4. Universalität der Menschenrechte und kultureller Relativismus
Wallner Menschenrechte, Demokratie und Friedenssicherung Zwischen »Freiheit« und »Sicherheit« 4. Universalität der Menschenrechte und kultureller Relativismus Einleitung Beim Themenfeld „Universalität versus kultureller Relativismus“ in Bezug auf die Menschenrechte geht es um die Frage, welche legitimatorische Reichweite Menschenrechte besitzen. In den Diskussionen der jüngeren Zeit wird verstärkt auf die Verschiedenheit von Kulturen und Zivilisationen hingewiesen, also einem universellen/universalen Verständnis 1 die Differenz entgegen gesetzt. Dieser Kulturrelativismus ist eine aus der Ethnologie kommende Gegenströmung zum Evolutionismus (der von einem unterschiedlich fortgeschrittenen Entwicklungsstand verschiedener Kulturen ausgeht) und zum Ethnozentrismus (Tendenz, eine andere Kultur aus Sicht der eigenen Kultur zu bewerten und die eigene Kultur zu überhöhen). Anhängerinnen und Anhänger des Kulturrelativismus betonen den Pluralismus, d. h. das Nebeneinander vieler Kulturen, die nur schwer miteinander verglichen werden können. Jedes Moralprinzip sei nur innerhalb einer bestimmten Kultur gültig und könne nur in diesem Kontext betrachtet und beschrieben werden. Daraus folge, dass bestimmte Verhaltens- und Umgangsformen immer im Licht des dazugehörigen Sozial- und Wertesystems sowie Kulturverständnisses gesehen werden müssen. An dieses Grundverständnis knüpft auch die kulturrelativistische Interpretation von Menschenrechten an, wobei es mit DONNELLY (2003: 89 f.) eine gewisse Bandbreite an kulturrelativistischen Einstellungen zu unterscheiden gilt: • Ein radikaler Kulturrelativismus geht davon aus, dass die Kultur die einzige Legitimationsquelle für moralische Rechte und Normen sei. • Ein radikaler Universalismus hingegen sieht die Kultur als irrelevant für die (universale) Legitimation der moralischen Rechte und Normen an. • Ein strenger Kulturrelativismus behauptet, dass die Kultur die primäre Legitimationsquelle für moralische Rechte und Normen sei. Dabei wird von einigen auch zugestanden, dass es sehr wenige Basisrechte gebe, die praktisch universale Gültigkeit besäßen, dass diese Basisrechte aber nur eine kleine Überlappungszone von ansonsten vollkommen unterschiedlichen Normsystemen sei. 1 Zu unterscheiden ist an dieser Stelle zwischen „Universalismus“ und „Internationalität“ der Menschenrechte: Universalität bezieht sich auf die Legitimationsfrage, also die Frage, ob Menschenrechte für jeden Menschen, gleich welcher Region, Kultur und Zivilisation, Gültigkeit beanspruchen können. Internationalität hingegen bezieht sich auf die institutionelle Umsetzung des Menschenrechtsgedankens und geht der Frage nach, ob diese Umsetzung (durch Ratifikationen von Menschenrechtsdokumenten, Einrichtung von [internationalen] Gerichtshöfen etc.) über die nationalen Grenzen hinaus geschieht. Lern- und Arbeitsunterlage für den Kurs im Sommersemester 2007 www.rechtsphilosophie.at/wfk/mdf 4/1