Glanz@Elend
Magazin für Literatur und Zeitkritik
© by Herbert Debes & Kurt Otterbacher

Startseite

Volk ohne Traum

 


Deutschland, ein Herbstmärchen
Ein Statement von Uve Schmidt





Es war einmal wieder ein Interview fällig in der SONNTAGS-FAZ, wo neuerdings die Geständnisse und Selbsterkenntnisse als In-den-Mund-Gelegtes (siehe Günter Grass Gemoser) entstehen, diesmal mit dem Mann, der die Merkel ablösen soll. Gefragt, ob der Aufstieg in die Mittelschicht heute nicht mehr selbstverständlich sei für „ Leute aus kleinsten Verhältnissen wie Sie“, antwortete der SPD-Vorsitzende und Ministerpräsident zu Mainz Kurt Beck: „Es gibt viel zu viele Menschen in Deutschland, die sich mit ihrer Situation materiell und kulturell arrangiert haben.“ Er meinte, wie die FAZ tagsdrauf titelte: Die Unterschicht wird zum Problem, aber gesagt hat er das so nicht. Es wäre auch keine Art und Weise unserer regierenden Eiertänzer, den nicht nur hinlänglich bekannten, sondern früh vorhergesagten Prozeß der sozialen Verwahrlosung durch sozialstaatliche Verwöhnung (siehe Konrad Lorenz Die acht Todsünden der zivilisierten Menschheit, Erstschrift 1970) ohne Umschweife zuzugeben und klar zu benennen wie alle anderen vorhersehbaren Desaster, welche die längste Zeit geleugnet oder in verbalen Mogelpackungen versteckt wurden. Leider haben sich alle Parteien versündigt, ohne auf Exkulpierung hoffen zu können, denn ihre jeweils mehr oder weniger zeitgeistgemäßen Begründungen dienten immer nur einem Zwecke: Dem Machterhalt. Daß einzelne Politiker dafür auf eigene Kosten (von der Armenspeisung bis zum bestellten Rivalenmord) alles unternahmen, was der Machtergreifung diente, weiß man seit der Antike, doch gerade diese Aspekte der Allgemeinbildung haben sowohl die politische Klasse, als auch ihre Gefolgschaften und die Nichtwähler geneigt oder gleichgültig gemacht. Cosi fan tutte – why not?!

Es spricht viel dafür, rechtswidrig zu handeln, solange es Gutes bewirkt für einen grösseren Personenkreis, sagen wir für die Allgemeinheit minus Lynchjustiz, und selbst die korrekte Gutmenschin pfeift auf die Paragraphen, wenn formales Unrecht dringende Problemlösungen beschleunigt, Übereinstimmungen herbeiführt, Sicherheitsbedürfnisse befriedigt und Bequemlichkeiten sanktioniert. Was heißt da Nepotismus, wenn qualifizierte Fünflinge in der Lage wären, einen Staatskonzern erfolgreich zu managen? Ich persönlich hätte nichts gegen weniger Demokratie, wenn das den Staat verbesserte, denn mir will scheinen, daß das Verderbliche im Gutgemeinten keineswegs als richtige Politik entworfen wurde, welche nur schiefgegangen ist, weil polares Treibeis den deutschen Sonderweg blockiert. Ich denke, daß wir das Afrika der Zukunft sein werden und heutiges Herrschaftswissen darin besteht, sich die ersten Parzellen auf Grönland zu sichern, einen islamischen Schutzpass zu ergattern und für die Urenkel Jobs hinterm Mond.

Es waren einmal die Schildbürgerstreiche, nachzulesen in teutschen Volksbüchern, welche wie die obrigkeitskritischen Märchen und Sagensammlungen belegen, daß Wahn, Willkür, Hochmut und Schwachköpfigkeit vom Kaiser in den neuen Kleidern  bis zur Fischersfrau im Pisspott nur in der Kinderstunde einen glimpflichen Ausgang fanden; in allen grösseren Epen bezahlen die Herrscherhäuser ihre Führungsfehler und Vermessenheiten mit dem Verlust von Ländern und Thronen, unter Hinterlassung dezimierter, verarmter und vertriebener Untertanen. Natürlich geschahen zu Schilda und Troja keine gesicherten Geschichten, indes existieren in Sachsen und der Türkei die Reste der einstigen Schauplätze und via Spott und Spannung sollten sie Ermahnungen sein, niemals die Götter zu lästern durch Schandtaten oder mittels Inkompetenz ein Gemeinwesen zu ruinieren. Wenn es in diesen Wochen diversen Gestaltern unserer jüngeren Geschichte dämmert, daß sie mit falschen oder defekten Instrumenten zu Werke gegangen sind, sich folglich irren mußten und nur falsch handeln konnten, und es obendrein keine geeigneten Hilfsmittel gab wie Gesetze oder Lautsprecher, mit denen sich Fehlentwicklungen stoppen und ärgste Dummheiten annullieren ließen, dann lauschen wir den Sieben Schwaben und ihren gar schröcklichen Abenteuern. Oder hört jemand die Weisen von Zion heranschlurfen?

Als Brecht nach dem 17.Juni 1953 der SED empfahl - qua  Aphorismus in der Schublade - die Regierung möge sich ein anderes Volk wählen oder es auflösen, war der Vorschlag gar nicht so blöde. In der Tat waren die Mitteldeutschen noch nicht reif für den realen Sozialismus und hierzulande ist der Politiker-Schmäh  „Die Wähler sind nicht so dumm, wie unsere Gegner glauben!“ immer ein seitenverkehrtes Kompliment. Die Grundfrage, ob überhaupt die Rede sein kann von intelligenten oder beschränkten Völkern, genialen (die Juden) und verrückten (die Araber) Nationen, sollten die geschätzten Ethnien und wahlberechtigten Konglomerate am besten selbst entscheiden, etwa am Beispiel der Bewertung ihrer Regierungen und der Beurteilung ihrer staatlichen Nachbarn. Man gelangt dann schnell zu der Überzeugung, daß die menschlichen Webfehler relativ gleichmäßig über die Erde verteilt sind, vor allem notorischer Neid und Vergesslichkeit. Womit wir am Ende sind, liebe Landsleute mit moralischem Hintergrund…


 
Geschenkt - unsere Nummer 1 gratis!


Glanz@Elend
Magazin für Literatur und Zeitkritik

© by Herbert Debes & Kurt Otterbacher

Startseite
Belletristik |Biographien |
Briefe & Tagebücher | Geschichte | Philosophie |
Politik | Foto, Bild & Kunst |
Lyrik | Krimis, Thriller & Agenten