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Franz hat ein Problem. Er trachtet nach einem offiziellen
Pseudonym -- einzutragen in die Papiere und somit rechtlich
abgesichert. Er besucht die Gemeindeverwaltung. Die behandelnde Ärztin
hat einen solchen Fall noch nicht erlebt. Sie hat kürzlich -- so räumt
sie ein -- einmal ein Legitimationspapier gesehen, in das ein
Künstlername eingetragen worden ist. Damit aber ist sie auch schon am
Ende ihrer Weisheit. Erhebliche Insuffizienz, denkt Franz und
schweigt. Oder heißt es Inkontinenz? Was, bitte schön, muß erfranz denn
tun, um sich fortan straffrei anders nennen zu können? Was muß er
vorweisen? Die Dame schüttelt den Kopf. Wie gesagt: Ein derart
gelagerter Fall ist in der Geschichte dieser Gemeinde noch nicht
aufgetaucht. Franz wird gemustert: So also sieht ein Künstler aus, oder
einer, der sich dafür hält. Was soll es denn nun sein, das Franz da
beansprucht? Soll es ein Künstlername sein oder ein Pseudonym? Es soll
sich, läßt Franz ein, dann doch eher um ein Pseudonym handeln, in dessen
Schutz er fortan schriftliche Gemeinheiten auszustreuen gedenkt. Aha. Er
wird nachweisen müssen, daß er bereits unter diesem Pseudonym gearbeitet
hat. Und wie, bitte schön? Seine Tätigkeit soll doch erst beginnen. Ist
Franz da in eine dieser amtlichen Todesspiralen geraten? Ohne Nachweis
kein Pseudonym und ohne Pseudonym kein Nachweis. Er bereut längst diesen
seinen Franzgang zur Behörde. Er hätte es wissen müssen: sowas kann
nicht einfach sein. Trotzdem ist er wild zum Zweitleben
entschlossen. Die Nebenexistenz stellt unermeßliche Vorteile in
Aussicht. Zweimal will Franz künftig Geburtstag feiern und sich also
jährlich mit der doppelten Geschenkration eindecken lassen. Sein nicht
vorhandenes Vermögen wird er doppelt vererben. Zwei Einträge ins
Telefonbuch wird es geben. Kann er sein Leben doppelt versichern
lassen? Vielleicht besser nicht. Die Franzfrau könnte auf dumme Gedanken
kommen. All das allerdings verschweigt er der sich in ihrem Erstaunen
langsam steigernden Amtsdame. Das ist sein Geheimnis und soll es auch
bleiben. Sie wird Rücksprache halten müssen mit ihrem Chef und sich dann
melden. Franz soll aber schon mal seinen Antrag stellen. Und wie, bitte
schön, muß dieser Antrag aussehen? Gibt es einen Vordruck? Reicht ein
formlos schriftliches Ansinnen? Das -- es tut ihr leid -- kann sie
Franz nicht sagen. Sie muß sich kundig machen. Wie gesagt: Dieser Fall
tritt erstmalig auf. Franz malt sich aus, daß er in der Mittagspause zum
Zentrum des Kantinentratsches werden wird. Wozu braucht er noch ein
Pseudonym? Spätestens nach der Mittagspause wird es eh jeder wissen. Man
wird ihn beim Einkaufen wahrscheinlich schon mit seinem Zweitnamen
ansprechen. Die Amtsdame nimmt noch mal Maß: So also sieht ein Künstler
aus. Immerhin. Das hat sie sich doch gleich gedacht, als Franz den Raum
betreten hat. Er sieht irgendwie anders aus. Nicht unbedingt normal.
Wie lange wird es denn dauern, bis erfranz eine Nachricht bekommen wird
hinsichtlich seines zur Zeit noch in einem Stadium der Formlosigkeit
befindlichen Antrages? Sie wird sich mal die Franznummer aufnotieren
(aufnotieren also!) und sich dann melden. Es wird zugewartet werden
müssen. Wann erreicht man Franz denn am besten? Als er mit der Antwort
"nach 22 Uhr" raus ist, tut ihm noch nachträglich die Zunge weh. Nun --
er weiß vielleicht, gibt die Amtsdame zu bedenken, daß die
Geschäftszeiten einer Gemeindeverwaltung anderen Gesetzmäßigkeiten
unterliegen. Ja, erfranz weiß das. Nachmittags ist es schlecht. Den
Vormittag über ist er hin und wieder zu Hause zu erreichen. Er
verschweigt, daß er sich vormittags oft im Eiscafé aufhält --
schräg die Straße runter -- fünf Minuten zu Fuß. Aber erfranz hat ja
schließlich auch einen Anrufbeantworter. Jede Nachricht kann ihm also
auch auf indirektem Wege fernmündlich mitgeteilt (aufgesprochen!)
werden. Er wird dann umgehend zurückrufen oder gleich höchstselbst
vorstellig werden und alles für seinen Antrag erforderliche beizubringen
wissen. Die Amtsdame will nicht neugierig sein -- es geht sie ja
gewissermaßen auch nichts an -- aber sie wüßte schon gerne, was Franz
denn macht. Möglicherweise wird ihr Vorgesetzter Fragen stellen: Er wird
wissen wollen, was Franz treibt und wozu er die Zweitexistenz
benötigt. Ist er in der Schlagerbranche oder gar Schauspieler? Nein, ist
er nicht. Er schreibt -- wahlweise Wörter oder Noten. Aha --
Schriftsteller ist er also und Komponist. Und was schreibt er für Musik?
