Fußball-WM und Scharia-Kapitalismus

„Vom Fußball zum Terror ist es in Katar manchmal nicht weit.“ Sascha Adamek berichtet über  Arbeits- und Menschenrechtsverletzungen in Katar und beleuchtet die verheerenden Folgen der WM-Vergabe 2022 an das Emirat. 

 


Foto: Baustelle in Doha Westbay. © Sascha Adamek 

 

Eine Autofahrt quer durch Doha gleicht einer lärmenden Baustellenbesichtigung. Immer wieder schlängeln sich Umleitungen um gigantische Bauflächen, auf denen eilends vielstöckige Betonbauten hochgezogen werden. Unter Hochdruck bereitet sich Katars Hauptstadt auf die 2022 geplante Fußball-Weltmeisterschaft vor. Auch die letzte Brachfläche inmitten der bis zu 300 Meter hohen Skyline von Westbay wird bebaut – gleich gegenüber dem Ministerium für Arbeit und Soziales entsteht das neue Waldorf Astoria-Hotel. Wer bei 45 Grad Außentemperatur in die City Center Mall Doha flüchtet, darf sich im Erdgeschoss über eine riesige Eislauffläche die Augen reiben. Es scheint, als wolle der gerade einmal 46 Jahre junge Staat aller Welt beweisen, was in ihm steckt – schließlich soll 2022 in klimatisierten Stadien Fußball gespielt werden. Tief unter der Stadt haben unterdessen die Tunnelbauer des deutschen Unternehmens Herrenknecht ganze Arbeit geleistet. Mit 111 Tunnel-Kilometern in nur 26 Monaten Bauzeit haben sie sich beim U-Bahnbau in das Guinnessbuch der Rekorde gebohrt. Das Land investiert Milliardenbeträge in die Verkehrsinfrastruktur, in die Stadtentwicklung und den Dienstleistungssektor. Gleichzeitig haben wir es mit einer islamistischen Oligarchie zu tun: Der Großteil der Unternehmen gehört dem monarchischen Staat und somit gleichzeitig Mitgliedern der weitverzweigten Königsfamilie al-Thani. Politisch haben die ehrgeizigen Emire Katars stets versucht, eine unabhängige Außenpolitik zu betreiben. Insbesondere, die Gastfreundschaft für die Muslimbruderschaft und ihren palästinensischen Ableger, die Terrororganisation Hamas, sorgt seit Jahren für Ärger mit den Nachbarn.

 


Foto: WM-Baustelle. © Sascha Adamek

 

Vom Fußball zum Terror ist es in Katar manchmal nicht weit. Abdulrahman bin Omeir al-Nuaymi, der ehemalige Präsident des katarischen Fußball-Verbandes steht wie wenige andere für das System der verdeckten Terrorfinanzierung in Katar. Die USA haben ihn 2013 und die Vereinten Nationen 2014 auf die Sanktionsliste für Terroristen gesetzt, weil er über ein Jahrzehnt al-Qaida-Ableger in Irak, Syrien, Somalia und Jemen mitfinanziert haben soll. Zugleich habe er als Vermittler zwischen al-Qaida und den in Katar ansässigen Spendern fungiert. Für eine Weile habe er sogar zwei Millionen Dollar im Monat an al-Qaida in Irak überwiesen. Bereits seit 2008 hatten die USA den Mann wegen seiner radikalen islamistischen Gesinnung unter Beobachtung. In diesem Jahr proklamierte al-Nuaymi den Widerstand gegen Israel in „all seinen Formen“. Damit hatte auch das Ausbomben von israelischen Linienbussen durch palästinensische Selbstmordattentäter al-Nuaymis Segen. Seiner gesellschaftlichen Stellung in Katar schadete all das nie. 2010 wurde er vom Olympischen Komitee des Landes für sein Lebenswerk und seine Leistungen für den Sport ausgezeichnet. Al-Nuaymi ist keineswegs ein Außenseiter der katarischen Elite. Denn der Islamist und Fußballfunktionär war auch Mitglied im Aufsichtsrat der Qatar Islamic Bank. Bis 2004 war er zudem Präsident des Arab Center for Research and Policy Studies, einem eng mit dem Königshaus verbundenen Institut. Auf den aktuellen UN-Sanktionslisten sind ein gutes Dutzend Terrorfinanziers mit Adressen in Katar verzeichnet. Ron Prosor, der damalige israelische Botschafter bei den UN in New York nannte Katar 2014 „Club Med für Terroristen“. Prosor schrieb, der Westen müsse endlich begreifen, dass Katar „nicht Teil einer Lösung des Nahost-Konflikts sei, sondern ein signifikanter Teil des Problems“.

Überdies exportiert der kleine Golfstaat, mit dem Deutschland einen Handel von 2,5  Milliarden Euro treibt, im Gegenzug auch islamistische Ideologie. Katar wird neben Kuwait und Saudi-Arabien in einer Expertise von BND und Verfassungsschutz erwähnt, die eine „langfristig angelegte Strategie der Einflussnahme“ durch Missionierungsorganisationen konstatiert. Genannt wird dabei auch die regierungsnahe Sheikh Eid bin Mohammad al-Thani Foundation, zu deren Gründungsmitglieder übrigens auch jener Terrorfinanzier al-Nuyami gehörte. Die Religionsstiftungen verfolgen einen islamistischen Kurs. Die weltweite salafistische Missionierung von Nichtmuslimen und die „Rechtleitung“ von vermeintlich „fehlgeleiteten“ Muslimen im Sinne des Salafismus – gerade in Europa – gehören für die genannten Golfstaaten zum religiösen und politischen Selbstverständnis. Angesichts einer derartigen Einmischung in unsere Angelegenheiten sollte die Bundesregierung dringend ein kritisches und offenes Wort mit unseren nahöstlichen Handelspartnern sprechen.

