Meine erste große Liebe sollte Jay Gatsby sein.
Ich war gerade vierzehn Jahre alt geworden und als er starb, kostete es mich drei Tage der Sommerferien. Ich hätte nie damit gerechnet und ich wollte das Buch eigentlich auch gar nicht lesen, „Der große Gatsby“, das klang für mich nach einem Feldherren oder sonst was Staubigem, aber mein Vater hatte mich in der Bibliothek gehetzt, ich mich in der Eile vergriffen und dann saß ich halt da, an einem drückend heißen Augustsonntag, meine Freunde im Urlaub, zu einer Zeit als es noch kein Internet gab und das Fernsehen – zumindest bei uns daheim – streng reglementiert war. Alternativ hätte ich vielleicht Mathe lernen oder Lateinvokabeln rekapitulieren können, da las ich dann doch lieber und ich las: „In meinen jüngeren Jahren, als ich noch zarter besaitet war, gab mein Vater mir einmal einen Rat, der mir seitdem wieder und wieder durch den Kopf gegangen ist.“
Von jenem ersten Satz an hatte mich Fitzgerald.
Ich habe mich restlos in Jay Gatsby diesen Blondesten aller Träumer verliebt. Ich wusste, er sah genau aus wie der ältere Bruder eines meiner Klassenkameraden – allerdings vielleicht ohne die Dreadlocks … – und mit dem weiblichen Instinkt eines verknallten Teenagers erkannte ich schon bevor Nick Carraway, der Erzähler, es auch nur ahnte, dass Jays Liebe zu der hochmütigen, leichtfertigen Daisy Buchanan zum Scheitern verurteilt war.
Mich hätte er heiraten sollen – mich!
Ich hätte ihm seine bunten Hemden gebügelt und seinen Tapferkeitsorden aus Montenegro gewienert, ich hätte ihm geglaubt, dass er ein Neffe des deutschen Kaisers ist und wenn er es gewollt hätte, hätte ich für ihn auch den Charleston gelernt – ein ehrgeiziges Vorhaben, zumal ich mich noch mit dem Polka schwertat.
Aber es half nichts, das Unglück nahm seinen Lauf, die Geliebte von Daisys Gatten wird überfahren, Daisys Gatte schiebt meinem guten Jay die Schuld in die Schuhe, schon sind wir am Ende, Gatsby erschossen, Daisy gleichgültig und nur Nick Carraway und ich waren in Tränen aufgelöst. Ich sah so verheult aus, meine Eltern dachten, ich hätte eine Sommergrippe, aber als ich ein paar Tage darauf meine beste Freundin wieder sah, weinte sie aus Solidarität etwas mit. Das rechnete ich ihr hoch an, besonders da sie selbst noch an der Trennung von Rhett Butler zu knabbern hatte.
Später habe ich dann die Verfilmungen gesehen, ein Semester lang die Motive, die Symbole und die Metaebene des Gatsby analysiert und zahlreiche, vermutlich bessere, sprachgewandtere, spannendere, tragischere Liebesromane gelesen, aber es bleibt dabei: Gatsby stole my heart 😉
Ihre Joan Weng