Das Schweigende Klassenzimmer: Der lange Weg vom Buch zum Film

Am 15. Februar beginnt die 68. Berlinale. Oft finden starke Buchstoffe den Weg auf die Leinwand. Wie lang dieser Weg manchmal sein kann und wie viel Geduld und Durchhaltevermögen es erfordert, ein Buch zum Film zu machen, beschreibt unsere Rights Managerin Agnieszka Golosch am Beispiel des Buches „Das Schweigende Klassenzimmer“ von Dietrich Garstka, das auf der Berlinale seine Filmpremiere feiert.

Ausschnitt des Buchcovers von „Das Schweigende Klassenzimmer“ von Dietrich Garstka (Ullstein Taschenbuch)

 

In meiner Arbeit als Rights Manager innerhalb der Lizenzabteilung unseres Verlags bin ich unter anderem damit beschäftigt, mit Filmproduzenten über interessante Buchprojekte zu sprechen, die sich für eine Verfilmung eignen. In den fast 12 Jahren, die ich dieser Arbeit bei den Ullstein Buchverlagen nun nachgehe, gibt es ein einziges Buch, um das sich sehr viele Filmschaffende tatsächlich gerissen haben: Es erschien gut zwei Monate, nachdem ich hier angefangen hatte, nämlich im September 2006 und es begleitet mich seitdem auf unterschiedliche Art und Weise. Ich habe anhand dieses Buches sehr viel über meine Arbeit gelernt und bin sehr dankbar dafür. Das Buch heißt „Das schweigende Klassenzimmer“. Der Autor Dietrich Garstka erzählt in dieser wahren Geschichte einen Teil seiner Biographie, der so spannend und bewegend zugleich ist, dass er für eine Umsetzung auf der großen Leinwand geradezu prädestiniert ist.

Wir gehen zurück in das Jahr 1956. Die Abiturklasse von Dietrich Garstka an einer Schule in einem kleinen Ort in der DDR reagiert auf die Niederschlagung des Ungarn-Aufstandes mit einer Schweigeminute. Die Rädelsführer werden von der Staatssicherheit gesucht, aber nicht gefunden. Gegen alle Drohungen und Erpressungen hält eine Gruppe von Schülern und Eltern zusammen, selbst, als ihnen das Abitur verweigert wird. Am Ende fliehen die Gymnasiasten geschlossen nach West-Berlin.

Dietrich Garstka und ich lernten uns bald nach Erscheinen seines Buches im Jahr 2006 persönlich kennen. Es gab sehr viele Produzenten, die diesen Stoff verfilmen wollten. Also trafen wir uns Ende 2006 mit einigen von ihnen, um herauszufinden, wer wohl am besten geeignet sei. Hierbei spielt es immer eine große Rolle, dass Autor und Produzent die gleiche Sprache sprechen. Bald war eine Produktionsfirma gefunden, bei der sowohl Dietrich und ich ein gutes Bauchgefühl hatten. Die Vertragsverhandlungen um die Rechte nahmen dann das erste Halbjahr 2007 in Anspruch. Zudem fungierte Dietrich als Berater, er konnte neben dem, was man dem Buch entnehmen kann, für eine Verfilmung inhaltlich Hilfestellung leisten.

Die Zeit zog ins Land. Vier Jahre später hatten Dietrich und ich das Gefühl, dass die Zusammenarbeit mit der Filmseite nicht so lief, wie wir es uns vorstellten. Nach mehrmaligen Optionsverlängerungen entschieden wir uns schließlich, die Verfilmungsrechte wieder zurückzuholen. Weitere Interessenten gab es ja nach wie vor. Während der Berlinale 2012 fand dann ein Gespräch in einem Café zwischen der Produzentin der Akzente Film, Dietrich und mir statt. Der  Autor war von ihrer Sicht- und Herangehensweise an den Stoff begeistert. Es wurde also nach nochmaligen Verhandlungen der nächste Options- und Verfilmungsvertrag geschlossen. Als ich im Sommer 2013 nach der Geburt meines Sohnes aus der Elternzeit zurückkehrte, gab es bereits einen Drehbuchautor für den Stoff, den ich persönlich sehr schätze. Lars Kraume, der dann 2016 den Deutschen Filmpreis für den Film „Der Staat gegen Fritz Bauer“ erhielt, sollte auch beim „Schweigenden Klassenzimmer“ Regie führen. Auch Dietrich empfand die Zusammenarbeit mit Lars und der Produzentin als angenehm. Das Dream Team war komplett.

Bis zu den Dreharbeiten im Frühjahr 2017 gab es noch einige Stolpersteine zu überwinden. Dietrich und ich konnten da eigentlich nur noch als Außenstehende zusehen und glauben und hoffen, dass am Ende alles gut wird, und wir die Umsetzung nicht im Fernsehen, sondern im Kino sehen würden. Mit dem richtigen Verleih an der Hand, Studiocanal mit Sitz in Berlin, kam es dann auch so.

Parallel zu dieser Geschichte entwickelte sich eine zweite, die das Projekt überschattete. Dietrich wurde schwer krank. Wir alle hatten auf der einen Seite große Sorge, dass er den fertigen Film nicht mehr erleben würde, auf der anderen Seite habe ich ihn als einen Menschen kennen und schätzen gelernt, der immer mit Ruhe, Bedacht und Zuversicht an Dinge heranging. Seine starke Persönlichkeit und sein eiserner Wille haben mich in dem Glauben bestärkt, dass es keine Filmpremiere ohne ihn geben werde.

Ende Januar hatte ich bereits die Gelegenheit, „Das schweigende Klassenzimmer“ bei einem Teamscreening zu sehen. Seine Premiere wird der Film auf der diesjährigen Berlinale in der Sektion Special Gala feiern. Ich hoffe nach wie vor sehr, dass Dietrich dann fit genug ist, um gemeinsam mit seiner Frau und mir dabei zu sein. Am 1. März ist deutscher Kinostart und ich drücke die Daumen, dass die Geschichte um Dietrich und seine Klassenkameraden den Weg in die weite Welt findet, als Buch und als Film. Gerade in Zeiten wie diesen sind Mut, Zusammenhalt und das Füreinander einstehen wichtig denn je und „Das schweigende Klassenzimmer“ steht dafür Pate .

 


Das Buch

DDR, November 1956: Eine Abiturklasse reagiert auf die Niederschlagung des Ungarn-Aufstandes mit einer Schweigeminute. Die Rädelsführer werden von der Staatssicherheit gesucht, aber nicht gefunden. Gegen alle Drohungen und Erpressungen halten Schüler und Eltern zusammen. Schließlich fliehen die Gymnasiasten geschlossen nach West-Berlin …Garstkas dramatischer Bericht liefert bewegende Einblicke in die Wirklichkeit der DDR-Diktatur.

„Das schweigende Klassenzimmer“ auf den Seiten der Ullstein Buchverlage

Agnieszka Golosch

Agnieszka Golosch

Agnieszka Golosch hat Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften in Bayreuth und Bochum studiert. Die passionierte Kinogängerin arbeitet seit 2006 bei den Ullstein Buchverlagen und ist dort als Rights Manager unter anderem für den Verkauf von Verfilmungsrechten zuständig.

Foto: © privat

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