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Meinung Sprachpolizei

Stoppt die neuen Tugendterroristen!

| Lesedauer: 2 Minuten
ARCHIV - Die Fassade der Alice Salomon Hochschule, aufgenommen am 13.11.2017 in Berlin. (zu «Hochschule entscheidet über angeblich sexistisches Gomringer-Gedicht») Foto: Britta Pedersen/dpa-Zentralbild/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++ ARCHIV - Die Fassade der Alice Salomon Hochschule, aufgenommen am 13.11.2017 in Berlin. (zu «Hochschule entscheidet über angeblich sexistisches Gomringer-Gedicht») Foto: Britta Pedersen/dpa-Zentralbild/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++
Die Fassade der Alice Salomon Hochschule in Berlin mit dem beanstandeten Gedicht
Quelle: dpa
Weil es angeblich sexistisch ist, soll ein Gedicht an der Fassade der Berliner Alice Salomon Hochschule übertüncht werden. Quer durch alle politischen und publizistischen Lager wird das zurecht als Farce erkannt.

Es sind nur zwanzig Wörter, in spanischer Sprache, geschrieben vom Schweizer Dichter Eugen Gomringer. 2011 erhielt er dafür den Poetik-Preis der Berliner Alice Salomon Hochschule, deren Fassade das Gedicht fortan schmückte. Es ist kein politisches Gedicht. Trotzdem sind diese zwanzig Wörter wichtig.

avenidas

avenidas y flores

flores

flores y mujeres

avenidas

avenidas y mujeres

avenidas y flores y mujeres y

un admirador

Dieses Gedicht – es beschreibt wohl die Frühlingsstimmung in einer spanischen oder lateinamerikanischen Metropole mit ihren Prachtboulevards und Blumenständen und flanierenden Frauen – wird übermalt, also ausgelöscht. So hat es der Akademische Senat der Hochschule entschieden, nachdem sich der Allgemeine Studentenausschuss (AStA) über den Text beschwert hatte.

Die Begründung: Das Gedicht sei sexistisch. Dadurch, dass ein Bewunderer („admirador“) in die Szene eingeführt wird, „reproduziere“ das Werk „nicht nur eine klassische patriarchale Kunsttradition, in der Frauen* ausschließlich die schönen Musen sind, die männliche Künstler zu kreativen Taten inspirieren, es erinnert zudem unangenehm an sexuelle Belästigung, der Frauen* alltäglich ausgesetzt sind“. So schrieb es der AStA in einem offenen Brief.

Das ist, ganz einfach, ganz schlicht und ganz klar: absoluter Unsinn. Mit keinem Wort werden Frauen bei Gomringer zu Musen degradiert, nichts erinnert an sexuelle Belästigung, denen Frauen ausgesetzt sind. Dass eine solche Argumentation für diejenigen, die tatsächlich Missbrauch ausgesetzt sind, eine Verhöhnung ist, wird dabei vom hohen Ross des selbstzufriedenen Moralherrenreitertums nicht gesehen. Es geht hier nämlich nicht um Feminismus, nicht um das Brandmarken echter Probleme, um eine nachhaltige Veränderung zum Besseren.

Der Versuch, Sprache um jeden Preis zu politisieren, Kunst dadurch zu brechen und in ein Korsett aus Political Correctness zu stopfen, ist in Wirklichkeit ein Generalangriff auf unsere Kultur und damit auf unsere Freiheit.

Die vom AStA ausgelöste Farce, die quer durch alle politischen und publizistischen Lager auch als solche erkannt wurde, ist in dem Moment zur gefährlichen Tragödie geworden, als die Entscheidung fiel, das Gedicht auszumerzen. Wo Poesie unter Burkas aus Wandfarbe verschwindet, ist es keine Schariapolizei, die über Gut und Schlecht entscheidet, sondern die Sprachpolizei einer kleinen Minderheit von Tugendterroristen. Das eine wie das andere ist: Unterwerfung.

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