London, 16. Dez 2004_
George W. Bush ist der alte neue Präsident der Vereinigten Staaten von
Amerika. So manchen mag das überraschen, angesichts der gigantischen
Fehlschläge, die 'Dubya' in den vergangenen vier Jahren
produziert hat. Wer die Berichterstattung zum Krieg in Irak
verfolgt hat, dürfte sich noch mehr wundern. Besonders interessant ist
im Zusammenhang mit dem Feldzug der Amerikaner nämlich die Rolle, die
US-Firmen beim Wiederaufbau des Irak spielen und die Verbindungen
einiger dieser Unternehmen zu George W. Bush: Amerikanische Amigos?
Und damit kommen wir zum Thema dieser E-Mail aus London. Daß
größenwahnsinnige Diktatoren gewinnbringende Geschäftspartner sein
können (sei es man verkauft ihnen Waffen oder führt Krieg gegen sie
-- oder beides) ist für die Familie Bush eine Binsenweisheit. Wie
ein vor kurzem erschienener Artikel in der englischen Tageszeitung
The Guardian verrät, hat bereits 'Dubyas'
Großvater Prescott nicht nur den finanziellen Grundstein für das
Familienvermögen der Bushs, sondern auch den Nährboden für die ethisch
fragwürdigen politischen Praktiken seines Enkels gelegt.
Daß der Guardian mit seinem Artikel keine Wahlhilfe für George W.
leisten wollte, verrät schon die Überschrift "How Bush's
grandfather helped Hitler's rise to power". Nun sind
derartige Anschuldigungen gegen die Bush-Familie nicht neu.
Besonders interessant ist der Guardian-Artikel allerdings, weil er
sich auf neu entdeckte Dokumente des US-Nationalarchivs stützt, von
denen viele bis zum letzten Jahr als geheim eingestuft
waren. Laut dieser Unterlagen war Prescott Bush als Direktor und
Anteilseigner für mehrere amerikanische Unternehmen tätig (darunter
die Union Banking Corporation [UBC] in New York), die in den 30er und
40er Jahren Geschäfte mit Nazi-Industriellen (Thyssen, Flick) gemacht
und dabei kräftig abgesahnt haben. Diese Geschäfte wurden auch nach
dem Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg im Dezember 1941
fortgesetzt und kamen erst 1942 zum Erliegen, als die Vermögen der
Unternehmen unter dem "Trading with the
Enemy"-Gesetz beschlagnahmt wurden. Das Kapital der
Union Banking Corporation zum Beispiel wurde erst am 20. Oktober 1942
eingezogen -- zehn Monate nachdem die USA Deutschland und Japan den
Krieg erklärt hatten.
Die Öffentlichkeit wurde auf die fragwürdigen Umtriebe von Prescott
Bush durch den Artikel "Hitler's Angel has $3m in US
Bank" vom 30. Juli 1942 im New York Herald-Tribune
aufmerksam gemacht. Ein anderes US-Unternehmen, Brown Brothers
Harriman (BBH), für das Prescott Bush ebenfalls tätig war fungierte
als US-Bank für Thyssen. Bis in die späten 30er Jahre hatten BBH und
UBC unter anderem Gold, Treibstoff, Stahl und Kohle im Wert von
mehreren Millionen Dollar nach Deutschland verkauft "both
feeding and financing Hitler's build-up to war".
