„Wasser ist so mächtig, weil es alles auflösen und in sich tragen kann.“ In ihrem Roman „Auf dem Wasser treiben“ schreibt Theresa Prammer über die Suche danach, was Menschen verbindet und zusammenhält. Zum Welttag des Wassers widmet die Autorin ihren Essay der energetischen Kraft dieser „fast schon magischen“ Substanz.
… es ist die Währung des Lebens.
Was, wenn ich Ihnen sage, in Ihnen befindet sich eine Substanz, die nach Verbindung strebt?
Nach Beziehungen. Und nach Liebe.
Diese Substanz hat weder etwas mit ihrer Seele, noch mit ihrer Psyche zu tun. Es ist ihr sogar völlig egal, ob sie sich gerade getrennt haben, ein Leben als Einsiedlerin bevorzugen oder es generell nicht so mit Menschen haben.
Sie strebt unaufhörlich nach Verbindung und hört dank der winzig kleinen Magnete, die sie in sich trägt, nie damit auf.
Diese Substanz ist sicht- und messbar und hat die Fähigkeit, die Spannung in Ihrem Körper zu verändern. Sie reagiert auf Ihren Herzschlag. Sie brauchen sie, um zu überleben. Und Sie haben nicht nur ein bisschen davon, nein, Ihr Körper macht ungefähr siebzig Prozent dieser Substanz aus.
Was bedeutet, wiegen Sie 60 Kilo, dann sind davon 42 Kilo diese Substanz und Ihnen bleiben schlanke 18 Kilo.
Wenn Sie sterben, verschwindet die Substanz nach und nach aus Ihnen. Aber sie bleibt dennoch erhalten, denn sie begibt sich einfach zurück in den Kreislauf, in dem sie immer schon vorhanden war.
Und ich weißja nicht, ob es Zufall ist, aber siebzig Prozent der Erde werden von dieser Substanz, die siebzig Prozent in Ihnen ausmacht, bedeckt.
Das alles klingt ein bisschen surreal. Fast schon magisch. Dabei ist es reinste Physik (und noch nicht einmal Quantenphysik).
Die Rede ist von Wasser.
H2O.
Ein anscheinend simples Molekül, bestehend aus zwei Wasserstoffatomen und einem Sauerstoffatom, das aber bei näherer Betrachtung alles andere als simpel ist. ImGegenteil – Wasser ist voller Geheimnisse. Eines davon ist das Geheimnis von Anziehung und Beziehungen.
Und genau darum geht es in meinem Roman „Auf dem Wasser treiben“.
Dass ausgerechnet ich, die sich als Schülerin durch den Physikunterricht gequält hat, einmal ein Buch schreiben würde, in dem die Physik (und vor allem die Begeisterung dafür) eine große Rolle spielt, hätte ich ehrlich gesagt nie gedacht.
Daran ist meine Begeisterung für TedTalks schuld. TedTalks sind Vorträge von Fachleuten aus allen Sparten, die in max. 18 Minuten über ihre „Ideen, die es wert sind, verbreitet zu werden“sprechen.
Um mir, nach vielen Stunden am Schreibtisch (wir wissen ja, Sitzen ist das neue Rauchen) auf dem Crosstrainer die Zeit zu vertreiben, schaue ich mir gerne online solche TedTalks an. Quasi als Doppeltraining für Hirn und Körper. Und so fand ich „The bridge between water and life / Die Brücke zwischen Wasser und Leben“ von Dr. Adam Wexler, in dem er unter anderem über das physikalische Geheimnis von Anziehung spricht.
Das war einer dieser Aha-Momente, bei dem es plötzlich innerlich „Klick“ macht, als wäre ein Lichtschalter angeknipst worden. Ich sprang vom Crosstrainer und wusste, darüber will ich schreiben.
Das Forschungsinstitut, das ich noch am selben Abend um seine Email bat, machte mir allerdings wenig Hoffnung. Denn Dr. Wexler sei so mit Arbeit eingedeckt, dass er kaum Zeit habe und mir wahrscheinlich nicht antworten werde. (Das hat er mir im Nachhinein bestätigt.) Geschrieben habe ich ihm trotzdem. Und warum er mir im Gegensatz zu anderen Anfragen gleich geantwortet hat, kann er auch nicht sagen. Es folgten viele Unterhaltungen, Emails und schließlich ein persönliches Treffen, bei dem ich ihn über seine Arbeit befragt habe.
Adam erforscht Wasser. Bei meinen Recherchen habe ich von ihm gelernt, dass die Art und Weise, wie sich Wasser durch unsere Welt bewegt, ein Kreis ist. Was wir wegwerfen, kommt zu uns zurück. Die Plastiksuppe in den Ozeanen ist ein schrecklich perfektes Beispiel dafür.
