Glanz@Elend
Magazin für Literatur und Zeitkritik
© by Herbert Debes & Kurt Otterbacher

 

Volk ohne Traum XIV

 


Im Schlafe kotzen
Ein Statement von Uve Schmidt








PRIVAT bezeichnet seit Beginn der industriellen Revolution jene Örtchen und Officialgemächer, für welche unbefugten Personen der Zutritt förmlich verboten war, und in aller Regel schüchterte das Schildchen die Leute nicht nur gehörig ein, sondern schirmte effektiv  Gegenstände und Vorgänge privater Natur ab. Während tausende vulgäre Synonyme für Geld oder Geschlechtsteile deren Nimbus nicht im geringsten ankratzen, dürfte Privat in Bälde auf den Hund gekommen sein, was nicht das Verschwinden aus dem allgemeinen Sprachgebrauch bedeutet, sondern den Verlust seines einstigen eigentlichen Anwendungswertes. Leider hat das garnix zu tun mit einer neuen Gemeinsinnigkeit, mit wachsendem kollektiven Bewusstsein und sozialromantischen Sehnsüchten, denn noch nie erfolgte die Bereicherung am Volksvermögen schamloser und verheerender, noch nie offenbarten insbesondere die Besitzlosen eine derart gestörte Beziehung zu Kulturgütern, öffentlichen Einrichtungen und privatem Eigentum durch  deren  ostentative Verachtung, Verwüstung oder Verschwendung,  was keineswegs im Geiste einer antimaterialistischen Rückbesinnung auf „höhere Werte“ geschieht, sondern aus einem Widerstreit von Habgier und Hass.

Während unser (?) Staat durch weitestgehende, zumeist ruinöse Privatisierung aller nationalen Besitzstände und Aufstellung einer Gespensterarmee sogenannter Selbständiger sowie die Begünstigung diverser dubioser Privatinitiativen seinerseits den Privatbegriff diskreditiert, müssen wir uns fragen, an welche bewährten Hauptwörter wir uns noch halten können, sofern sie von keinem historischen Bedeutungswandel betroffen sind. Es kollidiert mit dem STGB, wer sich unrechtmäßig Titel, Ämter und Qualifikationen zuerkennt, Urkunden fälscht oder ohne Führerschein ein Auto lenkt. Was aber geschieht, wenn wahrheitsgemäße Angaben zur Person oder Sache dennoch nicht stimmen, weil sie niemand  hinterfragt? 90% aller Bundesbürger halten Kriegsdienstverweigerer für Pazifisten oder Drückeberger; dass es ebensoviele verschiedene Gründe wie Gemusterte geben kann, den Dienst bei der Fahne zu verweigern, vermuten die wenigsten, und tatsächlich geben nur die wenigsten ihre wahren Weigerungsgründe an. Wie aber verhält es sich, wenn ein Staat seine Souveränität betont, an der es ihm de facto fehlt? Was sagt dann der Völkerrechtler dazu, hm?! Daß die Bundesrepublik Deutschland die längste Zeit ihres Bestehens nur über eine eingeschränkte Souveränität verfügte, wurde kleinlaut eingestanden, doch die Wiedervereinigung stellte die faktische Oberhoheit mitnichten automatisch oder neuvertraglich her, und auffälliger als je zuvor gibt man sich  Blößen, denn irgendwie muß ja getestet werden, wie unabhängig wirklich die deutsche Politik gestaltet und durchgesetzt werden kann, von mächtigen Männern. Bis auf die Verweigerung der vollidiotischen Komplizenschaft am Tigris haben unsere bürgerlichen Parteien (auch Du, Turnschuh!) sich in keiner Hinsicht mit Lorbeeren bedeckt, nicht mal mit etwas Männertreu…