Die üblen Machenschaften von 'Dubyas' Großvater waren
seit den 40er Jahren erstmals wieder von zwei Überlebenden des
Holocaust, Kurt Julius Goldstein (87) und Peter Gingold (85), ans
Tageslicht gebracht worden: Die beiden Amerikaner verklagten 2001 die
US-Regierung und die Bush-Familie auf 40 Milliarden US-Dollar
Schadensersatz. Goldstein und Gingold behaupteten, daß sowohl die
US-Regierung als auch die Bush-Familie von Zwangsarbeit im KZ
Auschwitz profitiert hätten. Laut Goldstein und Gingold wußten die
Amerikaner, was im KZ Auschwitz vor sich ging -- wäre das Camp
bereits im April 1944 bombardiert worden hätte man das Leben von
400.000 Ungarn retten können. Zwar hatte Präsident Roosevelt am
22. Januar 1944 eine Executive Order unterschrieben, nach der die
US-Regierung alles in ihrer Macht stehende tun wollte, um die
europäischen Juden zu retten, doch diese Anweisung wurde laut
Goldstein und Gingold auf den Druck einiger großer US-Unternehmen
ignoriert -- darunter auch BBH. Prescott Bush wird laut dem
Guardian ebenfalls mit der Consolidated Silesian Steel Company (CSSC)
in Verbindung gebracht. Während des Krieges hatte CSSC Zwangsarbeiter
von verschiedenen Konzentrationslagern eingesetzt, darunter Auschwitz.
Die Klage wurde 2001 vom Bundesbezirksgericht Washington
abgewiesen.
Einige Tage vor der Präsidentenwahl in den USA wurde die schmutzige
Angelegenheit jedoch wieder aufgerollt: Diesmal reichte Kurt Julius
Goldstein gemeinsam mit anderen Holocaust-Opfern beim
Bundesbezirksgericht New York eine 400 Millionen Dollar Klage gegen
den US-Präsidenten George W. Bush mit der Begründung ein, das Vermögen
der Bush-Familie basiere "auf Gewinnen aus NS-Sklavenarbeit, die
[George Ws] Großvater Prescott Bush mit Geschäften mit den Nazis
während des Zweiten Weltkrieges gemacht habe."
Heute -- 60 Jahre später -- tragen die Bemühungen von
'Dubyas' Großvater immer noch Früchte: Bereits im
Oktober 2003 berichtete der britische Nachrichtensender BBC auf seiner
Website, daß viele US-Firmen, die im Irak Aufträge zum Wiederaufbau
bekamen, kräftig in George W. Bushs Wahlkampfkasse gespendet hatten.
Zufall? Auch die Mitglieder der Bush-Regierung beherrschen die hohe
Kunst, den Krieg für sich arbeiten zu lassen: Das US-Unternehmen
Halliburton ergatterte den größten Auftrag zum Wiederaufbau Iraks --
ehemaliger Firmenchef: Vizepräsident Richard 'Dick'
Cheney. Jener Cheney, der die treibende Kraft für den Krieg gegen Irak
war -- laut eines Stern-Artikels sogar die entscheidende.
Die Praktiken des Pentagons bei der Vergabe der Aufträge zum
Wiederaufbau des Irak wurden inzwischen öffentlich kritisiert. In
einem Brief an die Rechtsabteilung der US-Armee hatte sich die Beamtin
Bunnatine Greenhouse, Contract Officer des Corpse of Engineers des
US-Verteidigungsministeriums, darüber beschwert, daß im Februar 2003
ein Großauftrag an die Halliburton-Tochter Kellogg, Brown & Root
ohne Ausschreibung vergeben wurde. Einige Tage vor den
Präsidentschaftswahlen hatte das FBI aufgrund dieser Vorwürfe die
Ermittlungen aufgenommen.
Man darf sich an dieser Stelle getrost fragen, warum die
halbseidenen Aktivitäten von 'Dubyas' Granddad die
Wiederwahl des Enkels nicht beeinflußten. Die Antwort ist ganz
einfach: In der US-Presse wurden die dubiosen Geschäftemachereien des
Prescott Bush bislang weitgehend ignoriert, obwohl die entsprechenden
Dokumente bereits letztes Jahr der Öffentlichkeit zugänglich gemacht
wurden.