Wasser ist so mächtig, weil es alles auflösen und in sich tragen kann. Er sagt, es sei klar, dass wir uns darauf konzentrieren müssen, wie unsere moderne Lebensweise den Boden verändert, auf dem sich das Leben manifestiert.
Im Moment ist die Verarbeitung von Wasser mit enormen Energie- und Materialressourcen verbunden, um es entweder sauber genug zu machen, um es zu trinken, oder in die Umwelt zu entlassen.
Im Jahr 2018 hatten fünf von sechs Menschen Zugang zu sauberem Wasser. Im Jahr 2050 wird das nur noch für jeden zweiten Menschen gelten. Darum besteht für Adam bei seiner Arbeit dringenster Handlungsbedarf: „Es gibt keine Zeit mehr zu debattieren, es gibt keine Zeit mehr zu warten.“

Adam Wexler & Theresa Prammer
Das Ziel von Adams Forschung ist es, Wasser zu verstehen. Er ist überzeugt, wenn ihm das gelingt, dann wird Wasser selbst ihm die Antworten auf seine Fragen liefern.
Aber Wasser ist unglaublich schwer zu untersuchen, denn Wassermoleküle sind wahnsinnig klein.
Nur als Beispiel, diese siebzig Prozent Wasser in unseren Körpern bestehen aus 100 Trillionen Wassermolekülen.
Um zu verdeutlichen, wie viel das ist, vergleicht Adam ein Wassermolekül mit einem ein Meter langen Stab. Würde man diesen Stab 100 Trillionen mal aneinanderlegen, würde er von einem Ende des Universums bis zum anderen Ende reichen. So viele Wassermoleküle befinden sich in jedem Körper und sie bewegen sich rasend schnell.
Ein Weg, den Adam bei seiner Forschung eingeschlagen hat, ist das Experiment mit der schwebenden Wasserbrücke, über die er in seinem Vortrag spricht. Genau dieses Experiment war es nämlich, welches das Geheimnis von menschlicher Anziehung enthüllen sollte.
Der erste Versuch dazu wurde bereits vor mehr als 100 Jahren gemacht – alles, was man dafür benötigt, sind zwei mit Wasser gefüllte Gefäße, in die man eine geringe elektrische Ladung leitet. Nicht mehr, als die, die durch einen Weidezaun fließt. Was sogar noch weniger als die elektrische Ladung beträgt, die ein menschlicher Herzschlag erzeugt.
Bei diesem Vorgang entstehen Protonen, die – jenseits aller psychologischen oder biologischen Faktoren – die Ursache sind, warum Menschen sich verbinden. Sie müssen es. Ob sie wollen oder nicht. Denn diese Protonen sind magnetisch und streben nach anderen Protonen.
Während der Recherchen wurde meine Meinung über dieses „simple“ Wasser völlig auf den Kopf gestellt hat. Frei nach Einstein: „Je mehr ich lerne, desto mehr realisiere ich, wie viel ich nicht weiß.“ Denn nicht nur auf der Erde gibt es Wasser. Erst in jüngster Zeit wurden neue Sterne entdeckt, die von Wasser umgeben sind. Eine Theorie besagt, dass sie möglicherweise aus Wasser bestehen.
Vielleicht ist auch das ein Grund, warum Adam Wasser „flüssiges Licht“ nennt. Es ist nämlich ein Trick des Auges, dass Wasser für uns transparent erscheint.
Nur weil Licht hindurchscheint – die Lichtstrahlen spazieren quasi ungehindert an den Wassermolekülen vorbei – können wir durch Wasser sehen.
Wasser ist in uns, es umgibt uns, kein Leben ist möglich ohne Wasser. Wir werden aus Wasser geboren, es ist die Währung des Lebens. Und obwohl das so ist, bleibt Wasser unerklärbar. So wie die Liebe.
Wir fühlen sie, aber können wir sagen, warum wir gerade diesen einen Menschen lieben? Oder was es mit der „Liebe auf den ersten Blick“ auf sich hat? Verstecken sich die Antworten darauf vielleicht in den Protonen?
Also ist das alles doch ein bisschen magisch, oder?
Ach, übrigens. Es gibt eine Frucht, die besteht wie wir aus siebzig Prozent Wasser. Der Vergleich hat mir so gut gefallen, dass ich ihn in „Auf dem Wasser treiben“an die Tür meines Hauptcharakters Stefan, der auch ein Wasserwissenschafter ist, geklebt habe:
„Jeder Mensch besteht zu Dreiviertel aus Wasser. Im Prinzip ist also jeder von uns nichts anderes als eine lebende Wassermelone.“