Schlager etwa? Nein -- eher nicht. Auch nicht Volksmusik. Eher gar
nicht. Franz ist bereit, demnächst mit einer Hörprobe vorstellig zu
werden. Nein, so hat es die Amtsdame nun auch nicht gemeint. Wie gesagt:
Es geht sie ja vielleicht gar nichts an. Aber sie muß doch Auskunft
erteilen können. Ihr Vorgesetzter, den sie jetzt Chef nennt, wird
Hintergründe über diesen Fall wissen wollen. Ist Franz denn unter dem
einzurichtenden Pseudonym schon in Erscheinung getreten? Öffentlich? Ja
-- ist er. Nicht oft, aber er ist. Werden denn Kosten entstehen? Die
Amtsdame ist sich sicher, daß dergleichen nicht kostenlos zu haben sein
wird. Das Mindeste: Franz wird einen neuen Reisepaß brauchen. Wie lange
ist denn der derzeitige Franzpaß noch gültig? Ein halbes Jahr. Na, dann
trifft es sich doch gut. Einen neuen Paß wird er also ohnehin
brauchen. Das sind dann die üblichen Gebühren. Sie kann aber nicht
sagen, ob der neu einzurichtende Eintrag eine Sondergebühr nach sich
ziehen wird. Auch das wird sie herausfinden. Hat Franz denn die Bilder
dabei? Welche Bilder? Nun, er wird ein neues Paßbild brauchen. Ohne
neues Bild kein neuer Paß. Das stimmt. Nein, die neuen Lichtbilder hat
erfranz noch nicht dabei. Er hat ja nicht gewußt, was er tun muß. Im
Reisepaß gibt es schließlich ein Feld mit der Unterschrift:
Künstlername, Ordensname, Pseudonym. Es hätte ja immerhin sein können,
daß da einfach eingetragen wird, was ihmfranz als künftiger Zweitname
vorschwebt. Wie gesagt, die Amtsdame muß sich erst kundig machen, aber
es ist ihr eigentlich schon jetzt klar, daß dergleichen so einfach nicht
gehen wird. Das wäre dann das erste Mal, daß etwas Amtliches so einfach
vonstatten ginge. Jetzt, wo sich die Amtsdame recht besinnt, will es ihr
scheinen, als habe sie Franz neulich mit Bild in der Zeitung
gesehen. Kann das sein, daß sie ihn neulich mit Bild in der Zeitung
gesehen hat? Sie hat ein gutes Gedächtnis für Gesichter. Ja, es muß
Franz gewesen sein, den sie da in der Zeitung gesehen hat. Sie hat sich
noch gedacht: Kennst du den? Und jetzt steht er vor ihr. Franz soll
nichts sagen -- sie wird gleich draufkommen. Richtig -- ist er nicht als
Dirigent in Erscheinung getreten? Ja sicher -- das ist es gewesen. Er
ist also tatsächlich ein Künstler. Franz wird, denkt er sich, die
geplante Zweitgeburtstagsfeier um ein halbes Jahr verschieben
müssen. Kann Franz denn nachweisen, daß niemand anderes unter einem
identischen Pseudonym in öffentliche Erscheinung tritt? Nein, das kann
erfranz natürlich nicht. Er ist sich aber sicher, daß unter seinem
wirklichen Franznamen bestimmt weltweit auch mindestens 347 andere ein
reales Leben führen. Dagegen kann man nichts machen. Das ist Fakt. Das
Wort Fakt macht Eindruck auf die Amtsdame. Das stimmt. So hat sie es
noch nicht gesehen. Es wird auch andere Frauen ihres Namens geben, gibt
Franz zu bedenken. Das wird ihr jetzteben klar. Sie wird sich also der
Franzsache annehmen und dann fernmündlich Bericht erstatten. So schnell
wie möglich. Zuerst hat sie ihn ja für ein bißchen komisch gehalten --
aber jetzt ... Schließlich kennt sie ihn. Was dirigiert er denn? Leicht
Verdauliches? Eher gar nicht. Braucht er denn den Zweitnamen dringend?
Was antwortet man auf eine solche Frage? Nun -- erfranz wird nicht daran
zugrunde gehen, wenn sich die Zuteilung seiner Zweitexistenz etwas
hinziehen wird. Andererseits ist ihm schon daran gelegen, möglichst
schnell in die neue Haut schlüpfen zu dürfen. Zweitexistenz -- auch
dieses Wort scheint die Amtsdame zu beeindrucken. Der Chef ist zur Zeit
nicht da. Aber sie wird sich darum kümmern. Schnell und ganz bestimmt.
Schließlich kennt man sich. Franz stellt Karten für das nächste Konzert
in Aussicht. Ein bißchen allerdings muß Franz sich gedulden. Das eine
muß sie aber noch wissen: Wie soll denn der Franzzweitname lauten?
Fabian Hagel. Aha.
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