Wer ist Kommissarin Hornby?

Kommissarin Karen Eiken Hornby ist vor Jahren von London nach Doggerland zurückgekehrt, um zu vergessen, was geschehen ist: Bei einem Autounfall, den sie selbst verursacht hat, sind ihr Mann und ihr Sohn gestorben. Seitdem lebt sie zurückgezogen an der Küste mit ihrer „Ersatzfamilie aus Gestrandeten und Gestrauchelten“. Warum wir es in „Doggerland“ mit einer unkonventionellen Kommissarin zu tun haben und wo diese neben fiktiven Kolleg*innen wie Wallander, Block, Norén und Hole einzuordnen ist, erklärt die Journalistin Sonja Hartl. 

doggerland ullstein

Karen Hornby stört die männliche Dominanz und der allzu lockere, anzügliche und beleidigende Tonfall ihrer Kollegen, der von ihrem Chef als „entspannter Umgang unter uns Bullen“ bezeichnet wird.

Der Morgen danach. „Schon bevor sie die Augen aufschlägt, weiß sie es. Hier stimmt etwas nicht.“ Doch Karen Eiken Hornby ist nicht krimitypisch in Lebensgefahr, sondern liegt mit einem Mordskater in einem fremden Bett, noch dazu mit ihrem Chef. Eigentlich mögen sie einander nicht sonderlich. Auch diese Nacht nach dem weingeschwängerten Austernfest wird daran nichts ändern, sondern ein hochpeinlicher Moment in dem Leben der Kommissarin bleiben. Vor einigen Jahren ist sie zurückgekehrt in ihre Heimat Doggerland, eine fiktive Inselgruppe, auf der die Autorin ihre Karen Hornby ermitteln lässt – ähnlich wie Håkan Nesser seinen Van Veeteren in Maardam. Doggerland liegt zwischen Großbritannien und Skandinavien, ähnelt in der Geographie über die Organisation der Polizeiarbeit bis zu den Menschen beiden Regionen, ist aber eigen.

Ebenso eigenwillig ist Adolfssons fast 50-jährige Hauptfigur Karen Eiken Hornby. Allein altersmäßig ist sie eine Ausnahmeerscheinung unter den fiktionalen Kommissarinnen, noch dazu als Protagonistin. Unweigerlich lässt sie an Bella Block denken, die andere ältere Kommissarin. Auch sie hat Sex mit Männern aufgrund der körperlichen Erfüllung und sucht keinen Lebenspartner, sondern findet eher unfreiwillig eine Ersatzfamilie aus Gestrandeten und Gestrauchelten.

(…) eine Schuld, so erstickend, dass sie sie ins Eisfach stecken musste, damit sie selbst am Leben bleiben konnte.

Außerdem verbindet sie ihre Einstellung zur Polizei. Auch Karen Hornby stört die männliche Dominanz und der allzu lockere, anzügliche und beleidigende Tonfall ihrer Kollegen, der von ihrem Chef als „entspannter Umgang unter uns Bullen“ bezeichnet wird. Gelegentlich liebäugelt sie damit, den Job hinzuwerfen – macht es im Gegensatz zu Bella Block aber nicht. Karen Hornby will nicht „noch einmal von vorn an(…)fangen. Nicht schon wieder.“ Also verlegt sie sich darauf, den sexistischen Exegesen ihres Chefs mit Schweigen zu begegnen und genießt die Macht, die sie über ihn hat, weil sie sich nicht provozieren lässt. Aber dahinter – daran lässt Maria Adolfsson keine Zweifel – steckt der einfache Wunsch, ihre Arbeit zu behalten, die ihre Gedanken fernhält von einer „Wahrheit, die zu schmerzhaft war, um über sie zu sprechen, eine Schuld, so erstickend, dass sie sie ins Eisfach stecken musste, damit sie selbst am Leben bleiben konnte.“

