Im Juli las unser Autor Bov Bjerg bei den 42. Tagen der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt und gewann den Deutschlandfunkpreis. Ullstein fünf-Autorin Svenja Gräfen besuchte derweil den Literaturkurs für junge Autorinnen und Autoren, der sich hinter den Kulissen des Wettbewerbs abspielt. Was sie als eine der Auserwählten gelernt hat, die dort an ihren Textproben arbeiten durften, ob es ihrer Meinung nach Kurse und Wettbewerbe wie diese braucht, um im Literaturbetrieb Fuß zu fassen und welche anderen Autorinnen und Autoren sie besonders beeindruckt haben, verrät die Autorin uns im Interview.

(c) Constantin Timm
Liebe Svenja, wieso hast du dich für den Klagenfurter Literaturskus beworben?
Schreiben ist ja ein relativ einsames und mitunter auch frustrierendes Unterfangen, daher bin ich großer Fan vom Austausch mit anderen Schriftsteller*innen bzw. schreibenden Personen – nicht bloß über Text und Schreiben an sich, sondern auch über die Rahmenbedingungen und generellen Probleme. Da ich weder Schreiben studiert noch vorher an ähnlichen Kursen oder Workshops teilgenommen habe – es ist ja auch immer Glückssache, überhaupt eingeladen zu werden – hatte ich einfach Lust, so etwas mal auszuprobieren und neuen Input zu bekommen. Außerdem fand ich es spannend, die Tage der deutschsprachigen Literatur mal live vor Ort mitzukriegen. Oh, und der Wörthersee war womöglich auch eine kleine Motivationshilfe.
Was genau hast du im Kurs gelernt und wie hattest du dir die Tutorien im Vorfeld vorgestellt?
Insgesamt gab es für alle sieben Stipendiat*innen drei einstündige Tutoriumsgespräche mit erfahrenen Autor*innen – eins mit Annette Hug, eins mit Julia Schoch und eins mit Ludwig Laher. Darin ging es dann an den eingereichten Text, etwa zehn Manuskriptseiten. Ich glaube, das waren bei allen Stipendiat*innen Auszüge aus Romanen oder längeren Erzählungen. Ich hätte mir gewünscht, ein bisschen mehr über das ‚große Ganze’ zu reden, dafür hätte die Zeit aber vermutlich nicht gereicht. So haben wir uns teilweise Satz für Satz durch den Text gearbeitet und an Details gefeilt – auch das war super hilfreich. Denn auch, wenn ohnehin noch ein Lektorat ansteht, ist es von Vorteil, wenn du als Autor*in jedes einzelne Komma gut begründet verteidigen kannst. Ich denke, es kommt immer drauf an, wo man mit dem Text gerade steht und welche Art von Feedback man sich wünscht – zwischendurch habe ich mich geärgert, keine meiner kürzeren Erzählungen eingereicht zu haben, mittlerweile bin ich froh, dass es genau dieser Auszug aus meinem neuen Roman war. Nach dem letzten der drei Gespräche haben dann alle ganz schnell und leicht panisch die Texte überarbeitet und frisch ausgedruckt – bevor es mit den Tagen der deutschsprachigen Literatur losging, gab es nämlich noch die Lesung der Stipendiat*innen im Musilmuseum. Das hat Spaß gemacht und war fürs Publikum sehr abwechslungs- und facettenreich. Und besonders für Autor*innen, die auf der Suche nach einer Agentur oder einem Verlag sind, kann eine Lesung in einem solchen Rahmen sehr hilfreich sein.
Der*die Juror*in, der*die deinen Text liest, kann einfach einen schlechten Tag haben und bumms, bist du raus.
Welche anderen Autor*innen hast du dort kennengelernt? Kannst du den Austausch für deine Arbeit nutzen?
