"Keinohrhasen"-Prozess Abgerechnet wird zum Schluss

Anika Decker und Til Schweiger 2009 beim Bayerischen Filmpreis: Wem steht wie viel vom Gewinn zu?
Foto:Tobias Hase / picture-alliance / dpa
Bei Drehbuchautorinnen und -autoren gehört Jammern zum Handwerk. Mal klagen sie darüber, dass sie ihre Geschichten nicht verkauft bekommen. Dann wiederum werfen sie den Produzenten und Regisseuren vor, ihre Ideen zu verhunzen. Wird ein Film, den sie geschrieben haben, ein Erfolg, wollen sie mehr vom Gewinn. Doch bei all dem Gejammer, das oft nervt, haben sie manchmal sogar recht.
Die Drehbuchautorin, Regisseurin und Schriftstellerin Anika Decker klagt gegen Til Schweigers Firma Barefoot Films und die Warner Bros. Entertainment GmbH, weil sie der Ansicht ist, dass ihr noch Anteile an den Einnahmen der Komödien "Keinohrhasen" (2007) und "Zweiohrküken" (2009) zustehen. Decker schrieb mit Schweiger die Drehbücher zu den beiden Kinohits, die allein in Deutschland zusammen weit über zehn Millionen Zuschauer fanden.
Für ihre Arbeit an "Keinohrhasen" erhielt Decker, wie sie vor einigen Wochen gegenüber der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" sagte, angeblich 50.000 Euro. Das Einspielergebnis des Films an den Kinokassen lag laut Klageschrift bei rund 70 Millionen Euro; nimmt man die späteren DVD-Erlöse und Verkäufe der TV-Rechte hinzu, landet man wohl im dreistelligen Millionenbereich. Da wirken 50.000 Euro tatsächlich etwas kümmerlich.
Befördert wurde Deckers Klage durch die Novellierung des Urheberrechts im Jahr 2002, die das Ziel hatte, die vertragliche Stellung der Kreativen zu stärken. Der Paragraf 32a, auch "Fairness-Paragraf" genannt, räumt ihnen den Anspruch auf zusätzliche Vergütung für den Fall ein, dass die ursprünglich gezahlte Gage in einem "auffälligen Missverhältnis" zu den Einnahmen stehen sollte.
Auch in Hollywood rechnen Studios Einnahmen gern klein
Deckers Anwalt ist der Münchner Nikolaus Reber, der in einem langjährigen Verfahren den Kameramann Jost Vacano in einem Rechtsstreit gegen die Produktionsfirma Bavaria Film GmbH vertrat und am Ende eine Nachvergütung erstritt. Vacano wurde ein Vielfaches der Gage zugesprochen, die er für seine Arbeit an dem Kriegsepos "Das Boot" (1981) erhalten hatte (Lesen Sie hier mehr über den Fall).
Heute haben Decker und Reber vor dem Berliner Landgericht einen Etappensieg errungen: Sie dürfen die Unterlagen und Abrechnungen einsehen, aus denen hervorgeht, wie viel die beiden Filme in ihren verschiedenen Auswertungen eingenommen haben. Eine Transparenz, die kaum einem Kreativen in der Filmbranche zuteil wird. Auch in Hollywood rechnen Studios und Produzenten ihre Einnahmen gern klein, um selbst vertraglich zugesicherte Gewinnbeteiligungen nicht auszahlen zu müssen.
Es geht um Angemessenheit und Fairness
Im Filmgeschäft gibt es ein grundsätzliches Gerechtigkeitsproblem. Bei einem Erfolg geht ein Großteil des Kuchens meist nicht an die Kreativen, sondern an die Studios, die Verleiher, die Finanziers, die oft weit weg waren vom Schaffensprozess und möglicherweise keine einzige Idee beigesteuert haben. Aber sie haben das Geld aufgebracht, meist viel Geld, und ohne das geht beim Film nichts.
Ein Drehbuchautor, der ein Problem damit hat, dass er viel weniger vom Gewinn bekommt als ein Produzent, sollte lieber Romane schreiben, die er in der heutigen digitalen Welt auch ohne große Kosten selbst herausbringen kann. Ein Produzent muss mit einem Hit meist drei, vier Flops kompensieren. Funktioniert ein Film nicht, verlangt er ja auch nicht von seinem Drehbuchautor Geld zurück.
Doch in Deckers Fall geht es wie zuvor bei Vacano um Angemessenheit und Fairness. Ja, natürlich hat Schweiger damals bei "Keinohrhasen" der weitgehend unbekannten Decker die Riesenchance zu einer großen Karriere eröffnet. Aber es ist kaum zu bestreiten, dass der Film eine Originalität und einen Witz hat, wie man es aus Schweiger-Filmen bis dahin nicht kannte. Vermutlich nicht zuletzt Deckers Verdienst.

Nora Tschirner im Kinohit "Keinohrhasen" (2007): Eine Originalität und ein Witz, wie man es aus Schweiger-Filmen bis dahin nicht kannte
Foto: A3322 Warner Bros./ dpaWer welche Anteile an den Drehbüchern von "Keinohrhasen" und "Zweiohrküken" hat, lässt sich unter Umständen durch einen Vergleich der verschiedenen Fassungen des Skriptes klären - in Hollywood eine übliche Praxis. Doch es kann keinen Zweifel geben, dass Kreative - egal, ob sie Drehbücher schreiben, die Kamera führen oder Musik machen -, am Erfolg eines Films beteiligt werden müssen, wenn sie maßgeblich zu ihm beigetragen haben. Und dass die Produzenten und Verleiher ihnen gegenüber Rechenschaft über die Einnahmen ablegen müssen.
Im Übrigen würde es der gesamten Branche guttun, wenn es selbstverständlich wäre, dass man im Augenblick des Triumphes gerecht ist - und bereit, den Erfolg zu teilen.