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Literatur Prolegomena

Die Empfehlung

| Lesedauer: 2 Minuten

Vor Kurzem saß der junge deutsche Schriftsteller Leonhard Hieronymi, der noch keinen einzigen Roman veröffentlicht hatte, in seinem Zimmer und dachte darüber nach, wie sich die deutsche Literatur retten ließe. Man müsse, dachte er, dem inoffiziellen Ekstaseverbot, der Narkolepsie- und Desinteresseseuche eine neue naive Kraft entgegenstellen, und diese Kraft könne nur aus der Kombination von Romantik und Science-Fiction erwachsen. Hieronymi verfasste also einen 20-Punkte-Plan, ein Manifest, einen Kanon und schrieb zwei Kurzgeschichten, von denen eine ultraromantisch und die andere eher ein formaler Vorläufer der kommenden ultraromantischen Epoche ist. „Ich gehe den gleichen Schritt, den Borges gegangen ist, als er in seinem Essay ‚Kafka und seine Vorläufer‘ Werke auflistete, die das Kafkaeske enthalten, aber vor Kafka entstanden sind“, heißt es. Das ist natürlich alles vollkommen vermessen, großmäulig und aus einer fundamentalen narzisstischen Kränkung erwachsen, also genau so, wie Literatur im besten Fall sein sollte. Der dazugehörige Band „Ultraromantik“ ist jetzt im Korbinian Verlag erschienen und besteht zu drei Vierteln aus Ankündigungen, Absichtserklärungen, Kontextualisierungen und Hinführungen und läuft erst ganz am Ende auf die beiden Short Storys hinaus, die dann auch noch gut sind. In einer der beiden reist der Icherzähler zur Beerdigung von Damien Hirst, der seinen Körper in einem Sarg aus Acrylglas in Formaldehyd einlegen lassen und diese Skulptur dann im Meer versenken lassen möchte. Ein Szenario, das so abseitig ist, das es sehr wahrscheinlich genauso eintreten wird.