Flüchtlingsrat kritisiert Stamps Abschiebeplan

Joachim Stamp (FDP), stellvertretender Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen und Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration

Flüchtlingsrat kritisiert Stamps Abschiebeplan

Von Rainer Striewski

  • Integrationsminister Stamp für Abschiebung eines mutmaßlichen Vergewaltigers
  • Afghane könnte Wiederholungstäter gewesen sein
  • Flüchtlingsrat kritisiert Vermischung von Straf- und Aufenthaltsrecht

Eigentlich ist er für Integration in NRW zuständig - demonstriert aber auch immer wieder Härte. Vor zwei Jahren sorgte NRW-Flüchtlingsminister Joachim Stamp (FDP) bundesweit für Schlagzeilen, als er den Gefährder Sami A. eilig nach Tunesien abschieben ließ, ohne eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen abzuwarten. Als das Gericht die Abschiebung untersagte, saß Sami A. bereits im Flieger nach Tunis.

Auch im Fall eines mutmaßlichen Vergewaltigers aus Dortmund hat Stamp nun harte Konsequenzen gefordert. Der 23-jährige Afghane soll am Freitag (24.07.2020) ein 13-jähriges Mädchen in der Dortmunder Nordstadt vergewaltigt haben. Fünf Wochen vorher soll er sich bereits an einem 11-jährigen Mädchen vergangen haben. Danach saß er zwölf Tage in Untersuchungshaft, kam dann aber wieder frei. 

Stamp will "direkt aus dem Gefängnis abschieben"

Sollte es zu einer Verurteilung des mutmaßlichen Täters kommen, so werde das Land "alles prüfen, was ausländerrechtlich möglich ist", um den Afghanen direkt aus dem Gefängnis abzuschieben, betonte Stamp am Donnerstag (30.07.2020) gegenüber dem WDR. "Wer hier einen Flüchtlingsstatus genießt, und dann Menschen in diesem Land massiv schädigt, der muss sich der Konsequenzen bewusst sein." Da es sich bei einer Vergewaltigung um eine schwerwiegende Straftat handele, könne der Mann durch eine Verurteilung seinen gerichtlich anerkannten Status als Flüchtling verlieren, so Stamp weiter.

Flüchtlingsrat kritisiert "Doppelbestrafung"

Für den Flüchtlingsrat NRW käme das allerdings einer Art "Doppelbestrafung" gleich. Selbstverständlich müsse ein Vergewaltiger verurteilt werden, betont Birgit Naujoks, Geschäftsführerin des Flüchtlingsrats. "Es ist aber eine grundsätzliche Frage, ob man das in Zusammenhang mit dem Aufenthalt bringen sollte. Straftaten gehören in den Bereich des Strafrechts, nicht des Aufenthaltsrechts", so Naujoks weiter.

Strafverteidiger Ulrich Sommer

Sommer kritisiert Stamp

Der Kölner Strafverteidiger Ulrich Sommer hält die Äußerungen Stamps grundsätzlich für unangemessen. "Ich würde dem Minister empfehlen, die Idee der Gewaltenteilung zu respektieren und sich in seinen Äußerungen zurückzuhalten", so Sommer gegenüber dem WDR. "Er soll die Justiz ihre Arbeit machen lassen."

Bei "Wiederholungsgefahr" in Untersuchungshaft?

Neben Stamp steht im aktuellen Fall auch die Justiz in der Kritik. Schließlich war der Verdächtige im ersten Fall nach zwölf Tagen Untersuchungshaft wieder auf freien Fuß gesetzt worden. Die Dortmunder Staatsanwaltschaft begründete das mit "Zweifeln an den Angaben des Tatopfers".

Dabei hatte Justizminister Peter Biesenbach (CDU) die Staatsanwaltschaften in NRW nach den Missbrauchsfällen von Bergisch Gladbach und Lügde noch zu mehr Sorgfalt bei der Verfolgung von sexuellem Missbrauch von Kindern und Jugendlichen aufgefordert. Er erwarte von der Staatsanwaltschaft, zukünftig die "Wiederholungsgefahr" als Grundlage für eine Untersuchungshaft "besonders in den Blick zu nehmen", teilte Biesenbach den Behörden schriftlich mit.

SPD verlangt Aufklärung

Die SPD kündigte bereits an, den Fall bzw. die Entlassung des Verdächtigen aus der Untersuchungshaft zum Thema im Flüchtlings-, Innen- und Rechtsausschuss des Landtags machen zu wollen. "Der Verdächtige wurde weder abgeschoben, in Untersuchungshaft behalten noch von der Polizei überwacht. Wir werden Aufklärung verlangen, wie es zu diesen Fehlern kommen konnte", erklärte Sven Wolf, stellvertretender Fraktionsvorsitzender.

Stand: 30.07.2020, 17:45