 


Foto: Vom BND erwähnte EID Charity. © Sascha Adamek

 

Eine Teilnahme an einer WM in diesem Land sollte auch aus einem anderen Grund offen in Frage gestellt werden: in Katar herrscht nach wie vor eine schamlose Ausbeutung von Gastarbeitern: in Katar leben nur 313.000 Staatsbürger, von denen die Mehrheit nicht erwerbstätig ist. Dafür arbeiten in Katar 2,3 Millionen Gastarbeiter aus 79 Staaten. Diese unterliegen dem sogenannten Kafala-System, das nach Aussagen der Regierung zwar abgeschafft wurde, nach Einschätzung der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch im Wesentlichen aber noch fortwirkt: Kommt ein Ausländer auf Einladung eines katarischen Unternehmens ins Land, wird diesem Unternehmen vom Staat die Verantwortung für die Abwicklung aller aufenthaltsrechtlichen Fragen überlassen. Zu diesem Zweck ist es verbreitet, dass Arbeitgeber die Pässe einziehen. Daraus ist aber in einigen Fällen ein Druckmittel geworden, so dass Arbeitnehmer bei offenen Streitigkeiten – zum Beispiel um Löhne oder angeblich durch Arbeitnehmer angerichtete Schäden – nicht ausreisen durften. Nach Auskunft der Bundesregierung gab es in Katar auch in zwölf Fällen ein Ausreiseverbot für Deutsche, die sieben Monate auf die Genehmigung warten mussten. Immer wieder werden Stimmen laut, die auf Arbeits- und Menschenrechtsverletzungen in Katar und besonders im Zusammenhang mit den Bauten für die FIFA-WM 2022 hinweisen. Im Global Slavery Index einer australischen NGO landete Katar auf Rang fünf. Demnach arbeiten 30 300 Menschen als Sklaven, Zwangsarbeiter oder in Knechtschaft. Katarische Behörden werden allerdings nicht müde, die Vorwürfe zu bestreiten. Keiner der Arbeiter auf den Baustellen sei je ausgebeutet worden, heißt es. Vielmehr stecke hinter den Medienberichten eine Kampagne gegen Katar als Gastgeber einer Fußball-WM. Die Fatwa maßgeblicher Gelehrter des Emirats, die im sogenannten Schura-Rat versammelt sind, spricht eine andere Sprache: „Wenn ein ausländischer Arbeitnehmer dem Arbeitgeber vorsätzlich Probleme bereitet und seinen Vertrag nicht erfüllt und den zuletzt Genannten [den Arbeitgeber] zwingt, den Vertrag zu beenden oder ihn an einen anderen Sponsor weiterzureichen, darf ihm nicht erlaubt werden, den Arbeitsplatz zu wechseln, selbst, wenn er davonläuft. Im Gegenteil sollte er dann zum Ausgleich gezwungen werden, für den Arbeitgeber doppelt so lang zu arbeiten, als im Vertrag vorgesehen war.“ Die islamischen Gelehrten verleihen der Willkür der Arbeitgeber obendrein eine religiöse Rechtfertigung. Die Millionensummen, die durch die WM in das Emirat gespült werden, drohen diese Verhältnisse weiter zu verfestigen.

 


Das Buch

Der radikale Islamismus sieht sich als Todfeind des Westens und seiner Lebensweise. Dennoch betreibt Deutschland jährlich Handel im Wert von 58 Milliarden Euro mit Staaten, deren Rechtssystem überwiegend auf der Scharia beruht. Sascha Adamek legt mit diesem Buch die erste umfangreiche Recherche zu den Verbindungen vor, die Konzerne, Banken und Politik mit dem gewaltbereiten Islamismus unterhalten. Die Liste der Enthüllungen aus Geheimdienstberichten, Vor-Ort-Recherchen und Wirtschaftsverbindungen reicht von den Machenschaften milliardenschwerer Investoren aus dem Nahen Osten und der deutschen Waffenlobby bis zur Tourismusindustrie in menschenrechtsverletzenden Scharia-Staaten.

Zugleich wirft Adamek einen Blick auf Moscheevereine und Organisationen in Deutschland, die von reichen fundamentalistischen Geldgebern im Ausland unterstützt werden. Am Ende steht eine erschreckende Erkenntnis: Den Kampf gegen unsere Freiheit finanzieren wir selbst!

 

Sascha Adamek

Sascha Adamek

Sascha Adamek, *1968, arbeitet seit zwanzig Jahren als Journalist und Filmemacher für die ARD, u.a. für die Politikmagazine Kontraste und Monitor, aktuell für die Redaktion „Investigatives und Hintergrund“ des Rundfunk Berlin-Brandenburg. Er ist Autor zahlreicher Fernsehdokumentationen – zum vorliegenden Thema zuletzt der Film „Dschihad in den Köpfen“. Adamek veröffentlichte zusammen mit Kim Otto den Spiegel-Bestseller „Der gekaufte Staat“ (2008)

Foto: © Dominique Prokopy

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