NAME
Karen Eiken Hornby
ALTER
Ende 40
FAMILIENSTAND
verwitwet, ein verstorbener Mann und
ein verstorbener Sohn
WOHNHAFT IN
Dunker (Hauptstadt von Doggerland)
POSITION
bisher Assistentin des Hauptkommissars,
jetzt selbstständige Kommissarin
BESONDERES KENNZEICHEN
untrügliches Gespür für Ungerechtigkeit, sie hat nichts
zu verlieren, weil sie schon alles verloren hat
SCHWÄCHEN
Alkohol, unverbindlicher Sex,
Zigaretten, Humor

Sie verbeißt sich in ihre Fälle, arbeitet viel und kämpft gegen alle Widerstände an – seien es Zeugen, die die Wahrheit verschweigen, oder intrigante Kollegen. Der Kampf innerhalb männlich beherrschter Domänen ist ein wiederkehrendes Handlungselement in der skandinavischen Krimitradition, die trotz des Fernseherfolgs von „Kommissarin Lund“ oder Saga Norén aus „Die Brücke“ weiterhin von männlichen Ermittlern dominiert wird. Karen Hornby passt gut in diese Tradition, ist aber allein aufgrund ihrer Bodenständigkeit besonders: Bier steht auf „der Liste der Dinge, die das Leben erträglicher machten“, ganz oben, sie hat aber kein Alkoholproblem im Blackout-Stil von Nesbøs Harry Hole. Bisweilen leidet sie wie Mankells Kurt Wallander – aus einem tragisch konkreten Grund. Wie Edwardsons Erik Winter fragt sie sich nicht nur, wie man eigentlich leben soll, sondern ob sie überhaupt leben sollte.

Dennoch ist „Doggerland“ nicht schwedisch-depressiv. Vielmehr hat Maria Adolfsson mit Karen Hornby der Krimilandschaft eine wunderbar kratzige Frau beschert, die schon einmal ein Leben hatte, es vor elf Jahren aber verlassen hat. Und nun will sie mit Arbeit, Alkohol und gelegentlichen Männerbekanntschaften wieder in die Spur kommen.


 

Es ist der Morgen nach dem großen Austernfest. Kommissarin Karen Eiken Hornby, Ende 40, wacht betrunken neben ihrem arroganten Chef in einem Hotelzimmer auf. Etwa zur gleichen Zeit wird eine Frau brutal in ihrem Haus erschlagen. Das Opfer ist ausgerechnet die Ex-Frau des Mannes, mit dem Hornby gerade die Nacht verbracht hat. Ihr Chef kann den Fall nicht übernehmen, da er zu den potentiellen Verdächtigen gehört. Hornby wittert eine große Chance – sie soll den Fall übernehmen und kann endlich zeigen, dass sie mehr drauf hat. Zuvor muss sie jedoch noch ein anderes Alibi für ihren Chef finden. Hornby beginnt zu suchen. Das Mordopfer kam in einem Kollektiv zur Welt. Nahm dort das Unheil seinen Anfang? An der rauen Küste Doggerlands deckt Karen Eiken Hornby eine alte Lüge auf, die das ganze Land erschüttern wird.

Maria Adolfsson

Maria Adolfsson

Maria Adolfsson wurde in Stockholm geboren und ist dort auch aufgewachsen. Viele Jahre hat sie als Pressesprecherin für verschiedene Unternehmen gearbeitet. DOGGERLAND ist ihre Krimiserie um Kommissarin Karen Eiken Hornby, die auf der fiktiven Inselgruppe Doggerland spielt.

Foto: © Caroline Andersson

Sonja Hartl

Sonja Hartl

Sonja Hartl studierte Deutsche Sprache und Literatur, Medienwissenschaft und Sozial- und Wirtschaftsgeschichte in Marburg und schreibt seither als freie Journalistin über (Kriminal-)Literatur, Film und Fernsehen. Außerdem betreibt sie das Blog Zeilenkino und ist Jury-Mitglied der Krimibestenliste.

Foto: © Sonja Hartl

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