Wenn die Buchläden nicht öffnen dürften, werde man in den Wahlkampf eingreifen, drohte Thalia-Chef Busch: "Politiker haben vor nichts mehr Angst, als Macht zu verlieren."
Am 1. März lauschen mehr als 660 Mitarbeiter des Buchhändlers Thalia ihrem Chef Michael Busch in einer virtuellen Konferenz. Es ist der Montag, bevor Bundeskanzlerin und Länderchefs Lockerungen in der Corona-Krise beschließen wollen.
Thalia-Chef Busch ist sauer auf die Politik und legt los. Er erwarte von den Ministerpräsidenten, dass sie die Buchläden endlich öffnen und kündigt eine Social-Media-Kampagne im Umfeld der Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg an. Es gehe darum, der Politik klar zu machen,
Busch spricht die Thalia-Mitarbeiter direkt an. "Jeder von uns und unsere Kunden sind neben Konsumenten und Mitarbeitern eben auch Wähler." Weiter sagt Busch: "Da geht es um Macht, und Politiker haben vor nichts mehr Angst, als Macht zu verlieren." Frontal 21 liegt ein Mitschnitt der virtuellen Mitarbeiterkonferenz vor.
"Ihr habt hier Leute mit dem Rücken zur Wand gestellt." Thalia-Chef Michael Busch wettert über die mangelde Unterstützung der Politik - ein Ausschnitt.
Thalia-Chef will Einfluss auf Wahl nehmen
Der Thalia-Chef Busch führt aus: In beiden Bundesländern gebe es gerade ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Busch wendet sich an die Belegschaft:
Der Chef verspricht den Mitarbeitern, er werde persönlich mit Ministerpräsidenten telefonieren.
Kurz drauf relativiert Busch: "Ich sag immer, es ist keine Drohung, vielleicht auch eine Drohung." Die Politik habe Leute "mit dem Rücken zur Wand gestellt". Dann müsse sie damit rechnen, "dass auch mit dieser Vehemenz gekämpft wird".
Sympathie von AfD in Kauf nehmen
Die Pandemie trifft Einzelhändler in Innenstädten besonders hart. Seit Monaten haben auch Buchläden geschlossen und mit Umsatzeinbußen zu kämpfen. Der Thalia-Chef will das nicht weiter hinnehmen und sagt zu seinen Mitarbeitern: Die Politik kriege "nichts auf die Kette, und wir dürfen immer dafür bluten". Das sei man nicht mehr bereit zu akzeptieren.
Eine Mitarbeiterin will wissen, ob so eine Kampagne nicht zum Erstarken von Populisten führe und sogar eine politische Krise wie in Thüringen heraufbeschwöre.
Thalia-Chef Busch über die AfD
Busch bekommt von einem Mitarbeiter erklärt, dass die AfD gemeint ist, und antwortet. "Wenn sie eine Welle lostreten, dann gibt es immer Trittbrettfahrer." Das sei sogar wahrscheinlich. Man könne nicht vermeiden, dass "die AfD versucht, sich da vorne auf die Lok draufzusetzen".
Für den Buchhandel war der Lockdown existenzgefährdend. Bis zu 70 Prozent Umsatzrückgang, doch seitdem laufen die Geschäfte wieder besser. Die Lust auf Bücher ist offenbar ungebrochen.
Derbe Schelte an Politiker-Plänen
Vor dem Treffen im Kanzleramt gab es Vorschläge, dass Buchläden öffnen könnten, wenn Schnelltests vor Ort in den Läden gemacht würden. Diese Idee wischt Busch vom Tisch. Das sei kein Plan, das in jedem Laden zu machen.
Einem Politiker habe er gesagt: Stellen Sie sich vor, unsere Mitarbeiter "popeln Kunden in der Nase rum". Das Thema werde "wie die Sau durchs Dorf getrieben" allerdings auf eine Art und Weise "wo ein Politiker manchmal nicht weiterdenkt, als ein Schwein scheißt". Am 3. März haben Bund und Länder Lockerungen für den Einzelhandel beschlossen. So sollen auch Buchläden unter bestimmten Bedingungen ab dem 8. März wieder öffnen.
Stellungnahmen über Anwalt
Frontal 21 hat Thalia und Michael Busch persönlich um Stellungnahme gebeten. Eine Sprecherin des Unternehmens lässt über eine Anwaltskanzlei mitteilen: "Herr Busch hat sich in den vergangenen Wochen mit viel Einsatz für ein Ende des Lockdowns, die sichere Wiedereröffnung des Einzelhandels und den Erhalt der Arbeitsplätze eingesetzt und dies auch den Mitarbeiterinnen von Thalia regelmäßig im Rahmen von internen Veranstaltungen mitgeteilt."
Heute – nach der Veröffentlichung der Frontal21-Recherchen teilte Thalia mit: "Herr Busch hat sich persönlich bei den Politikern, mit denen er im Kontakt steht, für die getroffene Wortwahl entschuldigt."
Anmerkung der Redaktion, 05.03.2021, 15 Uhr: Der Beitrag wurde um eine Entschuldigung von Michael Busch ergänzt.