Tatsächlich war der Austausch mit den anderen Stipendiat*innen für mich fast besser als die Tutorien! Ein bisschen geht’s ja auch darum, dass so ein Haufen schreibender Leute zusammengeworfen wird und man einander kennenlernt. Wir haben uns viel über unsere Texte bzw. Projekte ausgetauscht, über unsere bisherigen Erfahrungen im Literaturbetrieb (sowie über diverse Verbesserungsvorschläge), über Politik und darüber, wie wir auf verschiedenste Arten versuchen, in unserem Schreiben auch politisch zu sein. Auch die Wettbewerbstexte haben wir untereinander diskutiert – die 10-Uhr-Texte meist via Whatsapp vorm Hotelfernseher, die restlichen im Garten vorm Studio oder abends im Theatercafé. Die Teilnehmer*innen waren ziemlich ein- und verständlicherweise angespannt, ausreichend Raum für Austausch gab es aber trotzdem.
Sind Wettbewerbe und Kurse wie der in Klagenfurt deiner Meinung nach notwendig oder besonders hilfreich, um als junger Autor/ junge Autorin im Literaturbetrieb Fuß zu fassen?
Puh, schwierige Frage. Gewissermaßen sind solche Wettbewerbe oder auch Stipendien ja einfach notwendig, um als Schriftsteller*in überhaupt von der Arbeit leben zu können – nicht bloß wegen des Preisgelds, sondern auch wegen der Steigerung des Bekanntheitsgrades und daraus resultierenden Möglichkeiten. Andererseits ist es immer ein Stück weit willkürlich, wer jetzt mit welchem Text wohin eingeladen oder ausgezeichnet wird. Der*die Juror*in, der*die deinen Text liest, kann einfach einen schlechten Tag haben und bumms, bist du raus. Es ist Glückssache, und alle Autor*innen kassieren Absagen – auch wenn darüber oft nicht gesprochen wird. Außerdem befinden sich noch immer viel zu viele ältere weiße Männer in entscheidenden Positionen. An Diversität mangelt es auch im Literaturbetrieb.
… alle Autor*innen kassieren Absagen – auch wenn darüber oft nicht gesprochen wird.
Eine Teilnahme in Klagenfurt – ob nun Kurs oder Wettbewerb – öffnet mit Sicherheit einige Türen. Vernetzung ist immer wichtig, und das geht nun mal einfacher, wenn man gemeinsam vom Buffet schnabuliert. Sichtbarkeit ist auch wichtig, und die bringt beispielsweise eine Liveübertragung im Fernsehen mit sich. Aber es gibt ja viele Autor*innen, die auf derlei Veranstaltungen keine Lust haben. Das kann ich gut verstehen, und glücklicherweise ist es definitiv keine Voraussetzung, um im Literaturbetrieb Fuß zu fassen.
Welcher Text eines anderen Autors/ einer anderen Autorin hat dir besonders gefallen und warum?
Oh, besonders mochte ich die Texte von Ronya Othmann und Olga Galicka. Die haben einfach meinen Geschmack getroffen – sowohl auf sprachlicher Ebene als auch inhaltlich. Beides waren Auszüge aus längeren Projekten, die extrem spannend klangen und beide auf ihre Art experimentell. Würde ich sofort weiterlesen. Außerdem hat es mir viel Spaß gemacht, den Text von Thilo Dierkes zu lesen. Was den Wettbewerb angeht, hat mir der Text von Özlem Özgül Dündar am besten gefallen – „und ich brenne“ über den rassistischen Brandanschlag in Solingen 1993. Es hat mich mächtig beeindruckt, wie sie ein so wichtiges (auch weil topaktuelles…) Thema in eine so großartige literarische Form gegossen hat. Während ihrer Lesung saß ich im Studio, in dem es ganz schön warm war, und hatte eine Gänsehaut. Ansonsten mochte ich die Wettbewerbstexte von Ally Klein und Bov Bjerg sehr gern.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Marie Krutmann.
Das Buch
Lene studiert, wohnt mit ihrer besten Freundin in einer WG und hat ein enges Verhältnis zu ihrer Familie. Als sie Hendrik kennenlernt, scheint ihr Glück perfekt. Doch während sie eine Zukunft mit ihm plant, beginnt Hendriks Fassade zu bröckeln. Seine Vergangenheit schleicht sich in die Beziehung und drängt sich zwischen die beiden. Da ist der mysteriöse Tod seines Vaters, der die Familie zerrüttet hat. Und da ist Klara – seine erste große Liebe.
„Das Rauschen in unseren Köpfen“ auf den Seiten der Ullstein Buchverlage