Die Verbindungen der Familie Bush zu den Nazis ist ein weites
Feld. So mancher läßt sich aber durch Veröffentlichungen wie den
eingangs erwähnten Guardian-Artikel zu wilden Spekulationen
hinreißen. Viele Amerikaner fühlen sich schon angesichts der Rhetorik
von George W. Bush an den Sprachduktus des Dritten Reich
erinnert. Daher gehen dem ein oder anderen Journalisten im Zuge des
Enthüllungseifers manchmal auch die Gäule durch, wie das folgende
Beispiel veranschaulicht. In einer vierseitigen Propaganda-Anzeige des
Office of Homeland Security in Texas war in der Oktoberausgabe des
Monatsmagazins Texas statt eines amerikanischen Generals aus
Versehen ein Offizier der deutschen Luftwaffe abgebildet. Der
texanische Homeland-Security-Chef David Dewhurst -- verantwortlich für
den Patzer -- entschuldigte sich schnell, aber es war bereits zu
spät. Sofort fragte ein gewisser Robert Lederman in seinem Artikel
"Homeland Security Freudian Slip":
"Was this a bizarre mistake, a Freudian slip or a rare
moment of candor from the Bush administration? Considering that Bush's
grandfathers made their fortune on Wall Street managing banks and
shipping companies the U.S. government seized in 1942 as fronts for
the Nazis, it may have been all three." Lederman
glaubte, die Anzeige enthülle geheime Sympathien der Bush-Regierung
für die Nazis. Was zunächst eine zumindest plausible Schlußfolgerung
schien, entpuppte sich jedoch als Blindgänger. Lederman hatte
angenommen, daß es sich bei dem deutschen Soldaten um einen Offizier
der Luftwaffe des Dritten Reichs handelte. In der Tat war in der
Anzeige aber ein Offizier der Luftwaffe der Bundesrepublik Deutschland
zu sehen. Vermutlich hatte Lederman die Werbung nicht gesehen und in
Ermangelung ausreichender Kenntnisse der deutschen Sprache war ihm
entgangen, daß Luftwaffe lediglich der deutsche Begriff für
'air force', also keineswegs
spezifisch für den Sprachgebrauch der Nationalsozialisten ist. Sprich:
Der in der Anzeige abgebildete Soldat war eben kein
Nazi-Offizier. Aber wer wollte es Robert Lederman übel nehmen, daß er
angesichts der Schandtaten der Bush-Familie ein bißchen über die
Stränge geschlagen hat?
Der Guardian, eine der wenigen englischen Tageszeitungen, die sich
zu Prescott Bushs zwielichtigen Geschäften vor und während des Zweiten
Weltkriegs geäußert hat, brauchte nicht so weit zu gehen, um die
pessimistische Stimmung der englischen Bevölkerung, die nach der
Wiederwahl von George W. Bush aufkommen sollte, bereits
vorwegzunehmen. So richtig hoch kochten die Emotionen dann aber erst
nach dem 2. November: Am schärfsten brachte es der Daily
Mirror auf seiner Titelseite am 4. November auf den Punkt.
Dort stand in riesigen Buchstaben
zu lesen:
"How can 59,054,087 people be so DUMB?"
Der Guardian reagierte etwas getragener. Auf der vollkommen
schwarz gefärbten ersten Seite der Beilage G2 waren lediglich die
Worte "Oh God" zu lesen -- eine überdimensionale
Traueranzeige. Innen beschrieb dann Guardian-Mitarbeiterin Emma
Brockes wie sie mit ihren Freunden entsetzte E-Mails austauschte als
sich das schockierende Ergebnis der Wahlen abzeichnete. Einer der
Ansager des Fernsehkanals BBC News 24 soll angeblich on
air geseufzt haben, bevor er verkündete, daß Kerry die Wahl
verloren hatte. Eine Nation in Trauer? Fast, wenn da nicht Dubyas
alter neuer Busenfreund, Premierminister Blair, und Tonys Erzfeind,
Tory-Chef Michael Howard, wären. Blair begrüßte den Ausgang der Wahlen
wie im britischen Telegraph zu lesen stand:
"Despite the political difficulties Mr Bush's re-election
will cause Mr Blair, he is understood to be privately pleased by his
victory and looking forward to working closely with the president for
another four years."
Und ausnahmsweise ist Michael Howard einmal mit Tony Blair einer
Meinung: "We look to the president to be a unifying force for
those all over the world who share our determination to defend
freedom. We look forward to working with the President."
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