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Nordrhein-Westfalen Kay Voges

Der Mann, der das Dortmunder Theater neu erfindet

| Lesedauer: 3 Minuten
Kay Voges will Geschichten nicht immer linear erzählen Kay Voges will Geschichten nicht immer linear erzählen
Kay Voges will Geschichten nicht immer linear erzählen
Quelle: dpa
Seit 2010 ist Kay Voges Intendant am Theater Dortmund. In wenigen Jahren hat er mit provokativen Bühnenexperimenten dem Spielort einen Namen verschafft. Das beweist er auch mit seinem neuen Stück.

Im Stadtteil Hörde hat das Theater Dortmund Ende 2015 eine Außenspielstätte in einem Gebäude bezogen, das vorher ein Großhandel für BVB-Fanartikel war. Dass in der schwarz-gelben Halle „Megastore“ Theater gemacht wird statt in einem altehrwürdigen Bau, ist symptomatisch für die Arbeit von Intendant Kay Voges. Von ihm erwartet niemand mehr, dass er eine gewöhnliche Perspektive auf die Dinge wirft. Voges ist für seine provokativen Experimente im Theater bekannt – und hat es so geschafft, dem Spielort Dortmund einen Namen zu verschaffen.

Für seine neue Inszenierung „Die Borderline Prozession“, die an diesem Freitag uraufgeführt wird, hat Voges einen wandlosen Wohnungskomplex im Innenraum der Halle installiert, der an „Big Brother“ erinnert. „Wir gucken Liverpool gegen den BVB, gleichzeitig wird in Saudi-Arabien jemand enthauptet, und die Nachbarin ist krank“, sagt er. Das alles passe nicht zusammen, aber Newsticker und soziale Medien schütteten die Menschen mit Informationen zu. „Die Gleichzeitigkeit des Ungleichen, darum soll es an dem Abend gehen.“ „Die Borderline Prozession“ soll räumliche und zwischenmenschliche Grenzen aufzeigen, die die ungleichen Nachrichten voneinander trennen. In Anlehnung an eine Bibelstelle soll eine Prozession aus 21 Darstellern die Grenzlinien dann aber niederreißen.

Grenzen überschreiten und einreißen, damit kennt Voges sich aus. Verfolgte das Theater Dortmund unter seinem Vorgänger Michael Gruner noch einen traditionellen Stil, wendet der ehemalige Heimerzieher Voges mit seinem Team seit 2010 radikal neue Techniken an.

Er will Geschichten nicht immer linear erzählen. Imitiert auf der Bühne Strukturen gängiger Fernsehformate, sodass sich der Zuschauer fragt, ob er wirklich im Theater sitzt. Macht aus Richard Wagners „Tannhäuser“ ein kraftvolles Bilderspektakel. Und nutzt natürlich die technologischen Möglichkeiten: „Ob wir jetzt mit Drohnen filmen oder uns Algorithmen schreiben, die auf Körperimpulse reagieren, oder es auf einmal schaffen, bei Twitter in eine Live-Debatte mit den Zuschauern zu treten“, sagt Voges.

Seine Inszenierung von Carl Maria von Webers „Der Freischütz“ empörte CDU-Lokalpolitiker in Hannover – mit der Begründung, dass die Jugend wichtige Werke nur noch in verstellter Form lerne. In der Tat war Voges recht frei mit der Vorlage umgegangen und hatte das Werk als modernes Musiktheater inszeniert.

Voges hob Dortmund auf den zweiten Platz

Eine Kooperation mit den umstrittenen Aktivisten vom Zentrum für Politische Schönheit erregte die Gemüter ebenfalls: Diese hatten angekündigt, ein Jaguarbaby im Dortmunder Zoo erschießen zu wollen, um auf das Leid der Flüchtlinge aufmerksam zu machen. Doch mit der Aktion habe der Gründer des Kollektivs lediglich die Grenzen im Kopf vieler aufgezeigt und eine Diskussion angeregt, verteidigt Voges das Vorgehen.

Sein politischer und inhaltlich wie methodisch moderner Ansatz kommt an: 2013 war Voges mit seiner Inszenierung von „Das Fest“ für den deutschen Theaterpreis Der Faust nominiert. Als die Zeitschrift „Theater heute“ 2015 das Theater der Saison wählte, landete Dortmund auf dem zweiten Platz.

„Wir rebellieren gegen die strengen Gesetzte des Balletts“

In Havanna proben die Tänzerinnen und Tänzer des Balletts Revolución für ihre nächste Europa-Tour. Das Besondere an ihrem Stil: Mit neuer Musik und eigener Ausdrucksweise deutet die Gruppe die strengen Gesetze des Balletts um.

„Das Theater darf kein Museum sein, in dem die alten Dinge immer und immer wiederholt werden“, sagte Voges einmal im Deutschlandradio. „Wir bekommen da schon Zuspruch von Leuten, die der konventionellen Art und Weise, Theater zu machen, eher kritisch gegenüberstehen“, sagt er. Ins Theater kommen ihm zufolge nun auch Programmierer oder Kameraleute, Menschen aus der bildenden Kunst oder der Philosophie. Aber auch ältere Zuschauer blieben dabei.

Für Voges ist das Theater ein Labor und jede einzelne Aufführung nur ein weiterer Versuch, wie er sagt. Mit der „Borderline Prozession“ reißt er erneut gesetzte Grenzen im Theater ein: Die Zuschauer können ihre Perspektive frei wählen, während des Stückes zur gegenüberliegenden Bühne wechseln oder den Live-Mitschnitt einer fahrbaren Kamera auf einem Flachbildschirm in der Theaterbar verfolgen. Voges spricht von einem Abend zwischen „religiöser Liturgie, bildender Kunst, Theater und Film“ – nicht nur von Theater.

Mehr Informationen gibt es auf der Website des Theaters.

dpa

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