80 Jahre Polarnacht

Es gibt Erlebnisse, die lassen sich nicht wiederholen. Der Roman „Eine Frau erlebt die Polarnacht“ von Christiane Ritter erzählt die Geschichte einer einjährigen Arktis-Expedition zu Beginn der 1930er Jahre. Ohne die technischen Hilfsmittel der heutigen Zeit trotzte die Autorin der Kälte und dem unendlichen Eis. Unsere Lizenzkollegin Annemarie Blumenhagen beschreibt, wie der Roman von 1938 noch heute LeserInnen auf der ganzen Welt begeistert. Illustriert werden die 80 Jahre „Polarnacht“ anhand der Entwicklung des Roman-Covers, welches zweifelsohne Designgeschichte geschrieben hat.

 

 

„Laß alles liegen und stehen und folge mir in die Arktis“ stand in dem Telegramm, dass Christiane Ritter von ihrem Mann, einem Abenteurer und Kapitän, in Frühjahr 1934 bekam. Sie zögerte ein wenig, war dann aber fest entschlossen. Und so ließ die damals 36 jährige ihr bekanntes Leben und ihre kleine Tochter bei den Großeltern in Österreich zurück, um ein Jahr in Spitzbergen zu verbringen. Ohne die technologischen Hilfsmittel und Annehmlichkeiten der heutigen Zeit lebte sie mit einem Pelzjäger in einer primitiven Hütte und trotzte der Kälte und dem unendlichen Eis.

1938 erschien „Eine Frau erlebt die Polarnacht“ im Propyläen Verlag. Erlebnisbericht und Abenteuerroman zugleich, ist es für mich vor allem die Geschichte einer starken Frau, die es nicht nehmen ließ, ihr eigenes Abenteuer zu erleben. Auf eindringliche und klare Weise beschreibt Christiane Ritter die Faszination der Arktis und die Naturgewalten, die sich ihr oft widersprüchlich, unberechenbar und unerbittlich zeigten.

Ähnlich außergewöhnlich und genauso spannend wie die eigentliche Reise, ist auch die Geschichte ihrer Memoiren. Fast 80 Jahre später erscheint nun eine Neuausgabe in unserem Taschenbuchprogramm. Doch auch in der Zwischenzeit war der Roman stets lieferbar. Cover und Ausstattungen änderten sich mit den verschiedenen Designwellen. Von ästhetisch klaren, dezenteren Covern in den 1930er Jahren zu etwas opulenteren Umschlägen mit starker Betonung der Fonts in den 70ern, schreibt dieses Buch definitiv auch Designgeschichte.

Weit über die Grenzen Deutschlands und Österreichs hinaus hat das Buch schon früh internationale Leser gefunden. Bereits 1954 erschien eine englischsprachige Übersetzung, gefolgt von einer Readers Digest Ausgabe 1957, die die Geschichte weltweit in die in Haushalte der Menschen brachte. Es folgten französische, bulgarische spanische, slowakische und diverse skandinavische Übersetzungen. Christiane Ritters Erlebnisse haben die Zeichen der Zeit überdauert und reißen auch heute noch die Leser mit. Im Zuge der Neuauflage gelang es uns das Buch bei fünf neuen, internationalen Verlagen zu platzieren. So wird „Eine Frau erlebt die Polarnacht“ im nächsten Jahr wieder auf Französisch (beim gleichen Verlag wie auch schon 1952), Italienisch, Niederländisch, Spanisch und sogar in Taiwan erscheinen. Das alles neben einer neuen englischsprachigen Ausgabe.

 

Im Nachwort von 1990 schreibt Christiane Ritter über ihre Rückreise:

Ich telegraphiere die Ankunft den Meinen. Der Zug rast, viel zu langsam für mich! —endlich angekommen, steht Papa an der Station. „Alles wohlauf“, ruft er mir von weitem entgegen! Da kommt auch schon meine kleine Karin, gewachsen und blühend. Wie gnädig ist Gott!

Christiane Ritter verstarb 2000 im Alter von 103 Jahren. Ich glaube, man kann mit gutem Gewissen sagen, dass sie ein bereicherndes und ereignisreiches Leben hatte. Eines, das sehr von dem Schreiben ihres Buches und dem Austausch mit den Lesern geprägt war. Und die kleine Karin ist längst nicht mehr so klein. Sie lebt heute noch immer in der Wohnung am Rande von Wien, die ihre Mutter von den Bucherlösen gekauft hat. In einem unserer Telefonate fragte sie mich kürzlich: Frau Blumenhagen, warum interessiert sich denn ein Verlag in Taiwan für die Geschichte meiner Mutter? Meine Antwort war schlichtweg: eine Reise wie die von Christiane Ritter lässt sich heutzutage so gar nicht mehr wiederholen. Man müsste sich schon sehr anstrengen, um die Arktis mit allen ihren Widrigkeiten so authentisch zu erleben. Aber anstrengen müssen wir uns ja nicht, denn wir haben ja „Eine Frau erlebt die Polarnacht“.

 


Das Buch

Im eisigen Spitzbergen, viele hundert Kilometer von der nächsten Siedlung entfernt und ohne technische Hilfsmittel moderner Arktisexpeditionen, haben sich Christiane Ritter und ihr Mann einen Traum erfüllt: Sie lebten 1934 ein Jahr lang zusammen mit einem Pelzjäger in einer primitiven Hütte. Christiane Ritters Erlebnisbericht vermittelt eine Ahnung von der rätselhaften Faszination der Arktis.

 

„Eine Frau erlebt die Polarnacht“ auf den Seiten der Ullstein Buchverlage

 

 

 

Annemarie Blumenhagen

Annemarie Blumenhagen

Annemarie Blumenhagen lebt nach 10 Jahren in Amsterdam, New York und London wieder in Berlin. Seit letzten Jahr leitet sie die Lizenzabteilung der Ullstein Buchverlage und träumt ganz oft von ihrer eigenen Expedition in die Arktis.

Foto: © Lisa Jane Photography

Christiane Ritter

Christiane Ritter

Christiane Ritter wurde 1898 in Böhmen geboren. Mit 36 Jahren folgte sie ihrem Ehemann Hermann Ritter, einem Abenteurer und Kapitän, nach Spitzbergen, um dort zu überwintern. Christiane Ritter lebte später in Wien und starb 2000 im Alter von 103 Jahren.

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