Und dann stand die erste Kanzlerin der Welt vor dem Deutschen Bundestag und wedelte mit den Bordkarten. Gewiß, es ist ein Ritual, nach dem Amtsantritt die wichtigsten Nachbarn und /oder Waffenbrüder aufzusuchen, nacheinander, weil man sie nicht einfach alle einbestellen kann auf die Zugspitze. Aber es wäre eine echte Chance gewesen, erstmals Eigenmächtigkeit und Selbstbewusstsein zu demonstrieren, indem frau daheim bleibt, die telefonischen Glückwünsche entgegennimmt und dann nach Wien fliegt, nach Bern, und vielleicht auf ein Kaffeestündchen nach Vaduz zum Plausch über Briefkastenfirmen und Beutekunst. Was wäre denn passiert, wenn Frau Merkel den Chirac auf dem Straßburger Weihnachtsmarkt getroffen hätte, den Blair auf einer Kanalfähre und die polnischen Amtsneulinge an einem adventlichen Wochenende im Riesengebirge? Weder hätten die Tschechen uns das Elbwasser abgedreht, noch wären die Dänen in Flensburg einmarschiert, ärgstenfalls hätten britische Ballspielfreunde den Ballermann besetzt. Stattdessen verlangen wir von den Amis die Voranmeldung ihrer Geheimdienstflüge und das Versprechen, niemanden zu foltern, der zuvor deutsche Höhenluft geschnuppert hat. Was sollen solche Kinkellitzchen? Die Kanzlerin hat natürlich einen Frauenbonus und genau den sollte sie solange nutzen, wie sie noch  den Newcomerkredit genießt. Grob gesprochen: Jeder weiß, dass die USA niemals und nirgendwo Genehmigungen einholen für illegale Aktionen, was wären sie denn sonst? Mir persönlich ist es schnurz, wie rechtmäßig Washington mit seinen europäischen Vasallen umspringt, doch daß die USA es überhaupt, ununterbrochen und unaufhörlich tun, vor allem zum Nachteil unserer Volkswirtschaft (z.B. mittels elektronischer Bank- und Industriespionage), das ist ein Jahrhundertskandal, zumal unsere matten Proteste nichts nützen und wir die US-Dienste auf unserem Staatsgebiet auch noch alimentieren müssen. Wann, bitteschön, will eine deutsche Regierung endlich ihre volle Handlungsfreiheit entfalten? Fehlen etwa die gesetzlichen Voraussetzungen??

Die Welt weiß, dass der iranische Präsident Ahmadineschad ein Schandmaul ist, doch seine judenfeindlichen Herrenwitze haben lange Bärte; dass uns jetzt die Ohren dröhnen, liegt an den deutschen Waffengeschenken für Israel, mobile, unterseeische, atomare Abschussbasen, von denen sich der Iran ebenso bedroht fühlt, wie die Israelis von den Atomplänen Teherans. Berlin reagierte deshalb routinemäßig und überließ zunächst  die Titelblätter und die Fernsehfenster dem Vorsitzenden Paul Spiegel, welcher sofort allerhöchste Maßnahmen verlangte, vorab den Abbruch der diplomatischen Beziehungen zum Iran wegen beispielloser antisemitischer Hetze. Da selbst die Häufung perfidester antideutscher Akte aller Art noch keine Bundesregierung bewog, diplomatische Beziehungen abzubrechen (sofern die Verbündeten nicht dazu drängten oder die Hallsteindoktrin es verlangt hätte), darf man sich fragen, ob der Zentralrat  ein aussenpolitisches Machtvakuum entdeckt hat. Seit Merkels Erfolg in Brüssel  verklären wir die Haare in der Suppe wieder als Fettaugenwimpern - dass der EU-Finanzplan schließlich nur angenommen wurde, weil  Merkel die Zustimmung Polens mit 100 Millionen Euro aus unserem Topf erkaufte, ernüchtert die Nation. Mann kann zwar auch im Schlafe kotzen, doch zumeist kostet es das Leben, wenn man allein liegt oder die Nächstliegenden den Rettungsgriff nicht kennen...


 
Geschenkt - unsere Nummer 1 gratis!


Glanz@Elend
Magazin für Literatur und Zeitkritik

© by Herbert Debes & Kurt Otterbacher

Startseite
Belletristik |Biographien |
Briefe & Tagebücher | Geschichte | Philosophie |
Politik | Foto, Bild & Kunst |
Lyrik | Krimis, Thriller & Agenten