Glanz@Elend
Magazin für Literatur und Zeitkritik
© by Herbert Debes & Kurt Otterbacher

 

Volk ohne Traum I

 


VOLK OHNE TRAUM
Ein Statement von Uve Schmidt








Wenn ich demnächst ins Kino gehe, werde ich nach zehnjähriger Abstinenz ein Lichtspielhaus betreten, das ich vermutlich kaum wiedererkenne; gegeben wird DER UNTERGANG. Schon heute hat der Film alle Erfolgsprognosen übertroffen, das Besucherinteresse wächst, vielleicht auch deshalb, weil bis zur Stunde niemand die Vorführungen behinderte, eine Art stiller Achtungsapplaus von Links und Rechts. Sind wir jetzt normal, fragt die Presse, womöglich stinknormal? Normal wäre es, wenn als nächstes Opus das Leben Horst Wessels („Die Fahne hoch!“) drankäme, eine wildromantische urbane Politballade, die sogar am Broadway reüssieren könnte, mit Madonna als Sturmführers Braut, fände sich nur ein jüdischer Produzent...

Man muss nicht fragen, weshalb die Leute überhaupt ins Kino gehen, man kann sich wundern, weshalb Helge Schneider noch Zuschauer findet und darf annehmen, dass Katzenhaarallergiker nicht 90 Minuten auf domestizierte Bengaltiger starren. Wichtig ist nicht, was in der Frankfurter Schule über das Filmschaffen geschrieben wurde, entscheidend war, was Lenin, Goebbels und die Hollywood-Moguls über die Kinokunst dachten. Das Studio als Traumfabrik - kein Synonym trifft es seit 100 Jahren besser, denn kein Medium hat von Anfang an die Konsumenten willentlich derart getäuscht und verhext, obwohl der Film wie kein anderes Medium die Wahrheit in sich selbst trug als chemotechnische Voraussetzung. Dennoch liebt man den Film , am meisten seine Stars, oft genug nur wegen der Stars. Bruno Ganz ist Träger des Iffland- Ringes, Hitler Träger des Nibelungenringes, Star meets Megastar. Aber Obacht: „ Man kann jeden guten Film kaputtmachen, wenn man ihn zum falschen Zeitpunkt startet“, meinte  (1992) Barry Reardon, Vertriebsleiter von Warner Brothers. Ich schätze, der Herbst 2004 war der ideale Zeitpunkt für einen Film, der den Untergang des Dritten Reiches im Mauseloch seines Stifters und Führers schildert, das Ende des gewaltigsten Staatsexperiments der Neuzeit als dem Lebenswerk eines einzigen Mannes, just, da mitten im Frieden die wirtschaftliche Großmacht Deutschland dem nationalen Bankrott entgegenschlittert. Just, da das Gespann Schröder/Fischer seine verheerende Fremdenpolitik mit vorvertraglichen Zusagen an die Türkei krönt, just, da der amerikanische Wahlkampf offenbart, dass die USA so oder so ihre Politik der Präventivschläge fortsetzen werden, ergo der Krieg der Kulturen in ein neues, fürchterlicheres Stadium tritt. Doch

DER UNTERGANG wurde nicht gedreht, um die deutschen Arbeitslosen zu warnen und die mitteldeutschen Halbstarken abzuschrecken, DER UNTERGANG ist ein großer Kassenerfolg, ein großes Lorbeergebinde künstlerischen Erfolges und ein großer laufender Test: wieviel human touch erlaubt Hitler, wieviel Wirklichkeit dürfen deutsche Nazidarsteller in einem deutschen Film vermitteln, ohne das deutsche Publikum aus dem Kintopp direkt zum nächsten Kriegerdenkmal zu lenken? Ich glaube nicht, dass die deutschen Kinogänger sich ausmalen, wie sie in 15 oder 20 Jahren in ihren Privatbunkern bibbern, während über ihnen die multikulturellen Marodeure toben, ich glaube, dass die meisten Rezipienten von keinerlei Visionen und Assoziationen geplagt  oder erleuchtet werden, sondern bestenfalls zur Kenntnis nehmen: Der Traum ist aus! Nach dem Ende mit Schrecken (ich meine Hiroshima) erwartet uns nunmehr der Schrecken ohne ENDE... Uve Schmidt


 
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