Europa päppelt griechische Besserverdiener – doch wie lange noch? Je länger die Verhandlungen andauern, desto besser für Griechenland, meint Max Otte. Der Finanzexperte zieht eine Zwischenbilanz zu den europäischen Hilfsaktionen für Griechenland und ist der Meinung, dass ein Austritt des Mittelmeerstaats aus der Eurozone die beste Lösung wäre.
von Max Otte
Völlig hilf- und wehrlos lassen sich die EU und auch die deutsche Bundesregierung von Griechenland über den Tisch ziehen. Treibt uns das noch die Zornesröte ins Gesicht oder herrscht längst Resignation? Wir haben uns ja mittlerweile daran gewöhnt, dass Recht und Gesetz permanent gebeugt und gebrochen werden ‒ und am Ende Deutschland zahlt.
Derzeit gibt es wieder eine massive Kapitalflucht aus Griechenland. Zunächst einmal klingt das so, als sei das schlecht für die Griechen. Bei näherem Hinsehen erweist es sich aber als ein so genialer wie skrupelloser Schachzug der Regierung Tsipras. „Kapitalflucht” heißt zunächst einmal, dass griechische Unternehmen oder Bürger Euros ins Ausland überweisen oder ausländische Vermögensgüter erwerben. Dazu müssen sie das Geld bei den griechischen Banken abheben oder es sich dort leihen. Die griechischen Banken sind aber ziemlich pleite. Woher bekommen sie also die Mittel? Richtig: Griechenland erhält Notfallkredite der Europäischen Union und der EZB!
Sollte Griechenland nun aus der Eurozone austreten und einen Staatsbankrott erklären, dann sind die griechischen Unternehmen fein raus. Denn sie haben mit Krediten der EU ausländische Vermögensgegenstände erworben oder Bankguthaben im Ausland aufgebaut. Selbst wenn sie die Euros nur von der Bank abgehoben und vergraben hätten, wären diese nachher noch da. Die EZB hingegen säße auf wertlosen Euro-Forderungen gegenüber der griechischen Zentralbank. Europa ‒ und vor allem Deutschland ‒ hätte also den Aufbau von Privatvermögen in Griechenland finanziert. Ergo: Je länger die Verhandlungen dauern, desto besser für Griechenland!
So unglaublich die Schwäche und Erpressbarkeit der EU in dieser Frage ist – man kann die Griechen verstehen. Mit einer falschen Sparpolitik hat man die Reichen des Landes geschont und die Mittelschicht in den Ruin getrieben. Die Arbeitslosigkeit liegt immer noch bei 25 Prozent, die Jugendarbeitslosigkeit sogar bei 50 Prozent.
Griechenland ist nicht reformierbar – zumindest nicht durch die Auflagen der Troika, die sich nur auf gesamtwirtschaftliche Größen bezieht. Und eine Reform der Verwaltung durch die EU würde als Zwangsdiktat empfunden. Das würde nicht gut gehen. Schon 1862 haben die Griechen ihren damaligen bayerischen König Otto nach 30-jähriger Regentschaft verjagt – und mit ihm die deutschen Beamten, die sich um eine Reform des Landes bemüht hatten.
Der Grexit hätte 2010 erfolgen müssen. Dann wäre uns das ganze politische Gezerre erspart geblieben. Und Griechenland und die EU wären wahrscheinlich schon längst wieder auf Kurs.
Aber selbst heute wäre der Grexit noch die beste Option. Der Euro würde dann auch in Griechenland Parallelwährung bleiben, während alle inländischen Zahlungen auf die Drachme umgestellt würden. Griechenland könnte seine Wettbewerbsfähigkeit wiederherstellen. Und Europa könnte sich, statt Subventionspolitik für Schuldner und Reiche zu betreiben, wieder seiner eigentlichen Aufgabe widmen: Sicherheit und Wohlstand für die Bürger zu bewahren und zu steigern.