnen meist immer noch als Opfer oder als unmoralische Menschen, was zur Folge hat, dass viele sich auch heute aus Angst vor Stigmatisierung in ihrem familiären und beruflichen Umfeld nicht outen.
Sollte eine Registrierung nicht mehr, so wie in München, nur eine Option sein, sondern zur Pflicht werden, dürfte dies für die meisten Prostituierten nicht nur einen zusätzlichen Behördengang bedeuten, sondern auch den unfreiwilligen Verlust ihrer Anonymität. Ihren täglichen Verdienst aus steuerlichen Zwecken zu überprüfen ist de facto unmöglich, da die meisten Kunden bar bezahlen und keine Rechnung verlangen. Ausgeschlossen blieben ohnehin die semiprofessionellen Sexarbeiter, die über viele Erotik-Portale ihre Dienste anbieten, denn sie treffen ihre Kunden oft in privaten Wohnungen und sind dadurch viel schwerer zu kontrollieren.
Den Zwangsprostituierten, die der Staat mit dem neuen Gesetzentwurf schützen möchte, könnte mit einer Anmeldepflicht nur geholfen werden, wenn gleichzeitig flächendeckende unangemeldete Kontrollen in den Bordellen und auf dem Straßenstrich stattfänden. Unabhängig von der Frage, inwieweit das machbar ist, wäre auch in diesem Fall zu befürchten, dass die organisierte Kriminalität dadurch nicht verschwindet, sondern die menschenverachtende Zwangsprostitution fortan diskreter und versteckter weitergeführt wird.
Wer sich nicht schützen will, den wird kein Gesetz dazu zwingen können
Ähnlich unnötig ist eine gesetzliche Kondompflicht. In nahezu allen Bordellen, in denen Menschen freiwillig arbeiten, verlangen sowohl die Sexarbeiter als auch die Geschäftsbetreiber sicheren Sex von den Kunden. Nicht nur verlieren die Prostituierten bei Verstößen gegen diese Regel oft die Möglichkeit, in dem Laden weiterzuarbeiten, den allermeisten von ihnen ist es auch wichtig, ihre Gesundheit zu schützen. Kaum eine Frau, die diesen Beruf ausübt, um sich ein besseres Leben zu finanzieren, wird ihre Gesundheit aufs Spiel setzen, um ein paar Euro extra zu ergattern. Wenn sie es aus eigener Entscheidung dennoch tut, wird kein Gesetz sie daran hindern können, denn eine Videoüberwachung ihres Tuns ist natürlich undenkbar.
Es ist unter Freiern bekannt, dass es sowohl im hetero- als auch im homosexuellen Strichermilieu genug Orte gibt, in denen man – zum Teil für gerade einmal dreißig Euro – Sex ohne Kondom bekommt. Es handelt sich bei den Dienstanbietern meist um junge Menschen in Notlagen, sei es, weil sie drogenabhängig und obdachlos sind, sei es, dass sie zu ungeschütztem Sex gezwungen werden. Eine staatliche Vorgabe wird in diesem Fall nicht helfen. Die Opfer von Zuhältern werden aus Angst keine Anzeige erstatten, und die Stricher in Not werden Verstöße nicht melden, um ihre Einkünfte nicht zu verlieren.
Hilfsangebote für Opfer der Zwangsprostitution müssen verbessert werden
Eine Eindämmung der Zwangsprostitution wäre nur möglich, wenn die Polizei die nötigen Mittel bekäme, die damit verbundene Kriminalität wirksam zu bekämpfen. Das setzt vor allem eine enge Zusammenarbeit mit Polizei und Justiz der Herkunftsländern der Sexarbeiter voraus, die oft aus Osteuropa oder aus Afrika stammen. Verbrecher, die Frauen zur Prostitution zwingen, bedrohen und gefangen halten, dürfen nicht mehr die Möglichkeit haben, in einem quasi rechtsfreien Raum zu agieren. Die Strafen müssen verschärft und die ausländischen Täter dauerhaft aus Deutschland ausgewiesen werden. Weiter müssten die Hilfsangebote für die Opfer der Zwangsprostitution verbessert werden, da eine Bestrafung der Ausbeuter nur mit Hilfe der Betroffenen geschehen kann – die aber nicht aussagen werden, solange sie oder ihre Angehörige sich in Lebensgefahr befinden. Inwiefern die Regierung beabsichtigt, den Kampf gegen diese Form der Kriminalität ernsthaft anzugehen, bleibt abzuwarten. Eine Bürokratisierung des Sexgeschäfts wird dabei nicht helfen.
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Sonia Rossi bei Facebook
„Fucking Berlin” und „Dating Berlin” auf den Seiten der Ullstein Buchverlage
Ihren Artikel/Beitrag halte ich für so naiv wie träumerisch. Kein Freier will safer Sex.
Diese ganze Kondompflicht ist lächerliches kometisches tra la la das vom eigentlichen
Problem ablenken soll. DAS Problem ist die Nachfrage, nach kommerziellem Sex, nach immer jüngeren Frauen, nach immer extremeren Praktiken, alles möglichst billig und hauptsache käuflich. Denken Sie als Frau darüber nach dass 95% der Prostituierten in Deutschland in dieser entwürdigenden menschenverachtenden Tätigkeit sei es aus Armut oder aus Psychoterror gefangen sind? Wie finden Sie es dass eine Hälfte unserer Gesellschaft die andere Hälfte kaufen kann um darin zu onanieren wie wenn man zur Toilette geht um sich zu erleichtern? Der einzig richtige Ansatz für Deutschland ist die Freierbestrafung nach schwedischem Vorbild verbunden mit ernsthaften Ausstiegshilfen für die Frauen.