Es ist unmöglich, vorauszusagen, wohin sich das digitale Universum entwickeln wird. Wie es begann, beschreibt George Dyson in seiner Kulturgeschichte des modernen Computerzeitalters, „Turings Kathedrale. Die Ursprünge des digitalen Zeitalters“. Das Buch versetzt uns mitten in die einzigartige Zusammenarbeit wissenschaftlicher Genies wie Albert Einstein, Robert Oppenheimer, Alan Turing und John von Neumann im Princeton der 1940er Jahre.
Susann Brückner aus der Ullstein-Presseabteilung hat den Autor bei seinen Medienterminen zum Buch begleitet und einen vielseitig interessierten und humorvollen Experten für Wissenschaftsgeschichte kennengelernt.
von Susann Brückner
Es ist Sonntagvormittag in der Lobby eines Kölner Hotels. Gleich treffe ich George Dyson, Autor von Turings Kathedrale, Kayakbauer, ehemaliger Baumhausbewohner und „product of mathematicians“. Seine TED-Vorträge sind sehr beliebt. Ich bin ein bisschen aufgeregt.
Pünktlich tritt er aus dem Fahrstuhl. Wir begrüßen uns, George schmunzelt über meinen strengen Zeitplan. Dabei blitzt es in seinen Augen. Das Taxi wartet schon. Der Fahrer fährt zu schnell und redet zu viel. George lächelt und hält sich fest.
Inmitten eines stillen Wohngebiets am Rande von Bonn sitzen wir auf einer Bank und warten auf das Filmteam von 3sat. Hinter uns ist das Deutsche Museum, das Museums-Café ist geschlossen. Auf der Straße ist niemand. Also unterhalten wir uns: über Boote, über Kanada, über Computer und über die Moral in der Wissenschaft. George zitiert John von Neumann: „The sin was not creating the bomb, the sin was having so much fun doing it.“
Um 12 Uhr ist Showtime. Das Filmteam trifft ein und befindet das Innere des Museums als ungeeignet für das Interview. Kurzerhand wird improvisiert – die Tiefgarage hat ein passenderes Flair. Die Redakteurin Teresa Corceiro steigt auf ein Köfferchen, um George auf Augenhöhe zu befragen. Zum Beispiel, wie es kommt , dass Nerds heute cool sind. George zuckt mit den Schultern. Er bedauert, dass er 30 Jahre zu spät dran ist.

(© Susann Brückner)
Für die Außenaufnahmen fahren wir zu einem Park in den Rheinauen. Es ist ein lauschiger Ort. Wir sehen Frachter auf dem Rhein, Radfahrer, Ausflügler. Teresa Corceiro und George sprechen über den Teufel. Steckt er vielleicht hinter der Erfindung des Computers, wie Konrad Zuse vermutete?* Und waren es vielleicht gar nicht die Nuklearwaffen, hinter denen er her war, sondern die Computer selbst?

(© Susann Brückner)
Zur Mittagszeit sind wir zurück in Köln und gönnen uns einen Klassiker des Mühlen-Brauhauses: Rheinischer Sauerbraten an Kölsch. Die Dame am Nebentisch hört uns Englisch sprechen und hält uns ihren Teller mit gebratener Leber unter die Nasen. Wir verstehen das als freundliche Empfehlung.

(© Susann Brückner)
Von nachmittags bis abends antwortet George dann auf Fragen. Er diskutiert mit den Journalisten, warum das Internet beinahe wieder analog ist („weil Information nicht mehr aus Code, sondern aus Frequenz besteht“), warum so wenige Frauen in seinem Buch vorkommen („jemand sollte Klári von Neumanns Biographie schreiben“) und verrät das W-LAN Passwort der Google-Zentrale („Don’t be evil“).

(© Susann Brückner)
Am späten Abend suchen wir das Mühlen-Brauhaus ein weiteres Mal auf. George erzählt von seinen Erfahrungen als Baumhausbewohner, als Studienabbrecher und Bootsbauer. Sein größter Traum ist ein Fallschirmsprung, sagt er und wieder blitzt es in seinen Augen.
*„Ich betrachte das Problem nicht vom mathematischen Standpunkt aus, wie zum Beispiel von Neumann es getan hat, sondern als Ingenieur. Vielleicht ist es besser, dass für solche Ideen fast keine Unterstützung da ist. Vielleicht steckt auch der Teufel dahinter.“ Konrad Zuse, 1976
→ Turings Kathedrale auf der Website der Ullstein Buchverlage