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no. 26: visuelle kultur
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abstrich |
Justus kommt!von Franz Neige |
Die neue Welt in Cellophan -- Schleifchen drum. Bitte sehr. Wir sind in freudiger Erwartung: Justus kommt. Nee, ne? Doch. Lätts mäik mjusick tugesser äs fränds. Das hatte doch der Lenni schon gesagt. Die Vielharmonie der Nationen. Nee, ne? Doch. Echt. |
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Justus hat schon bei der UNO gespielt und -- jawoll: beim Papst. Na, dann muß er doch gut sein. Und er -- der Magier, der Maestro -- ihn haben sie geholt. Ins Land der Pappelalleen. Er, dessen Spiel -- so schrieb es mal ein Kritiker -- zwei Nuancen hat: mit oder ohne Pedal -- er kommt. Greift heilend ein. "Zeig uns, was Kultur ist." Wer Kultur ist. Justuuuuuuuuuuus. |
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Seine Interpretationen: klar wie ein niederländischer Gebirgsbach. Die Sponsoren stehen Schlange. Er ist jeden Cent wert. Die mit dem Stern steigen ins Boot. "Justus paßt zu uns. Charisma. Faszination." Der Sponsor sieht Parallelen: "Beide Unternehmen bieten jungen Menschen die Möglichkeit, sich in ihrem Beruf zu qualifizieren." Jawoll. Justus, der Sternschnupfen am Klangfirmament. Der Gotthilffischer des Orchesters. "ßie mie! Hiel mie! Fiel me! Tatsch me." Der Justus braucht halt a bisserl a Geld. Gut, daß er einen kennt, der sich gern mit ihm schmückt. Mit allen Spinnen genießen. |
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Schöne neue Welt in Cellophan: Ein Festival -- das Festival ist Justus. Drei Konzerte mit der Vielharmonie. Was wird gegeben: Man weiß es nicht. Du kennst den Koch. Da brauchst du kein Menu. Justus lebt -- egal, ob es Brennesselsuppe wird oder Lachs in Kaugummisauce. Es kann doch nur gut werden. Es muß gut werden. Justus war auch schon im Fernsehen. Vorsicht Klassik. Das waren noch Zeiten. |
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Dreimal Justus. Der Macher spricht von einer Konzertreihe und weiß gar nicht, daß eine Konzertreihe etwas ganz etwas anderes ist als eine Reihe von Konzerten. Preise im 40er Bereich. "Wo bekommen Sie das sonst noch?" Woanders wird Justus längst als Sonderangebot verramscht. Der Landrat spricht: "Philharmonie der Nationen -- da habe ich erst mal geschluckt." Wohl wahr. Aber die einen schlucken so, die anderen so. |
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Die neue Welt in Cellophan. Mensch -- das würde doch keiner merken, wenn es ein anderes Stück wäre. Gut -- man täte das Englishhornsolo vermissen. Interpretationsfrage. Am besten: Justus gibt nur die bekanntesten Takte aus der Welt der musikalischen Mumien. Das niederrheinische Klangmausoleum: Von Carmina Burana zum Götterfunken. |
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Gibt's ein Abo fürs Festival? Nö. Man rechnet nicht damit, daß jemand drei Tage hintereinander ins Konzert möchte. Das kannst du so und so sehen. Justus dreimal? Muß nicht. Trotzdem: Jetzt kommt die Kultur. Jetzt segnen sie uns. Justus spritzt mit musikalischem Weihwasser. Die Karten: Das besondere Geschenk der ganz anderen Art. Damit kannst du beweisen: Du kennst dich aus in der Welt der großen Töne. Richtig. Darum geht es: Alle wollen sie große Töne spucken, und Justus geht uns voran. Wallfahrt zum Justus. |
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Dvorák in Cellophan. Vergiß das Schleifchen nicht. Jetzt noch ein paar dumme Sprüche für das Phrasenschwein: Kultur, der weiche Standortfaktor. Justus, der Maestro mit dem Charisma. Wir setzen uns mit Tränen nieder. |
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Schon gehört: Demnächst will ja der Maestro mit der Brittnäi zusammen auf die Bühne. Der Laden der untergehenden Töne. Trotzdem: Sie werden kommen. Sie werden Notenschlüssel auf die Bühne werfen, und Justus wird besternt durch die Region fahren. Vielleicht schnell noch einen Umzug organisieren: Musikschüler säumen die Straße. Eine Straße nach Justus benennen. Eine Sackgasse vielleicht. Pomp änd ßörkumstänz. |
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Neulich erzählte einer: Justus auf dem Land. Vor dem Konzert schleicht er schnell noch mal auf die Bühne und klappt den Klavierdeckel zu. Beim Auftritt dann ein mitleidiges Lächeln: "Das haben die doch glatt vergessen." Wenn's nicht stimmt -- man sollte es erfinden. |
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